Die spektakuläre Jagd nach der Himmelsscheibe von Nebra
Im Sommer 1999 finden Sondengräber eine unscheinbare Scheibe. Es stellt sich heraus: Der Fund ist 3600 Jahre alt. Der Weg der Scheibe in ein Museum wird die Polizei in Atem halten. Warum, das erfahrt ihr in einer neuen Folge "Kunstverbrechen", dem True-Crime-Podcast von NDR Kultur.
Der 4. Juli 1999 ist ein Sonntag. Die beiden Sondengänger Henry W. und Mario R. haben es auf historische Fundstücke, vor allem sogenannte Militaria abgesehen: Uniformknöpfe, Orden, Waffen aus dem zweiten Weltkrieg, aber auch Pfeilspitzen oder Säbel. Sie sind an einem gut bekannten Fundort in ihrer Umgebung unterwegs. Der Mittelberg beim Dorf Ziegelroda in Sachsen-Anhalt ist 252 Meter hoch und bewaldet, nicht gut einsehbar. Und: Er ist seit den 80er-Jahren ein sogenanntes Bodendenkmal: Hügelgräber und eine Ringwallanlage aus dem Mittelalter wurden hier bereits entdeckt und zum Teil auch von Raubgräbern geplündert. Für die beiden erweist sich dieser Sonntag zunächst als Glückstag: Sie finden zwei Schwerter, Beile, Armspiralen, einen Meißel. Und: einen goldgrün schimmernden Teller, den sie zunächst für einen Deckel oder ein Schild halten: Durchmesser 32 cm, gut 2 kg schwer, aus Bronze und mit Goldauflagen.
Strenge Gesetze bei Funden
Die beiden Finder geben sich keine besondere Mühe, vorsichtig zu graben. Sie beschädigen den Rand der Scheibe und zerstören eine der Goldauflagen. Henry W. und Mario R. wollen die teilweise demolierte und verschmutzte Scheibe möglichst schnell verkaufen. Doch die beiden haben ein Problem: Dieser Fund gehört ihnen nicht, sondern dem Bundesland Sachsen-Anhalt. Das regelt ein sogenanntes "Schatzregal". Bei einer Meldung des Fundes an das Land wären die beiden also leer ausgegangen.
Verkaufsversuche sprechen sich rum
Und so wenden sie sich an jemanden, den sie kennen: Achim Stadtmüller. Er ist Antiquitätenhändler aus der Nähe von Köln. Und der schlägt ziemlich schnell zu, zahlt 31.000 DM für Scheibe und Schwerter und ist sich sicher, dass er die Platte gut verkaufen kann. Gegenüber der Polizei wird Achim Stadtmüller später sagen, dass er es eigentlich nur auf die Schwerter abgesehen hatte und den Wert der damals ziemlich verdreckten Scheibe gar nicht erkannte. Bei dem Versuch die Scheibe zu säubern, geht er recht rabiat und gleichgültig vor und beschädigt sie. Er bietet sie zum Weiterverkauf an. Unter anderem dem Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle und Museen in München und Berlin. Die Museen gehen jedoch auf das illegale Geschäft nicht ein. Drei Jahre lang bekommt er beim Versuch die Scheibe zu verkaufen immer wieder eine Abfuhr. Bis zum Jahr 2002 wissen also nur ein paar Leute von dem Fund.
Allerdings sprechen sich die vergeblichen Verkaufsversuche herum: In Internetforen von Sondengängern munkelt man: Da sei in Sachsen-Anhalt was Sensationelles gefunden worden. Schließlich verkauft Stadtmüller die Himmelsscheibe an einen privaten Sammler für 230.000 DM. Der verpfändet für die Summe seine Alterspension und möchte das Objekt 2002 dann doch wieder verkaufen.
Hilfe von Polizei und Staatsanwaltschaft
Im Mai 2001 sieht Harald Meller, Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle an der Saale zum ersten Mal ein Bild der Himmelsscheibe. "Die Fotos waren ziemlich glaubwürdig. Da waren vom Wald Anhaftungen dran. Die Schwerter passten typologisch zusammen. Das ist sehr, sehr schwer zu arrangieren. Und die Himmelsscheibe habe ich von Anfang an auch aufgrund der Fotos schon für echt gehalten. Aus einem ganz einfachen Grund: In der Archäologie gibt es sehr viele und häufige Fälschungen. Aber es wird immer nur etwas gefälscht, was man schon kennt. Ich kenne keine absolut originelle Fälschung, die etwas vollkommen Neues fälscht. Mir war klar, die Möglichkeit, dass es echt ist, ist groß und ich wusste, wenn der Fund echt wäre, wäre es die absolute Weltsensation, was letztlich durch den Titel UNESCO Welterbe auch bestätigt wurde", so Meller.
Für Meller ist klar: Er muss den Schatz für Sachsen-Anhalt gewinnen. So wendet er sich an das Landeskriminalamt und an die Profis der Staatsanwaltschaft und Polizei. Er schafft es sie davon zu überzeugen, dass der Fund enorm wichtig ist und bekommt die nötige Unterstützung, um an die Himmelsscheibe zu gelangen.
Spektakuläre Festnahme in Schweizer Hotel
Im Februar 2002 nimmt Harald Meller, der gerade zum Landesarchäologen in Sachsen-Anhalt ernannt wurde, Kontakt auf zu Hildegard Burri-Bayer. Sie hat umfangreiche Kontakte mit den verschiedenen Leuten und hat die Scheibe bereits an den privaten Sammler vermittelt. In ihrem Restaurant "Historia" in Kaarst in Nordrhein-Westfalen kommt es zu einem Treffen, bei dem vereinbart wird, dass Meller den Fund für sein Museum in Halle begutachtet und gegebenenfalls kauft. Dass bereits bei diesem Treffen ein Ermittler des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt dabei ist, ahnt Hildegard Burri- Bayer nicht. Die Übergabe soll in der Schweiz erfolgen.
Dort, in der Lobby eines Luxushotels, hält Harald Meller das erste Mal die Scheibe in der Hand hält. Doch dann geht einiges schief …
Wie die Geschichte weitergeht, hört ihr in einer neuen Folge von "Kunstverbrechen", dem True-Crime-Podcast von NDR Kultur.
Die neue Folge "Kunstverbrechen" ist bereits in der ARD Audiothek verfügbar. Die nächste Folge erscheint am 28. November.