Karl Lagerfeld: Der legendäre Modezar mit Zopf und Spleens
Mehr als 50 Jahre lang beherrschte er die Welt der Mode: Karl Lagerfeld. Er entwarf Kleider für die größten Modehäuser. Bekannt war er auch für seine Spleens und Zitate. In Hamburg ist seit Mai 2024 eine Promenade nach ihm benannt.
Der gebürtige Hamburger und Wahlfranzose verfolgt neben seinen Modeschöpfungen zeitlebens auch zahlreiche weitere Projekte, zeichnet Karikaturen, fotografiert, designt Inneneinrichtungen und gibt sogar die Zeitung "Karl Daily" heraus. Lagerfeld ist nicht nur ein Star-Designer, er ist der letzte Pariser Modezar.
Rätselraten um Karl Lagerfelds Alter
Um sein tatsächliches Alter hat Lagerfeld, der Anfang der 1980er-Jahre die kreative Leitung des Pariser Modekonzerns Chanel übernimmt, ein Geheimnis gemacht. Er selbst behauptet zuletzt, im Jahr 1935 geboren zu sein. Damit alterte er quasi über Nacht um drei Jahre, hat er doch zuvor standhaft verkündet, Jahrgang 1938 zu sein. Die Erklärung für die "buchhalterischen Unstimmigkeiten" in seiner Biografie ist natürlich so genial einfach wie Lagerfelds Entwürfe: Mutti sei schuld gewesen. Sie habe einfach auf offiziellen Dokumenten ein wenig Zahlenkorrektur betrieben, so Lagerfeld.
Schon anlässlich früherer vermeintlich runder Geburtstage ist in der Presse zu lesen, dass der Modekönig bereits im Jahr 1933 das Licht der Welt erblickt haben soll - diese "investigativen" Berichte stützen sich auf einen Taufregisterauszug. Einigkeit herrscht über den Tag seiner Geburt: der 10. September. Lagerfeld gehört zu den Erfolgreichsten seiner Zunft.
Der ergraute Zopf ist neben der Sonnenbrille und in früheren Zeiten der Fächer das Markenzeichen des Modemachers - ebenso wie das nasale Hamburgisch des hanseatischen Kaufmannssohnes.
Karl Lagerfeld: Stilikone mit vielen Geheimnissen
Nicht nur seine Haute-Couture-Kreationen für die Laufstege weltweiter Modenschauen sind stilprägend, auch Lagerfeld selbst ist immer ein Trendsetter: Damit ihm die Anzüge seines Designer-Kollegen Hedi Slimane passen, nimmt er in den Jahren 2000 und 2001 in nur 13 Monaten fast 40 Kilo ab - für seine fast jungenhaft wirkende Figur stehen täglich gedünsteter Fisch und Magermilch-Joghurt auf dem Speiseplan.
Nicht jeder Fernsehmoderator kann dem eloquenten Designer auf Anhieb folgen, wenn er bei Interviews mit dem Sprachduktus eines Schnellfeuergewehrs überraschende Antworten gibt. Das Schnellsprechen habe ihm seine Mutter Elisabeth beigebracht, die ihn gebeten habe, seine langweiligen Geschichten möglichst rasch zu erzählen, antwortet der Modedesigner auf Nachfragen.
Um sein Privatleben ranken sich Gerüchte: Lagerfeld offenbart der Öffentlichkeit, mit Jacques de Bascher, der 1989 an Aids verstarb, eine platonische Beziehung geführt zu haben. Ob es später eine Person an seiner Seite gibt, bleibt sein Geheimnis.
Sohn eines betuchten Hamburger Kaufmanns
Karl Lagerfeld kommt also in den 1930er-Jahren als Sohn eines reichen Hamburger Dosenmilch-Fabrikanten zur Welt. Um den Flächenbombardements der Hansestadt zu entgehen, zieht die Familie gegen Ende des Zweiten Weltkriegs auf das Landgut Bissenmoor bei Bad Bramstedt. Dort besucht der sprachbegabte Lagerfeld eine öffentliche Schule, bis er Anfang der 1950er-Jahre nach Hamburg zurückkehrt. Im Jahr 1953 geht er zusammen mit seiner Mutter nach Paris. Dort beendet er seine Schulausbildung an der Privatschule Lycée Montaigne.
Talentwettbewerb öffnet Lagerfeld Tür zur Modewelt
Im Jahr 1954 nimmt er mit einem selbst entworfenen Wollmantel an einem internationalen Designwettbewerb teil. Mit dem ersten Platz öffnet sich Lagerfeld die Tür zur Pariser Modewelt. Der renommierte Pierre Balmain stellt den jungen Designer als Assistenten ein und nimmt Lagerfelds Entwurf in seine Kollektion auf. Es folgen Stationen bei berühmten Modehäusern wie Jean Patou, Valentino, Krizia oder Fendi, teilweise arbeitet er als Freiberufler. Bevor er 1983 die Leitung des traditionsreichen Modehauses Chanel übernimmt, das zu diesem Zeitpunkt eher den Schick älterer Damen verkörpert, sorgt er mit Kollektionen für Chloé und Deco weltweit für Aufsehen.
Ab 1984 verkauft der Designer auch Parfüms und Mode unter seinem eigenen Namen. Doch nicht nur für den großen Geldbeutel entwirft Lagerfeld Mode: Auch bei einer schwedischen Kaufhauskette und bei einem deutschen Versandhaus heuert er an.
Entdecker von Claudia Schiffer und Baptiste Giabiconi
Lagerfeld gilt als Arbeitstier. Mit preußischer Disziplin nutzt er auch die Nacht für seine Entwürfe und stillt mit unzähligen Büchern seinen Wissensdurst. Sich selbst charakterisiert der Modepapst als Egoisten: "Ich interessiere mich nur für mich selbst und mein Spiegelbild", gibt Lagerfeld in einem Interview zu. Und auch eine gewisse Schnelllebigkeit ist bei dem Designer zu beobachten: Was er heute entworfen und kreiert hat, langweilt ihn am nächsten Tag zu Tode. So ist für Lagerfeld der Papierkorb das wichtigste Möbelstück. Zu spüren bekommen das auch seine Mitarbeiter und Models: Hält er ihre Arbeit oder ihre Gesichter für überholt, sucht er ohne Rücksicht nach etwas Neuem.
Diese Erfahrung muss auch Supermodel Claudia Schiffer machen, die Lagerfeld 1990 als Gesicht für Chanel entdeckt. Mit seiner blonden Muse aus Deutschland beendet er abrupt die Zusammenarbeit, bis er sie 2007 für seine Arbeit wiederentdeckt. Es folgen zahlreiche weitere Musen wie die Sängerinnen Lily Allen und Beth Ditto oder Kaia Gerber, die Tochter von Cindy Crawford. Als männliche Muse gilt lange Zeit Model Baptiste Giabiconi, mit dem er sich häufig in der Öffentlichkeit zeigt.
Kreatives Multitalent - Designer, Fotograf und Verleger
Karl Lagerfelds Schaffen beschränkt sich nicht nur auf das Design von Kleidung und Parfüms. Als begnadeter Porträtfotograf - ein Fototermin im Haus des Gruselrockers Marilyn Manson ängstigt ihn ein wenig - sowie als Kostümbildner für Theater und Oper sorgt er ebenfalls für Furore. Ein origineller Coup gelingt ihm mit einem Steiff-Teddy, der seinen maßgeschneiderten Anzug in Miniatur-Konfektion und eine schwarze Sonnenbrille trägt.
Neben der Mode sind Bücher Lagerfelds große Leidenschaft: Unter dem Namen 7L unterhält Lagerfeld einen Buchladen und einen Verlag in Paris. Zusammen mit dem deutschen Verleger Gerhard Steidl gründet er zudem 2010 die Lagerfeld Steidl Druckerei (LSD), dessen Verlagschef der Modezar wird.
Ende 2017 sorgt Lagerfeld in Hamburg für Aufsehen, als er seine jüngste Chanel-Kollektion in der eigens angemieteten Elbphilharmonie vor geladenen Gästen präsentiert.
Karl Lagerfeld: Sorge um den Gesundheitszustand und Tod
Spekulationen um den Gesundheitszustand Lagerfelds gibt es Anfang 2019. Ende Januar fehlt er auf dem Laufsteg zum Finale einer Chanel-Show - erstmals überhaupt in seiner Zeit als Chanel-Kreativdirektor. Die offizielle Begründung: Lagerfeld habe sich müde gefühlt. Am 19. Februar schließlich bestätigt Chanel Meldungen französischer Medien, dass der Modedesigner im Amerikanischen Krankenhaus in dem westlichen Pariser Vorort Neuilly gestorben sei.
Angeblicher Urheber des Jogginghosen-Zitats
Auch heute noch wird Lagerfeld ein Zitat zugeschrieben, das er so höchstwahrscheinlich gar nicht von sich gegeben hat. "Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren", lautet der Spruch. Angeblich soll er am 19. April 2012 in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" gefallen sein, was nachweislich nicht der Fall ist. Fest steht aber, dass sich Lagerfeld im selben Jahr in der Sendung "Gottschalk Live" und bei "Wetten, dass...?" eher generell über Jogginghosen geäußert hat, wie unter anderem in der "Berliner Morgenpost" nachzulesen ist: "Gehenlassen kenne ich nicht" und "Ich trag nur Kleidung, wo man genau weiß, wie weit man gehen kann. Nichts ist gefährlicher als Sachen aus Stretch, Gummiband und all so'n Quatsch. Soll man nie anziehen. Denn enge Kleidung ist besser wie 'ne Waage."
Lagerfeld-Biograf Alfons Kaiser weiß zu berichten, dass in dem Buch "Karl über die Welt und das Leben" das Zitat "Jogginghosen sind das Zeichen einer Niederlage. Man hat die Kontrolle über sein Leben verloren und dann geht man eben in Jogginghosen auf die Straße" enthalten ist. Kaiser geht davon aus, dass dieser Spruch aus dem Englischen übersetzt worden ist. Außerdem habe Lagerfeld seine Sprüche oft wiederholt, auch in abgewandelter Form.
Ironischerweise sind heutzutage Jogginghosen der Marke Karl Lagerfeld im Handel erhältlich - für rund 160 Euro pro Stück.
Posthume Ehrungen und Erinnerungen
Nach seinem Tod bleibt Karl Lagerfeld weiter in Erinnerung. So erzählt die Streaming-Serie "Becoming Karl Lagerfeld" den Aufstieg des jungen Lagerfelds in der Pariser Modeszene der 1970er-Jahre. Die Hauptrolle spielt Daniel Brühl.
Außerdem feiern Anfang Mai 2023 Stars wie die Schauspielerinnen Penélope Cruz und Nicole Kidman sowie Ex-Tennisprofi Roger Federer im New Yorker Metropolitan Museum mit eleganten Gala-Outfits den Designer posthum. Mit der Benefiz-Gala wird die Ausstellung "Karl Lagerfeld: A Line of Beauty" eröffnet, bei der rund 150 Werke des Modeschöfers zu sehen sind.
Lagerfelds langjährige PR-Chefin Marietta Andreae veröffentlicht 2023 ein Buch über den Modezar. Darin erinnert sie sich an viele Begebenheiten, unter anderem daran, dass die bekannte Hamburger Prostituierte Domenica dem Lagerfeld-Team für ein Fotoshooting in der Herbertstraße Schutz anbietet. Andreae sagt, Lagerfeld sei ein "Gesamtkunstwerk".
Karl-Lagerfeld-Promenade eingeweiht
Auch die Stadt Hamburg ehrt Lagerfeld. Mitten in der Innenstadt am Alsterfleet erinnert die Karl-Lagerfeld-Promenade an den prominenten Designer. Der rund 155 Meter lange Abschnitt zwischen der Adolphsbrücke und dem Neuen Wall 75 wird am 30. Mai 2024 eingeweiht. Am Neuen Wall ist Lagerfeld bei seinen Hamburg-Besuchen selbst gerne shoppen gegangen.
"Lagerfelds künstlerischer Geist hat auch in der Hansestadt Spuren hinterlassen - nun auch in Form einer Promenade“, sagt Kultursenator Carsten Brosda (SPD) anlässlich der Einweihung.