Austausch auf Augenhöhe: Claudia Roth beim Grünen Salon
Was braucht die Freie Kulturszene, um sich entfalten zu können? Warum sieht der Bundeshaushalt Kürzungen vor? Diesen Fragen stellte sich am Montagabend Kulturstaatsministerin Claudia Roth beim Grünen Salon in Hannover.
Die Kulturstaatsministerin ist gesundheitlich angeschlagen - doch sie ist der Einladung der Stiftung Leben und Umwelt der Heinrich Böll Stiftung Niedersachen und von Sven-Christian Kindler, Bundestagsabgeortneter in Hannover für Bündnis 90/Die Grünen, gefolgt. Sie steht auf der Bühne der Rampe in Hannovers Nordstadt, hört interessiert zu und macht sich Notizen. Ihr Zettel füllt sich schnell, denn die Künstlerinnen und Musiker der Freien Kulturszene vor Ort erzählen eindringlich. "Wir sind aktuell sehr stark darauf angewiesen, dass wir private Keller nutzen können zur Lagerung von Bühnenbildern, dass wir das ganze Team unterbringen können bei Freunden und Familie, dass wir Kinderbetreuung abdecken. Es ist wichtig, dass diese Dinge mitgedacht werden, wenn es darum geht, freie Kultur zu fördern und zu ermöglichen", betont die darstellende Künstlerin Alba Scharnhorst.
Arne Pünter von der JazzMusiker:innenInitiative Hannover verweist auf die katastrophale finanzielle Lage. Der Initiator der Rampe, wo der Abend stattfindet, rechnet vor: "Kleines Beispiel: Wenn wir diesen Saal voll haben - und wir wollen nicht 50 Euro Eintritt verlangen sondern 25 oder 20 Euro - dann ist das Realistische, was man hier einnehmen kann, brutto 1.200 Euro. Wenn wir ein Quartett hier haben, sind das 300 Euro für jeden. Das ist schon brutal wenig. Wenn wir davon ausgehen, davon muss man noch Tontechniker bezahlen und alles weitere, dann ist das gar nichts. Das ist die Realität."
Roth verspricht Verbesserungen
Der Austausch findet auf Augenhöhe statt. Es geht hier nicht um eine Anklage an die Kulturstaatsministerin. Klar: Die Freie Szene will die geplanten Kürzungen nicht hinnehmen, doch die Forderungen werden sachlich vorgetragen. Claudia Roth scheint jeden Impuls aufzusaugen, wirkt verständnisvoll: "Da müssen wir nochmal ran, dass man auch für einen künstlerischen Schaffensprozess schon Sicherheiten ermöglicht oder für einen Probenprozess Sicherheiten ermöglicht. Nicht erst, wenn die Aufführung steht, sondern vorher und nachher. Da sind wir dran", verspricht Roth.
Ideen-Pingpong zwischen Roth und Künstler*innen
Das ist alles etwas zahm, dafür wertschätzend. Der Abend wird zu einer Art Ideen-Pingpong: Es brauche viel mehr gut ausgestattete Kulturorte, offen für alle. Dazu gehören festangestelltes Personal, außerdem mehr Mut, Impulsförderung für verrückt erscheinende Ideen zu sprechen und nicht zuletzt den Abbau bürokratischer Hürden. Bereits erkämpfte Errungenschaften, wie die Einführung von Honoraruntergrenzen bei bundesgeförderten Einrichtungen, werden gewürdigt und weitergedacht. Etwa von Jonas Rahm, bildender Künstler "Es ist ganz klar: Die Einführung der Honoraruntergrenzen ist eine tolle Sache. Das ist eine Chance, dass nun in die Länder und Kommunen zu tragen", sagt der bildende Künstler Jonas Rahm. Claudia Roth bietet umgehend Unterstützung an: "Soll ich eine Evaluierung auf den Weg bringen?"
Roth fordert mehr Einsatz der Landesregierung
Verfolgt wird das Geschehen nicht nur im Live-Stream auf Youtube, sondern auch vom Who-Is-Who der Hannoverschen Kulturszene: Kein Stuhl passt mehr in die Rampe, dabei wäre die Warteliste noch lang gewesen. Interessiert ist dieses Publikum. Jemand fragt, wie es eigentlich um die Demokratieförderung stehe, die der Bund angedacht hatte? Davon könnten die Player in Kunst und Kultur doch auch profitieren. Claudia Roth verweist in diesem Fall auf die Blockade der FDP. An anderer Stelle appelliert sie - dann doch etwas angefasst - an die Länder: "Ehrlich gesagt, wenn ich das mal sagen darf: Ein Land, dass am ruhigsten ist, von dem man am wenigsten hört neben Rheinland-Pfalz, ist Niedersachsen. Ich finde, dass sollten Sie oder ihr einfordern. Wofür steht die niedersächsische Kulturpolitik?"
Am Ende bleibt die Hoffnung, dass in Hannover nicht nur Gedanken ausgetauscht wurden, sondern dass sie an den entscheidenden Stellen auch verfangen: Am besten noch, bevor im November die Entscheidung zum Bundeshaushalt 2025 endgültig fällt.