Hochwasser: Gefährdete Kunst eines Worpsweder Landschaftsmalers
Das Hochwasser bringt viele Menschen in Norddeutschland in existenzielle Nöte. In Borgfeld ist der Nachlass des Worpsweder Landschaftsmalers Fritz Geerken in Gefahr. Ein Gespräch mit der Enkelin Claudia Geerken.
Das Hochwasser bringt derzeit viele Menschen in Norddeutschland in existenzielle Nöte. Manchmal geht es dabei auch um Kunst und Kultur. Das muss derzeit die Familie von Fritz Geerken in Borgfeld in Niedersachsen, nördlich von Bremen, erleben. Ein Teil des Nachlasses des Malers, der im letzten Jahrhundert Marsch und Moor, Geest und Küste in Ölgemälden, Radierungen und Aquarellen gemalt hat, steht unter Wasser. Wenige Meter entfernt verläuft die Wümme. Seine Enkelin, Claudia Geerken, hilft ihren Eltern dabei, die Bilder aus dem Keller zu retten. Sie sagt: "Das Wasser kam sehr überraschend. Es stand so hoch, wie es seit 60 Jahren nicht passiert ist."
Frau Geerken, wie ist die Lage bei Ihnen?
Claudia Geerken: Um das ganze Haus steht Wasser, im Keller stand es 80 Zentimeter hoch. Das ist jetzt, soweit wie es geht, abgesunken. Aber natürlich ist alles, was unten war, klitschnass und schwimmt durch die Gegend. Wir sind jetzt gerade dabei, das Chaos aufzuräumen. Wir haben keinen Strom und keine Heizung - nur Kerzen.
Hatten Sie schon angefangen, Sachen hoch zu tragen? Oder kam das Wasser doch so überraschend, dass das nicht ging?
Geerken: Das Wasser kam sehr überraschend, für alle. Es kam über Nacht, und der Pegel ist auch so schnell gestiegen, dass niemand schnell genug Sandsäcke hatte. Das Wasser hat die Keller volllaufen lassen und stand so hoch, wie es seit 60 Jahren nicht passiert ist. Als es losging, hat mein Vater natürlich ein paar Bilder hochgetragen. Aber dann kam es so schnell, dass die untere Etage vollgelaufen ist.
Das Haus liegt in unmittelbarer Nähe der Wümme. Dachten Sie, da so etwas 60 Jahre lang nicht passiert ist, die Bilder wären sicher?
Geerken: Ganz genau. Vor 60 Jahren gab es mal eine Sturmflut. Da gab es das Lesumer Wehr noch nicht und dann wurde das Wasser hier reindrückt. Aber in der Art und in der Höhe wie jetzt gab es das noch nicht.
Was tun Sie jetzt? Sie haben gerade gesagt: Chaos beseitigen. Können Sie schon sagen, wie groß die Schäden sind?
Geerken: Einen richtigen Überblick haben wir noch nicht. Das hängt auch damit zusammen, dass wir gerade mit dem täglichen Überleben beschäftigt sind. Am Anfang mussten wir mit dem Boot rausfahren, um Benzin für den Generator zu holen. Jetzt ist das Wasser zurückgegangen und wir können mit dem Auto vorfahren. Aber wir haben immer noch keinen Strom. Meine Schwester und ich müssen uns darum kümmern, dass es unseren Eltern gut geht, dass wir Essen besorgen.
Deswegen kann man auch nicht so viel Schadensbegrenzung machen. Das geht nur in dem Rahmen, was noch an Zeit über ist. Wir tragen jetzt die Bilder nach oben, die noch nass sind. Wir versuchen, sie im Wohnzimmer aufzustellen, damit sie ein bisschen trocknen können. Wir müssen dann ein neues Lager suchen und alles neu sortieren.
Muss dann alles raus aus dem Haus? Man muss auch erst einmal einen Platz finden ...
Geerken: Das müssen wir uns jetzt durch den Kopf gehen lassen: Wo können wir die Bilder alle lagern? Ein Teil ist auch bei meinem Onkel gelagert. Die Frage ist, ob man irgendwo einen Platz findet, der angemessen und nicht feucht ist.
Und was für Werke geht es von Ihrem Großvater Fritz Geerken?
Geerken: Fritz Geerken hat viele Radierungen gemacht, hat auch eine riesige Druckerpresse hier im Keller gehabt, die noch hier steht. Mein Vater hat das fortgeführt und Nachdrucke gemacht. Ansonsten hat er auch Aquarelle und Zeichnungen gemacht, auch viele Ölbilder. Zu sehen sind oft Worpsweder Wümme- und Moorlandschaften. Aber auf seinen Urlaubsfahrten entstanden Bilder von Schiffen und Häfen. Dann hat er eine Phase gehabt, wo er gruselige Monster im Moor gemalt hat - aber das war nur ganz kurz.
Wer hilft Ihnen gerade? Wie werden Sie unterstützt?
Geerken: Es gibt eine große Gruppe, die sich gebildet hat innerhalb der Borgfelder Gemeinschaft. Die helfen sich viel untereinander, wenn einer was braucht - per WhatsApp ist das quasi innerhalb einer Stunde da, wenn man Hilfe braucht. Aber akut den Keller auszuräumen - das müssen wir erst noch organisieren. Die ersten Tage ging es hier so hoch her, da konnte man noch nicht mal ans Telefon gehen. Man wusste gar nicht, was man zuerst machen sollte. Hilfe zu koordinieren ging gar nicht. Erst jetzt kommt ein bisschen Ruhe rein, dass man überhaupt einen freien Kopf kriegt.
Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.