11 Prozent mehr Geld für Kultur - Brosda zufrieden mit Hamburger Haushalt
Es gibt mehr Geld für die Kultur in Hamburg. Die Bürgerschaft hat den Doppelhaushalt für die nächsten beiden Jahre beschlossen - mit einem Plus für die Kultur in Höhe von elf Prozent. Kultursenator Carsten Brosda (SPD) im NDR Interview über Details.
Herr Brosda, welches ist bei den geplanten Mehr-Ausgaben die wichtigste Investition?
Carsten Brosda: Ich weiß gar nicht, ob es die eine wichtigste Investition gibt. Vor allem ist doch die gute Nachricht, dass wir allen Kultureinrichtungen Planungssicherheit geben können und damit alles, was an Kosten- und Tarifsteigerungen in den letzten Jahren aufgelaufen ist, tatsächlich ausfinanzieren können.
Wenn man auf die Schwerpunkte guckt, dann ist sicherlich einer davon, dass wir die Stadteilkultur nach Jahren, wenn nicht sogar nach Jahrzehnten ausfinanzieren, weil wir die Stellen so bewerten, dass wir sie wie im öffentlichen Dienst bezahlen können. Das ist wirklich ein großer Sprung.
Und natürlich hat die Bürgerschaft noch einmal ein kraftvolles Zeichen gesetzt: sowohl mit der Aufstockung der Mittel für die MOIN Filmförderung, als auch mit den Mitteln für die Club-Förderung, weil wir da dringend helfen müssen - weil wir einfach sehen, dass deren Geschäftsmodell nicht mehr so gut funktioniert. Aber das alles ist nicht nur ausfinanziert, sondern bietet auch die Möglichkeit, neue Akzente zu setzen.
Bei der Filmförderung und auch bei der freien Szene schwächelt der Bund gerade. Wie kann Hamburg helfen und das auffangen?
Brosda: Solange es keine strukturelle Veränderung der Filmförderung im Bund gibt, bleibt auch die bisherige Misere, die dazu geführt hat, dass Deutschland, was die Filmlandschaft angeht, ins Hintertreffen geraten ist. Was wir aber können, ist, die strukturelle Entwicklung hier am Standort zu stärken, damit wir dann so aufgestellt sind, wenn der Bund seine Hausaufgaben macht - was geschehen muss - und loslegen können: Weil wir einfach wissen, dass wir eine starke Produzentenlandschaft haben. Wir sehen ja an Mohammad Rasoulof, der mit seiner Hamburger Produktion auf der Shortlist für den Auslands-Oscar steht, die Stärke der hiesigen Filmlandschaft - und das wollen wir dringend erhalten.
Kultur ist nicht nur Staatstheater oder Staatsoper - auch in den Stadtteilen gibt es Kultur, die zwar gefördert wird, aber trotzdem noch ächzt. Ich war neulich auf Kampnagel in der HipHop-Akademie vom Kulturpalast Billstedt - die erreichen ja gerade die Menschen, die die geförderte Kultur sonst nicht erreicht. Müsste man die nicht noch mehr wertschätzen und stärken?
Brosda: Noch mehr geht immer, aber es gibt ja schon einiges mehr. Wir erhöhen um weit mehr als zwei Millionen Euro im Bereich der Stadtteilkultur. Die HipHop-Akademie ist ausfinanziert. Wir übernehmen sie auch komplett in unseren Bereich des Haushalts, sodass nicht mehr verschiedene Behörden das zusammenstückeln müssen.
Den Zustand, an dem die Kultur sagt, wir brauchen jetzt kein Geld mehr, werden wir nie erreichen. Das, was wir leisten können, versuchen wir im Augenblick tatsächlich zu leisten. Wir haben überall Zuwächse an diesen Stellen, während in anderen Städten teilweise um bis zu zehn Prozent gekürzt wird. Insofern ist das eine gute Nachricht, und ich hoffe sehr, dass auch die privaten Partner dabei bleiben. Denn solche Dinge gelingen natürlich auch nur, weil Stiftungen und Mäzene mitmachen.
In Hamburg gibt es ein Plus von elf Prozent für die Kultur. In Berlin fast zehn Prozent weniger. Sind wir in Hamburg die Insel der Glückseligen oder ist Berlin die Zukunft?
Brosda: Das sollte nicht unsere Zukunft sein, wir müssen aber weiter hart arbeiten, damit das nicht unsere Zukunft wird. Aber ich glaube, da haben wir eine ganz gute Chance: Hamburg steht wirtschaftlich besser da. Und wir stellen anders Haushalte auf, indem wir einen mittelfristigen Pfad ohne Ausschläge nach oben oder unten beschreiten. Und wir müssen das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Investitionen und Förderungen in der Kultur erhalten.
Das ist in der Hamburger Bürgerschaft der Fall - und keinesfalls selbstverständlich. Das gelingt aber auch deshalb, weil wir hier permanent im Gespräch mit den kulturellen Einrichtungen sind und wissen, was vor Ort los ist und entsprechend auch reagieren können.
Berlins Regierender Bürgermeister, Kai Wegner (CDU), hat in einem Zeitungs-Interview gesagt, dass es nicht sein könne, dass eine Verkäuferin im Supermarkt, die eher selten in die Staatsoper gehe, mit ihrem Geld diese Eintrittskarten mitsubventioniere. Können Sie sich einen solchen Satz von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vorstellen?
Brosda: Das große Geschenk ist: Nein, sonst müssten wir uns arg streiten. Tatsächlich ist das Populismus, was der Berliner Bürgermeister dort veranstaltet. Erstens gehe ich davon aus, dass auch die Kassiererin in die Oper geht. Und wenn sie es nicht tut, ist es die Aufgabe der Oper, dafür zu sorgen, dass es plausibel ist, dorthin zu gehen. Das ist die kulturpolitisch richtige Antwort darauf.
Die entscheidende politische Frage ist doch: Gibt es öffentliche Institutionen, für die wir Verantwortung tragen, dass sie vorgehalten werden, dass sie gewährleistet sind, oder gehen wir davon aus, dass das alles nur Privatsache ist? Dann gibt's halt das, was nachgefragt wird.
Angenommen, Sie hätten mal einen richtigen Batzen Geld, sagen wir 120 Millionen Euro. Welche Vision würden Sie damit umsetzen?
Brosda: Ich würde ein großes Programm auflegen, mit dem wir Flächen schaffen, wo Künstlerinnen und Künstler proben und arbeiten können. Hamburg ist als erfolgreiche Stadt unter einem solchen Flächendruck - das ist das Hauptthema, das wir in den kommenden Jahren haben werden. Wie machen wir es plausibel, dass Menschen, die künstlerisch arbeiten, in die Stadt kommen? Das wäre ein Game-Changer für Hamburg.
Klaus-Michael Kühne will eine Oper in der Hafencity bauen und hofft laut einem Interview auf einen Baubeginn schon in den nächsten Monaten. Was sagen Sie dazu?
Brosda: Der konkrete Zeitplan ist unwahrscheinlich. Dass wir daran arbeiten, ob wir das hinbekommen, ist aber so. Seine fortgesetzten Interviews betrachte ich als Ausdruck des Willens, dass er uns eine Oper schenken will. Wenn wir das so vereinbaren, ist das eine schöne Sache für Hamburg. Ob wir das aber so vereinbaren, ist offen. Wenn Sie so wollen: Wir sind noch auf See, suchen nach einem Hafen, haben ihn aber noch nicht.
Woran hängt es denn?
Brosda: Wir haben immer gesagt, dass, wenn Herr Kühne uns ein Opernhaus schenken will, dann stellen wir das entsprechende Grundstück zur Verfügung und werden dafür sorgen, dass man darauf eine Oper bauen kann. Die müsste er dann aber bauen und am Ende müsste sie dann der Stadt wiederum gehören. Das ist die grobe Konzeption und darunter gibt es jede Menge Details, die juristisch geklärt werden müssen.
Der NDR hat ja einen wunderbaren Beatles Podcast - "Becoming the Beatles" - mit der These, dass die Beatles erst in Hamburg zu dem wurden, was sie wurden. Das Erbe der Beatles wird aber in Hamburg nicht so richtig gepflegt. Das Museum hat dicht gemacht, der Beatles-Platz ist vergleichsweise runtergerockt. Wie kann Hamburg das als Chance auch für die Club-Kultur erkennen und sogar davon profitieren?
Brosda: Wir haben eine großartige Pflege des Beatles-Erbes durch Stefanie Hempel. Das, was sie alleine leistet, wiegt schon einiges von dem auf, was Sie sagen. Es ist schon so: Die Beatles sind Hamburg. Es gibt ja auch den Satz von John Lennon, der sagt, hier sei er zum Erwachsenen geworden. Das Ganze ist im kulturellen globalen Bewusstsein manchmal besser verankert als in Hamburg selbst, hat man das Gefühl.
Aber das ändern wir jetzt nicht, indem wir das musealisieren und sagen 'Guckt mal, das sind die Clubs, wo die Beatles vor 50 Jahren ihre Karriere gestartet haben'. Sondern wir müssen die Livemusik-Kultur der Stadt attraktiv halten. Die beste Werbung sind volle Live-Clubs an der Reeperbahn, die daran erinnern, was hier möglich ist. Vielleicht stehen jetzt auf irgendeiner Bühne die neuen Beatles, auch wenn heute keine Band mehr unter den Bedingungen auftreten würde, unter denen die Jungs damals spielen mussten.
Udo Lindenberg ist Ehrenbürger Hamburgs. Wie wäre es mit Paul McCartney?
Brosda: Das wäre interessant, denn die Ehrenbürgerschaft ist ja mal erfunden worden, um diejenigen ehrenhalber zu Bürgern Hamburgs zu machen, die nicht in Hamburg leben. Mittlerweile ist es aber so, dass sogar bei Uwe Seeler darüber diskutiert wurde, ob einer Ehrenbürger Hamburgs werden könne, weil er in Pinneberg wohnte. Ich kann nicht mehr sagen, als 'Ich nehme das mal mit', halte aber eine Ehrenbürgerschaft Paul McCartneys für ebenso unwahrscheinlich wie ein Zusammenschluss der jeweils verbliebenen Mitglieder der Beatles und der Rolling Stones zu einer Band.
Das Gespräch führte Daniel Kaiser.