VIDEO: Künstliche Intelligenz: Warum haben Menschen Angst vor KI? (5 Min)

Künstliche Intelligenz: "Das wird den Kulturbereich hart treffen"

Stand: 18.04.2023 18:03 Uhr

Im Interview fordert der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats Olaf Zimmermann von der Politik, klare Rahmenbedingungen und Grenzen im Bezug auf Künstliche Intelligenz zu definieren.

Olaf Zimmermann © Kay Nietfeld/dpa Foto: Kay Nietfeld
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Der Verband deutscher Schriftsteller*innen in ver.di fordert die Abschaltung von Text-Software, die mithilfe von KI selbstständig Texte schreibt. Die Autorinnen und Autoren wollen Rechtssicherheit. Es müsse erst einmal geklärt werden, wie sie dafür vergütet werden, dass Textgeneratoren ihre Texte nutzen. Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats Olaf Zimmermann.

Herr Zimmermann, wie ist denn zunächst die Haltung des Deutschen Kulturrates zu diesem Thema? Unterstützen Sie die Forderung der Schriftsteller und Schriftstellerinnen?

Olaf Zimmermann: Erstmal sehen wir in der Künstlichen Intelligenz ein unglaublich mächtiges Instrumentarium. Das kann für uns alle zu einem Segen werden - aber, und das ist das Problem, es kann auch für uns alle zu einem ganz großen Fluch werden. Deswegen verstehen wir die Sorgen, die der Schriftstellerverband hat, sehr gut. Wir müssen schauen, dass wir als Gesellschaft Regelungen für diesen wichtigen neuen Bereich bekommen. Ob es wirklich möglich ist, eine solche Entwicklung für eine gewisse Zeit einzufrieren? Ich würde es schön finden, wenn das gehen würde, bin aber ein bisschen skeptisch, weil wir das nicht wirklich in der Hand haben. Das wird ja nicht in erster Linie aus Deutschland heraus proklamiert, sondern das sind die ganz großen amerikanischen und mittlerweile auch chinesischen Unternehmen, die mit KI experimentieren. Es wird schwer sein, das jetzt einfach zu stoppen - aber regulieren müssen wir es.

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Was ist Ihrer Meinung nach eine mögliche Lösung, was die Vergütung für die Nutzung von KI angeht?

Zimmermann: Das, was der Schriftstellerverband sagt, ist vollkommen richtig: Wir haben gar keine vernünftige Lösung für das Text- und Data-Mining, also den Abbau von Texten und Daten, die im Netz zur Verfügung stehen und die dann von einer Künstlichen Intelligenz genutzt werden, um neue Texte zu kreieren. Die Schriftstellerinnen und Schriftsteller machen sich berechtigterweise Sorgen - nicht über die Inhalte im engeren Sinne, also, ob das nun die Wahrheit ist, was die KI da generiert, sondern um den Stil, die Erzählstimme, die damit letztendlich deutlich wird. Das ist so etwas Ursächliches, was Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben, und wenn die KI das übernimmt, weil sie die Texte vorher adaptiert hat, dann gibt es eine neue, ganz schwierige Konkurrenz. Es muss letztendlich ein Riegel vorgeschoben werden, wenn eine Autorin oder ein Autor nicht will, dass sein Text abgebaut wird, um in einer KI ein neues Leben zu bekommen. Es darf niemand gezwungen werden, seine Texte für die KI zur Verfügung zu stellen. Das gilt auch für die Texte, die jetzt schon im Internet frei zugänglich sind.

Gibt es im Moment überhaupt eine Möglichkeit zu sehen, welche KI welche Texte nutzt?

Zimmermann: Nein, das ist eine der ganz großen Lücken. Wir wissen noch nicht einmal, durch welche Datenbanken die KI sich durchfrisst, um ihre Daten abzubauen, zu schöpfen. Wir wissen nur, dass es einige gibt, die das gesamte World Wide Web benutzen, und es gibt andere, die noch auf dezidierten Datenbanken aufgebaut sind. Wir haben da einen unglaublichen Wildwuchs, und es wird auch mit urheberrechtlich geschützten Texten Schindluder getrieben.

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Das Thema Urheberrecht ist im Kulturbereich auch in anderer Hinsicht relevant: Wenn zum Beispiel eine Software Musik komponiert, dann gibt es auch eine Konkurrenzsituation zwischen GEMA-freier, von der KI geschaffener Musik, und geschützter Musik von Komponistinnen und Komponisten.

Zimmermann: Wir im Kulturbereich sind einer der Bereiche, die am stärksten von dieser Künstlichen Intelligenz betroffen sind. Sie haben Musik genannt, man kann Texte nennen, wir müssen auch Bilder nennen. Alles kann eine KI neu kreieren. Eine nicht von Menschen geschaffene Schöpfung hat keinen urheberrechtlichen Schutz. Unser Urheberrecht verlangt, dass nur ein Mensch urheberrechtlichen Schutz für seine Werke in Anspruch nehmen kann. Deswegen entsteht da jetzt ein größerer Konkurrenzmarkt, der den Kulturbereich hart treffen wird: den gesamten Design-Bereich, die Musik, den ganzen Text-Bereich, die bildende Kunst. Wir stehen vor einer richtigen Herausforderung.

Was sind denn Ihres Erachtens nach die Rahmenbedingungen, die es geben muss, damit Kultureinrichtungen auch davon profitieren und niemandem geschadet wird?

Zimmermann: Wir müssen uns erst einmal bewusst werden, dass wir überhaupt Rahmen und Grenzen brauchen. Im Moment haben wir diese Debatte in der Politik noch nicht ernsthaft. Die KI muss überhaupt erst einmal in ein Korsett hineingebracht werden. Das bedeutet nicht, dass es keine KI geben soll. Ich glaube, dass sie auch sinnvoll sein kann, sie kann uns auch Arbeit abnehmen und unser berufliches Tun auch erleichtern. Aber das geht nur, wenn das in einem vernünftigen Rahmen eingebaut ist. Die Politik muss jetzt erstmal anfangen, diesen Rahmen überhaupt zu schaffen. Einmal im Bereich des Urheberrechtes: Wir brauchen spezifische Gesetze, die sich mit KI auseinandersetzen und besonders genau hinschauen, woraus die KI ihr Wissen generiert hat, wer die wirklichen Urheber im Hintergrund sind und ob die nicht auch in einer gewissen Form beteiligt werden müssen.

Aber wir müssen auch viele andere Gesetze anpassen, zum Beispiel, wenn eine KI einen Fehler macht: Wer ist dann dafür verantwortlich? Wenn sie nur ein Komma vergisst, ist das nicht wichtig, aber stellen Sie sich vor, die KI ist im Medizinbetrieb tätig und macht einen Fehler: Dann kann unser Leben davon abhängen. Das heißt, wir müssen auch diese Verantwortlichkeiten letztendlich regeln. Die Politik hat da noch nicht genug gemacht und muss jetzt schneller werden, weil die KI-Entwicklung nicht aufzuhalten ist. Deswegen müssen wir uns bei der Regelung endlich dieser Geschwindigkeit anpassen.

Das Interview führte Julia Westlake.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 18.04.2023 | 16:30 Uhr

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