Vor 100 Jahren läuft der Kreuzer "Emden" vom Stapel
In Wilhelmshaven stehen am 7. Januar 1925 Taufe und Stapellauf der "Emden" an. Sie ist das erste große deutsche Marineschiff nach dem Ersten Weltkrieg. Die Begeisterung für den Kreuzer ist groß.
Der 7. Januar 1925 ist ein grauer, windiger Wintertag in Wilhelmshaven. Dicke Regenwolken hängen über den Dächern, vom Jadebusen her pfeift ein kräftiger Südwestwind bis in die Straßen der Stadt hinein. Eigentlich kein Tag zum draußen sein. Und doch haben sich an diesem Morgen Tausende von Menschen rund um das Hafenbecken der Marinewerft am Ostrand der Innenstadt versammelt. Sie alle warten auf dasselbe Ereignis - die Taufe und den Stapellauf der "Emden" - des ersten großen Marineschiffs, das nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Deutschland gebaut worden ist.
Ein Symbol der Hoffnung
Für viele Menschen in Wilhelmshaven und der Umgebung ist dieser Tag etwas Besonderes. Die Stadt am Jadebusen lebt seit ihrer Gründung von den Werften und von der Marine, und ist von den mageren Jahren seit dem Kriegsende hart getroffen worden - das erste neue Schiff ist für viele hier ein Symbol der Hoffnung. Entsprechend groß ist die Begeisterung, als die "Emden" vom Stapel läuft.
"Erst zögernd, dann immer schneller, saust [das Schiff] abenteuerlüstern in die Fluten. Ringsum brausendes Hurrarufen und Mützenschwenken, auch von den Arbeitern, die zu vielen Hunderten die Dächer besetzt halten. […] Die Filmleute, auf Dächern kauernd und in den Kranen, drehen wie besessen. Der Augenblick ist da. Schuljungen brechen in ihrer Begeisterung die leichte Bretterabsperrung und stürzen dem davoneilenden Schiffsrumpf nach bis an das Wasser. Wilhelmshaven hat seit Jahren nicht soviel begeisterte Besucher gesehen." "Hannoversche Zeitung" vom 8. Januar 1925
Erst mit Verzögerung fertiggestellt
Viel Begeisterung für einen Kreuzer, der eigentlich kein besonders bemerkenswertes Militärschiff war. Schon der Bau der 150 Meter langen Rumpfes stellte die Marinewerft in Wilhelmshaven Anfang der 1920erJahre vor große Probleme. Die "Emden" war bereits 1920 in Auftrag gegeben und 1921 auf Kiel gelegt worden. Aber die Materialknappheit und finanzielle Probleme durch die Währungskrise hatten den Bau immer wieder verzögert, sodass es am Ende bis 1925 dauerte, bis das Schiff endlich vom Stapel laufen konnte.
Versailler Vertrag legt Art der Waffensysteme fest
Hinzu kam, dass das Design der "Emden" eigentlich nicht den Ansprüchen an ein modernes Kriegsschiff genügte. Im Versailler Vertrag hatten die Siegermächte des Ersten Weltkriegs genau festgelegt, welche Waffensysteme die junge Weimarer Republik haben durfte. Für die "Emden" bedeutete das eine deutlich leichtere Bewaffnung und Panzerung als für einen Kreuzer dieser Größe eigentlich üblich gewesen wären. Das Ergebnis war ein Kriegsschiff, das nicht wirklich für einen ernsthaften Kriegseinsatz geeignet war - doch das war auch niemals die Hauptaufgabe der "Emden".
"Nicht für echte Militäreinsätze konzipiert"
"Die Emden war von Anfang an nicht vorrangig für echte Militäreinsatze konzipiert“, erklärt die Historikerin Nina Nustede vom Deutschen Marinemuseum in Wilhelmshaven. "Sie sollte als Ausbildungsschiff dienen, und vor allem auch das Ansehen Deutschlands und der deutschen Marine verbessern, sowohl im Inland als auch im Ausland." Um dieser Aufgabe nachzukommen, beginnt die "Emden" ab 1926 mit einer Reihe von aufsehenerregenden Weltreisen. Insgesamt neun Mal geht der leichte Kreuzer zwischen 1926 und 1938 auf große Fahrt, offiziell auf Ausbildungsmission, inoffiziell aber eben auch, um mit der so genannten Blauen Diplomatie Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben - erst für die Weimarer Republik, ab 1933 dann auch für das Dritte Reich.
Exotische Reiseziele angesteuert
Die Ziele, die die "Emden" auf ihren Reisen anläuft, klingen für die Öffentlichkeit im Deutschland der 20er-Jahre zutiefst exotisch und nach viel Fernweh: Kapstadt, Yokohama, Rio de Janeiro, Schanghai, Hawaii, die Kokosinseln oder Kap Horn. Die Reisen des Schiffs werden in einem Umfang dokumentiert, der für die Zeit eigentlich unüblich ist. "Normalerweise hatte die 'Emden' eigentlich immer einen Bordfotografen dabei", berichtet Nina Nustede vom Deutschen Marinemuseum. "Und von den Reisen wurden dann üblicherweise Fotoalben für die Crews zusammengestellt, die man teilweise noch heute in Nachlässen und Antiquariaten finden kann." Aber auch die deutsche Gesamtöffentlichkeit nimmt regelmäßig an den Erlebnissen der "Emden" teil - in Form von Bildbänden, Reiseberichten und sogar Filmmaterial ist die "Emden" immer wieder in der Öffentlichkeit präsent.
Am 29. April 1927 ermittelt die Besatzung des Kreuzers die tiefste Stelle des Philippinengrabens im westlichen Teil des Pazifischen Ozeans. 10.400 Meter werden registriert. Diese Tiefe wird in Anlehnung an das Schiff Emdentief genannt. Bis 1945 gilt es als die tiefste Stelle des Grabens, inzwischen ist es "nur noch" die dritttiefste.
Im Zweiten Weltkrieg als Ausbildungsschiff unterwegs
Die Zeit der großen Reisen endet für den leichten Kreuzer mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Die "Emden" zieht in den Krieg, auch wenn sie weiterhin eigentlich kein echtes Kampfschiff ist. 1940 ist sie am Überfall auf Norwegen beteiligt, teilweise arbeitet sie auch als Minenleger, dazwischen ist sie aber auch immer wieder im Ausbildungsdienst tätig.
1945 ist sie eines der letzten Schiffe, die aus Königsberg auslaufen, bevor die Rote Armee die Kontrolle übernimmt - an Bord die sterblichen Überreste von Paul von Hindenburg und seiner Frau, die im Auftrag Hitlers aus ihrem Mausoleum in Ostpreußen "gerettet" wurden. In den letzten Kriegstagen schleppt sich die "Emden" bis in den Hafen von Kiel - dort wird sie kurz vor Kriegsende bei einem Bombenangriff schwer beschädigt, und wenige Tage später vor Heikendorf auf Grund gesetzt und gesprengt. Erst 1948 werden die Trümmer aus der Kieler Bucht entfernt.