Ausbildungsberufe in Kunst und Kultur: Nische mit großen Chancen
Wie geht es nach der Schule weiter? Und welche Berufe gibt es eigentlich in Kunst und Kultur? Die Sendung Kunstkaten am Sonntag stellt Berufe vor und gibt Einblicke bei Auszubildenden in ihren Werkstätten. Denn Fachleute sagen: die Chancen für junge Menschen waren nie so gut wie jetzt.
Im Berufsinformationszentrum in Neubrandenburg sitzt Laura Doll. Die junge Frau überlegt, wohin ihr beruflicher Weg führen soll: "Tatsächlich mag ich auch gern Malen und Zeichnen. Ich bin nicht so selbstbewusst, um vor einem Publikum zu stehen. Bisher habe ich nichts so richtig gefunden. Man kann zwar Grafikdesigner werden, aber da bin ich mir unsicher, ob ich die Kreativität dafür habe, so etwas selbst zu erschaffen." Die 19-Jährige stammt aus Wildberg, einem kleinen Dorf in der Nähe von Altentreptow. Sie streicht sich unsicher die langen braunen Haare aus dem Gesicht. Eine Stunde hat Laura mit ihrem Berufsberater Möglichkeiten, Wünsche und Vorstellungen besprochen. Das Ergebnis: Eine Ausbildung im kulturellen oder künstlerischen Bereich plant sie nicht.
Sie hat jetzt vor allem das Neubrandenburger Klinikum im Blick: "Meine Mutter ist Altenpflegerin. Dadurch habe ich viel Kontakt mit dem Beruf gehabt, im Klinikum. Ich habe natürlich auch den Arbeitsalltag mitbekommen. Deshalb habe ich mich entschlossen, in diese Richtung zu gehen."
Ausbildungsberufe: "Die Top 10 verändern sich wenig"
Andreas Wegner kennt diese Art der Überlegungen. Der Leiter der Neubrandenburger Arbeitsagentur verfolgt seit Jahren die Berufswünsche junger Menschen in der Region: "Die Berufswahl findet im Regelfall aus dem persönlichen Umfeld statt. Man guckt erstmal, was macht die Mutter, was macht der Vater, vielleicht im Dorf, vielleicht in der Stadt. Die Top 10 der Ausbildungsberufe verändern sich in den letzten Jahren wenig."
Ganz vorn lagen bei den Ausbildungswünschen unter Jugendlichen im Osten des Landes Berufe wie Verkäufer, Kfz-Mechatronikerin, der Bürokaufmann oder die Lageristin. Dabei ist das Angebot im Bereich Kunst und Kultur durchaus vorzeigbar. Die Handwerkskammer Ostmecklenburg-Vorpommern listet zahlreiche Betriebe auf, verzeichnet Buchbinder, Fotografen, Graveure und Instrumentenbauer. Viele sind Kleinunternehmer, einige Einzelkämpfer. Die Chancen auf eine Ausbildung und auch spätere Perspektiven auf einen Arbeitsplatz seien aber gut. Junge Menschen müssten aber eben erst einmal auf die Idee kommen, sich für einen Beruf im Kulturbereich zu entscheiden.
7,5 Milliarden Euro Umsatz durch Handwerksberufe
Die Arbeitsagentur Neubrandenburg ist mit ihren 14 Berufsberatern in Schulen unterwegs, bietet Onlineberatungen und Einzeltermine für Jugendliche an. Stefan Drews ist seit 20 Jahren mit Schülerinnen und Schülern im Gespräch und trifft oft auf Vorurteile, wenn es um Kreativberufe geht: "Ich mache zum Beispiel mit vielen Schüler*innen den sogenannten Berufswahltest. Da kommen häufig auch solche Sachen raus, weil tatsächlich viele gestalterische Fähigkeiten angeben und auch Lust haben, handwerklich zu arbeiten. Bei den Berufen sagen sie dann aber wieder: Nee, das ist gar nichts für mich."
Berufe aus Kunst und Kultur sind im Nordosten ein Nischenthema. Egal ob Arbeitsagentur, Industrie und Handelskammer oder Handwerkskammer, darin sind sie sich einig. Dabei wirbt vor allem die Handwerkskammer mit der Bedeutung der Branche. Mehr als 100 Handwerksberufe werden der Kultur- und Kreativwirtschaft zugeordnet. Deutschlandweit sind in diesem Bereich 170.000 Unternehmen tätig, haben fast eine Million Beschäftigte. Allein in Denkmalpflege und Restaurierung entstehen Umsätze von 7,5 Milliarden Euro.
Attraktivität der Handwerksberufe muss deutlicher werden
Jens-Uwe Hopf, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ostmecklenburg Vorpommern will mit diesen Pfunden noch viel mehr wuchern: "Wir im Handwerk müssen unsere eigenen Berufe attraktiver darstellen. Da haben wir selbst auch noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Einfach um die Berufe auch mit ihren tatsächlich sehr kreativen Inhalten besser ins Bewusstsein der jungen Menschen, aber auch der Eltern zu bringen, um zu sagen, das ist eine echte Chance, das ist eine tolle kreative Herausforderung."
Jens-Uwe Hopf ist zuversichtlich. Auch für künftige Studierende sieht er eine handwerkliche Ausbildung als gute Basis. Wer zum Beispiel Textildesign oder auch Kunstwissenschaften studiert, dem kommen praktische Fähigkeiten aus einer Lehre im Handwerksbetrieb zugute, meint der Fachmann. Gerade wer sich für einen Beruf mit Seltenheitswert entscheidet, tut das oft bewusst und mit klaren Karriereideen: "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man viele junge Menschen in künstlerischen Berufen antrifft, die sehr klar über ihre Berufsperspektiven Bescheid wissen, ein sehr reflektiertes Selbstbild haben, häufig einen ganz klaren Fahrplan haben, was sie mal werden wollen. Beispielsweise: Wie werde ich Elfenbeinschnitzer mit Schwerpunkt Bernstein, oder wie werde ich Gold - und Silberschmied? Dazu kann ich junge Menschen nur ermuntern."
Chancen stehen besonders gut - gerade für Kunst und Kultur
Wer genau die passende Ausbildung gefunden hat, bricht auch seltener ab, so die Erfahrung. Für eine gute Entscheidung empfiehlt IHK Ausbildungsreferent Sebastian Bensemann Jugendlichen, sich potentielle Ausbildungsbetriebe schon vorher gründlich anzuschauen - am besten mehrere: "Praxislerntage in den Unternehmen machen, Schülerpraktika nutzen, aber auch Projekttage nutzen. Um einfach mal die Luft dort einzuatmen, den Beruf in den Grundzügen kennenzulernen. Ganz wichtig auch: Das Unternehmen kennenzulernen, Erfahrungen von anderen Auszubildenden zu sammeln." Die Chancen für Jugendliche auf ihren Wunschberuf sind im Moment so gut wie noch nie. Das gilt auch und gerade im Bereich Kunst und Kultur.
