25. April 1931: Stapellauf der "Sea Cloud" in Kiel
Die "Sea Cloud" war luxuriöse Privat-Jacht und Kriegsschiff. Sie beherbergte Millionäre, Diplomaten und Soldaten. Am 25. April 1931 lief das heutige Kreuzfahrtschiff bei der Germaniawerft in Kiel vom Stapel.
So etwas hat die Welt noch nicht gesehen: 1931 betritt ein Segelschiff die Bühne der Weltmeere, das mit seiner luxuriösen Ausstattung alle anderen Privat-Jachten in den Schatten stellt. Die reiche US-Amerikanerin Marjorie Merriweather Post und ihr Ehemann Edward Francis Hutton geben das Schiff nach den Plänen des US-amerikanischen Konstruktionbüros Gibbs & Cox aus New York bei der Germaniawerft in Kiel in Auftrag. Sie entscheiden sich, das Schiff in Deutschland bauen zu lassen, weil es hier günstiger ist. Am 25. April 1931 ist Stapellauf: Die Viermastbark wird zunächst auf den Namen "Hussar V" getauft, denn Hutton nennt seine Boote traditionell Hussar.
Purer Luxus aus Gold und Marmor unter Deck
Auffällig sind von außen der schwarze Rumpf und das flache ausladende Heck. Starke Motoren machen das Schiff unabhängig vom Wind. Der wahre Luxus zeigt sich unter Deck: Marjorie Merriweather Post lässt Badewannen aus Marmor, Armaturen aus Gold sowie Möbel und Wandverkleidungen aus Edelhölzern einbauen. Ihre Jungfernfahrt führt die "Hussar" von Kiel nach New York. Von hier aus unternimmt das Ehepaar Kreuzfahrten ins Mittelmeer, auf die Galapagos-Inseln oder nach Hawaii. Dabei sind stets prominente Gäste - Filmstars, Geschäftsleute, Adlige - an Bord.
Aus der "Hussar" wird die "Sea Cloud"
Nach der Scheidung der Besitzer 1935 beginnt für das Schiff eine neue Ära. Hutton überschreibt die "Hussar" seiner Frau Marjorie. Die neue Alleineignerin benennt die Bark in "Sea Cloud" um und lässt den Rumpf weiß streichen. Auch die Gäste an Bord der Yacht kommen bald aus einem anderen Milieu: Noch 1935 heiratet Marjorie Post wieder. Ihr neuer Ehemann Joseph E. Davies übernimmt den Posten des US-Botschafters in Moskau. Neuer Heimathafen der "Sea Cloud" ist nun St. Petersburg, damals Leningrad. Statt Filmstars halten sich fortan Diplomaten auf dem Luxusschiff auf - angeblich ein guter und abhörsicherer Platz für geheime Treffen. Als Davies Ende der 1930er-Jahre nach Belgien versetzt wird, verlegt Marjorie die "Sea Cloud" nach Antwerpen.
Zweiter Weltkrieg - Einsatz bei der Küstenwache
Während des Zweiten Weltkriegs requiriert die US Navy auch zahlreiche Privat-Jachten. Nachdem Präsident Franklin D. Roosevelt das Angebot die "Sea Cloud" zu nutzen, zunächst abgelehnt hat, kommt er 1942 darauf zurück. Die Viermastbark geht für einen symbolischen Charterpreis von einem US-Dollar pro Jahr an die Küstenwache. Was wie ein patriotischer Akt der Besitzer wirkt, hat wohl eher finanzielle Gründe, denn der Unterhalt der "Sea Cloud" wird immer teurer. Aus dem hell leuchtendem Windjammer wird die "USCGC Sea Cloud". Für diesen Einsatz müssen die Takelage samt Masten, Bugspriet und Galionsfigur abgenommen werden. Mit nun grauem Rumpf und lediglich einem verbliebenen Großuntermast ist die Bark bei der Küstenwache im Einsatz. Ab April 1943 unterstützt sie mit 72 Soldaten an Bord die Bekämpfung von Unterwasserstreitkräften im Atlantik - nun als "USS Sea Cloud".
Diktator Trujillo kauft die "Sea Cloud"
Ende 1944 erhält das Ehepaar die "Sea Cloud" zurück - zusammen mit 175.000 US-Dollar für den Wiederaufbau. Die Davies' lassen ihr Schiff in den kommenden Jahren wieder in den ursprünglichen Zustand versetzen und unternehmen zahlreiche Kreuzfahrten. Doch die explodierenden Kosten zwingen sie, die "Sea Cloud" ab 1952 zum Verkauf anzubieten. 1955 - im gleichen Jahr wie die Scheidung der Davies' - findet sich schließlich ein Käufer: Rafael Trujillo ist Regierungschef der Dominikanischen Republik und war regelmäßig zu Gast auf der "Sea Cloud". Auf der "Angelita", wie er das Schiff nun nennt, wickelt er viele seiner Regierungsgeschäfte ab. Sein Sohn nutzt die "Angelita" regelmäßig als Party-Boot.
1961 wird Trujillo von politischen Gegnern erschossen. Mit seinem Leichnam versucht Trujillos Familie auf der "Angelita" nach Cannes zu fliehen. Doch die neue dominikanische Regierung kann das Unternehmen stoppen - die "Angelita" kehrt in die Karibik zurück. Als "Patria" gehört sie nun dem dominikanischen Staat, der sie außer Dienst stellt.
Unklare Besitzverhältnisse unter dem Namen "Antarna"
Nach fünf Jahren unter der tropischen Sonne erwirbt der US-amerikanische Geschäftsmann Clifford Barbour den heruntergekommenen Windjammer für seine Firma "Operation Sea Cruise", um darauf Charterreisen anzubieten. Er registriert die Segeljacht in Panama und lässt sie 1967/68 in Neapel komplett überholen. Von dort geht es zu Barbours Firmensitz in Miami. Hier wird die "Angelita", die nun unter dem Namen "Antarna" fährt, von den US-Behörden wegen unbezahlter Rechnungen festgesetzt. Dann tritt die erst 26-jährige Stephanie Gallagher auf den Plan. Sie möchte die "Antarna" für die Hochschulausbildung von Studenten einsetzen. Nachdem sie alle offenen Rechnungen bezahlt hat, läuft sie mit dem Schiff aus. Es folgt eine filmreife Verfolgungsjagd. Clifford Barbours Geschäftsführer John Blue, immer noch im Besitz der Schiffspapiere, verfolgt die "Antarna". Schließlich kann er sie in Colón in Panama mithilfe der örtlichen Behörden stoppen.
Kapitän Hartmut Paschburg rettet die "Sea Cloud"
In Panama beginnt erneut eine Periode des Verfalls. Nachdem sich acht Jahre niemand um den Viermaster gekümmert hat, entdeckt der deutsche Kapitän Hartmut Paschburg zufällig das Schiff. Zusammen mit Hamburger Kaufleuten bildet er ein Syndikat zur Erwerbung der "Antarna", die schnell ihren alten Namen "Sea Cloud" wiederbekommt. 1978 segelt Paschburg die Bark nach provisorischer Instandsetzung mit einer 40-köpfigen Besatzung nach Hamburg, wo sie unter dem Jubel von tausenden Menschen empfangen wird.
Bei der Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel wird sie auf dem Gelände der ehemaligen Germaniawerft repariert, wo sie 1931 gebaut worden war. Die "Sea Cloud" bekommt 22 zusätzliche Kabinen - denn in Zukunft wird der Viermaster als Kreuzfahrtschiff fahren. Seit Ende 1979 segelt die "Sea Cloud" wieder über die Weltmeere. Heute ist sie der Inbegriff für Luxus-Kreuzfahrten unter Segeln.
"Sea Cloud Spirit": Schwesternschiff läuft Hamburg an
Längst befördert nicht mehr nur die "Sea Cloud" betuchte Passagiere. Seit 2001 ist das Schwesterschiff "Sea Cloud 2" im Einsatz, 2021 komplettiert die "Sea Cloud Spirit" die kleine Großsegler-Flotte der Hamburger Reederei "Sea Cloud Cruises". Das neueste Schiff ist mit 138 Metern Länge das bisher größte im Verbund. Am 16. Juni 2022 läuft die "Sea Cloud Spirit" erstmals mit Gästen im Hamburger Hafen ein.