VIDEO: Hamburg damals: Hoffnungsträger Elbtunnel (2015) (5 Min)

Vor 50 Jahren: Tausende Hamburger besichtigen Neuen Elbtunnel

Stand: 23.12.2024 15:05 Uhr

Vom 26. bis 30. Dezember 1974 feiern 600.000 Hamburger ein Tunnelfest unter der Elbe. Sie wollen das neuer Bauwerk besichtigen. Die Bauarbeiten zum längsten Unterwassertunnel Europas hatten 1968 begonnen.

von Kathrin Weber, Jochen Lambernd

Der Lärm von Baggern und Rammen läutet am 19. Juni 1968 in Hamburg die Arbeiten an einem der ambitioniertesten Bauprojekte der damaligen Zeit ein: Am Grund der Elbe soll der längste Unterwasser-Straßentunnel Europas entstehen. Über Wochen vibriert die Erde am zuvor so idyllischen Elbstrand von Övelgönne im Fünf-Sekunden-Takt.

Ein Tunnel soll Elbbrücken entlasten

Die Tunnelbohrmaschine "Otto" höhlt im Dezember 1969 die erste der damals noch drei geplanten Elbtunnelröhren aus. © dpa Foto: Lothar Heidtmann
Die Tunnelbohrmaschine "Otto" höhlt im Dezember 1969 die erste der vier Tunnelröhren im Uferbereich aus.

Die neue Verkehrsader soll die im Osten Hamburgs gelegenen Elbbrücken entlasten, über die sich täglich 110.000 Fahrzeuge zwängen. Und sie soll den Verkehrsstrom durch die Innenstadt begrenzen. Denn wer aus Hannover kommend Richtung Norden fahren will oder umgekehrt, muss die City durchqueren, um von der A 1 auf die A 7 zu gelangen. Der Tunnel mit seinen zunächst sechs geplanten Fahrspuren wird Teil der neuen West-Umgehung, zu der auch ein 31 Kilometer langes Stück Autobahn und die Köhlbrandbrücke gehören werden.

Röhrenelemente werden in der Elbe versenkt

Baustelle des Hamburger Elbtunnels im Oktober 1969. © dpa / picture alliance Foto: Lothar Heidtmann
Die Röhrenelemente mit den Fahrspuren wurden einzeln in einem trockengelegten Hafenbecken hergestellt.

Die Tunnelbauer fertigen die einzelnen Röhrenelemente in einem eigens dafür trockengelegten Hafenbecken an. Nach Fertigstellung der Tunnelelemente - jedes einzelne rund 48.000 Tonnen schwer - wird das Hafenbecken geflutet und die Elemente mit Schleppern auf die Elbe gezogen. Dort werden sie in eine ausgebaggerte Rinne abgesenkt und am Grund der Elbe zusammengefügt sowie abgedichtet. Bis zu 27 Meter tief unter dem Wasserspiegel liegen die Röhren nun. Der Hohlraum darunter wird im nächsten Schritt mit Kies aufgefüllt. Die Teilstücke unter dem Elbufer-Bereich werden mit einem Tunnelbohrer hergestellt.

An den Bauarbeiten des Neuen Elbtunnels ist damals auch der junge Mike Krüger beteiligt. Er lernt Betonbauer. Seine Karriere verläuft bekanntermaßen dann aber doch anders.

Anwohner leiden unter Lärm und Schmutz

Die Anwohnenden leiden mitunter massiv unter dem Tunnelbau. Er bringt viel Lärm und Schmutz mit sich. 1971 müssen mehr als 30 Familien ihr Zuhause verlassen. Die Erschütterungen des Bohrers haben die Häuser marode gemacht. Zwei Häuser werden sogar abgerissen.

Hunderttausende kommen zur Eröffnung

Ende 1974 sind die Arbeiten am Neuen Elbtunnel beendet. Anlässlich der Fertigstellung lädt die Baubehörde die Hamburger im Dezember 1974 zu einem Volksfest der ganz besonderen Art ein: Bevor der neue Elbtunnel für den Autoverkehr freigegeben wird, darf die Bevölkerung zwei der drei Röhren erkunden, und zwar zu Fuß. An der Weströhre wird derweil noch gearbeitet. Sie wird im Mai 1975 für den Verkehr freigegeben. Das Tunnelfest zur Eröffnung von Mittel- und die Oströhre dauert fünf Tage - vom 26. bis zum 30. Dezember. Bereits am ersten Tag kommen mehr als 100.000 Besucher. Sie alle wollen das Bauwerk sehen, das damals weltweit seinesgleichen sucht.

Hamburger feiern ihren Neuen Elbtunnel

Wer den kompletten Tunnel durchwandern möchte, muss damals gut zu Fuß sein. Knapp drei Kilometer ist jede Röhre lang. Und wie die Autos müssen sich auch die Besucher an den Richtungsverkehr halten, dürfen in der Röhre also nicht umkehren. Lediglich drei schmale Durchlässe ermöglichen einen Wechsel in die Nachbarröhre und damit einen möglicherweise schnelleren Weg zurück nach draußen. Stärken können sich die Besucher im Tunnel nicht - denn sie sollen ihn möglichst schnell durchqueren. Dafür spielt dort die Musik: 14 Spielmannszüge mit insgesamt 850 Musikern marschieren durch die Röhren, auch mehrere Jazz-Bands spielen auf.

Postkarten, Münzen und Broschüren

An den beiden Tunnelausgängen warten Würstchenbuden, Bierausschank und Karussells auf die Besucher. In Containern können sie Erinnerungsstücke kaufen: Zur Auswahl stehen die Farbbroschüre "Der Tunnel", Gedenkmünzen zu je einer Mark sowie die Farbpostkarten "Hamburgs neuer Elbtunnel mit Kinderaugen" für zwei Mark. Mobile Postämter geben Sonderstempel mit Tagesangabe aus.

Ab 10. Januar 1975 rollt der Verkehr

Mit einem Hebeldruck übergibt Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) am 10. Januar 1975 in Hamburg den neuen Elbtunnel dem Verkehr. © picture-alliance / dpa Foto: Lothar Heidtmann
Mit einem Hebeldruck übergibt Bundeskanzler Helmut Schmidt den Neuen Elbtunnel am 10. Januar 1975 dem Verkehr.

Etwa 600.000 Fußgänger bevölkern an den fünf Tagen den Elbtunnel. Am 10. Januar 1975 schließlich gibt Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) den Tunnel offiziell für den Verkehr frei. Danach gehört er den Autofahrern. 45 Monitore überwachen den Verkehr auf der sechsspurigen Unterführung sowie die Ein- und Ausfahrten. Hamburgs Erster Bürgermeister Hans-Ulrich Klose verleiht in seiner Eröffnungsrede der Hoffnung Ausdruck, der Neue Elbtunnel möge die Verkehrsprobleme der Stadt lösen: "Dieser Tunnel ist für uns ein Stück Zuversicht und Optimismus, er ist ein Stück Hamburg."

Der Neue Elbtunnel in Daten und Fakten

Eine vierte Röhre muss her: "Trude" bohrt sich durch

Doch die Rechnung geht nicht lange auf. Die ersehnte langfristige Entlastung bringt der Tunnel nicht. Fahren 1975 täglich noch etwa 55.000 Fahrzeuge hindurch, sind es einige Jahre später schon 100.000. Regelmäßige Staus sind das Ergebnis. Zu der Fülle an Fahrzeugen gesellt sich bei den Autofahren auch regelmäßig das Phänomen, dass sie vergessen, an der Steigung wieder Gas zu geben, um nicht an Geschwindigkeit zu verlieren. Die Folge: weitere Staus.

Ein Schweißarbeiter 1997 auf der Baustelle zur vierten Elbtunnelröhre in Hamburg vor dem Bohrkopf der Tunnelbohrmaschine "Trude". © picture-alliance / dpa Foto: Kay Nietfeld
Rund sechs Meter frisst sich die damals größte Tunnelbohrmaschine der Welt Ende der 90er unter der Elbe durch.

Der anfänglichen Begeisterung für den Tunnel folgt Ernüchterung. 1982 beschließt der Hamburger Senat den Bau einer vierten Röhre und beantragt das Projekt beim Bundesverkehrsministerium - acht Jahre vergehen bis zum Planfeststellungsbeschluss, weitere fünf bis zum Baubeginn. Zum Einsatz kommt diesmal die mit einem Außendurchmesser von gut 14 Metern seinerzeit größte Tunnelbohrmaschine der Welt - von den Hamburgern liebevoll "T.R.U.D.E." (Tief runter unter die Elbe) genannt. Rund sechs Meter pro Tag bohrt sich der 2.300 Tonnen schwere Koloss unter der Elbe durch.

Rund sieben Jahre und 550 Millionen Euro später wird die vierte Elbtunnelröhre am 27. Oktober 2002 eingeweiht. Abermals sind die Hamburger eingeladen, sie zu Fuß durchqueren, und Tausende Neugierige kommen. Tags darauf werden die neuen Fahrbahnen für den Verkehr freigegeben. Dass alle vier Röhren gleichzeitig befahrbar sind, ist aber erst am 19. Mai 2004 der Fall.

Der Elbtunnel - bis heute ein Nadelöhr

Ein Nadelöhr bleibt der Elbtunnel aber trotz der Erweiterung. Denn der Verkehr nimmt weiter zu - rund 165.000 Fahrzeugen täglich prognostizieren Experten für das Jahr 2025. Zudem müssen die alten Röhren saniert und modernisiert werden, sodass nicht ständig alle vier geöffnet sind.

Immer wieder wird Autofahrern Geduld abverlangt. Aktuell wird die A 7 weiter ausgebaut und bekommt im Hamburger Stadtgebiet sogenannte Autobahn-Deckel - als Schutz gegen Lärm. Im Rahmen der Baumaßnahmen sind Staus rund um den Tunnel daher weiterhin an der Tagesordnung. Die Arbeiten sollen bis 2028 dauern.

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Unsere Geschichte | 23.11.2024 | 20:15 Uhr

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