Erfolg durch Zufall: Wie können wir unerwartete Ereignisse für uns nutzen?
Wie gehen wir mit Zufällen um? Damit beschäftigt sich der Zufallsforscher Christian Busch in seinem Buch "Erfolgsfaktor Zufall. Wie wir Ungewissheit und unerwartete Ereignisse für uns nutzen können".
In Worpswede eröffnet am Samstag eine Ausstellung, die durch Zufall zustande gekommen ist. Durch das Hochwasser Anfang des Jahres waren Bilder des Malers Fritz Geerken in einem Keller in Worpswede vom Wasser bedroht. Ein Worpsweder Galerist hat den NDR Online-Artikel gelesen und anschließend angeboten, die Bilder zu sich zu holen und bei sich auszustellen. Ein doppelter Zufall also.
Herr Busch, ist das ein typischer glücklicher Zufall?
Christian Busch: Ja, es ist spannend und es freut mich sehr, dass es so gut geklappt hat. Weil darum geht es: dass auf der einen Seite etwas Unerwartetes passiert. Und dann ist die Frage: Was machen wir jetzt damit? Können wir darin noch einen Sinn finden? Und in dem Fall scheint es ja so gewesen zu sein.
In Ihrem Buch schreiben Sie von aktiven und passiven glücklichen Zufällen. Was ist damit gemeint?
Busch: Stellen Sie sich vor, Sie sind im Café und haben erratische Handbewegungen, wie ich sie habe. Aus Versehen stoßen Sie einen Kaffee auf die Person neben Ihnen um, und die Person guckt Sie ganz böse an. Jetzt haben Sie ein paar Optionen, wie Sie mit dieser unerwarteten Situation umgehen. Eine Option ist: Sie gehen raus und denken danach: Was hätte passieren können? Hätte ich mit der Person gesprochen? Die andere Option ist: Sie fangen das Gespräch an, und es wird die Liebe Ihres Lebens oder Ihr nächster Mitgründer. Der Punkt ist: Wie gehen wir mit dem Zufall um? Blindes Glück sind all die Sachen, die wir uns nicht aussuchen können. Das Zusammenspiel zwischen Zufall und menschlichem Handeln können wir trainieren und hoffentlich auch unser Leben verbessern.
Das setzt aber schon eine sehr positive Grundeinstellung voraus, dass man sich nicht erst einmal ärgert, sondern dass man sich fragt: Was mache ich am besten draus?
Busch: Meine Frau ist beispielsweise nicht immer die optimistischste Person, aber ihr passieren sehr viel Zufälle, weil sie unglaublich gut darin ist, in Dingen einen Sinn zu finden und dann irgendwie die Punkte zu verknüpfen. Es hilft, optimistisch zu sein, aber man muss es nicht unbedingt immer sein.
Es gibt Menschen, die wir bewundern oder die wir spannend finden. Wir sagen dann: Denen fällt alles zu. Hat das auch mit Zufall zu tun.
Busch: Die eine Sache ist: Wenn man in eine tolle Familie hineingeboren wird, eine tolle Ausbildung und so weiter hat, dann ist es wahrscheinlicher, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass einem gute Sachen passieren. Deswegen ist es wichtig, dass man immer auch den Kontext im Auge behält. Gleichzeitig sieht man, dass manche Leute in der gleichen Situation ein bisschen "glücklicher" sind als andere. Und da kommt es aufs Mindset an, im Sinne von: Können wir noch irgendetwas in der Situation finden? Da gibt es viele Strategien, wie wir damit umgehen können.
Wenn wir Gewinnspiele im Radio haben, höre ich oft: "Ich habe noch nie was gewonnen." Andere sagen: "Da mache ich nicht mit, weil ich sowieso nichts gewinne." Wer gewinnt beim Glücksspiel am ehesten?
Busch: Bei Glücksspiel geht es um Wahrscheinlichkeiten - deswegen bin ich da ein bisschen kritisch. Man kann sich aber sein eigenes Leben anschauen und überlegen: Was waren denn Situationen in meinem Leben, wo der Zufall eine Rolle gespielt hat, und was war meine Rolle darin? War das kompletter Zufall, dass ich meine Frau kennengelernt habe? Oder war da vielleicht doch ein bisschen auch mein Handeln dabei? Haben wir unsere Wohnung zufälligerweise gefunden, oder war da vielleicht ein bisschen menschliches Handeln mit drin? Wenn wir uns genauer anschauen, was unsere Rolle darin ist, dann können wir auch überlegen, wie wir mehr davon kreieren können.
Wenn also etwas nicht geklappt hat, geht vielleicht eine andere Tür auf, oder vielleicht passiert mir der nächste Zufall.
Busch: Das ist das Spannende. Eine meiner derzeitigen Lieblingssendungen auf Netflix ist "Blacklist", und da hat einer der Protagonisten so schön gesagt: "Manchmal ist das beste Glück das Glück, was aus dem Unglück kommt." Das Interessante ist diese Idee, diese Wendepunkte, die es ab und zu im Leben gibt. Es gibt Momente, beispielsweise eine Krankheit, wo es sehr schwer ist, darin einen Sinn zu finden. Und gleichzeitig gibt es Menschen, die durch richtig schwierige Dinge gegangen sind, und wenn sie zurückschauen, sagen sie oft: "Der Moment hat mich geprägt, und ich könnte mir gar nicht vorstellen, ohne diesen Moment heute hier zu sein." Das ist das Interessante, das wir immer auch Interpretationsspielraum haben. Ist es eine Situation, die mich definiert? Oder bin ich auch Teil der Definition der Situation?
Das Interview führte Philipp Schmid.