St. Peter-Ording: Vom Bauerndorf zum hippen SPO
Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.
von Kristin Bartels
Endloser Strand, Wind, Wasser und natürlich die Pfahlbauten: Daran denken viele wohl heute, wenn sie über den Ort St. Peter-Ording sprechen. Die Abkürzung SPO ist bei Touristen in aller Munde. Sie steht für Erholung, Wohlfühlen, Surfen. Das war nicht immer so. Früher war das Meer eher Fluch als Segen. Es machte den Einwohnern auf der nordfriesischen Halbinsel Eiderstedt das Leben schwer. Sturmfluten haben den St. Peteranern immer wieder Teile ihres Landes genommen und Sandverwehungen die Äcker unbrauchbar gemacht.
1795: Dünen machen Marschboden unbrauchbar
Der Lateinlehrer Friedrich Volkmar schrieb 1795 in seinen "Briefen aus Eiderstädt": "[Die Dünen] bedecken nun noch den fruchtbaren Marschboden mit einer hohen Lage Sand, daß sie ihn immer mehr unbrauchbar machen, man glaubt sich in die Sandwüsten Arabiens oder in die tartarischen Steppen versetzt zu seyn."
St. Peter-Ording wächst und wächst, wie auf diesen Bildern von der Seebrücke im Ortsteil Bad gut zu sehen ist. Zuletzt sorgte der Plan von Investoren für einen Streit. Sie wollen ein Dünen-Hotel bauen - zu Zeiten der Schwarz-Weiß-Fotografie wäre das wohl als Hirngespinst abgetan worden. (Mit dem Schieberegler auf diesem und den weiteren Bildern können Sie das St. Peter-Ording von früher und heute vergleichen. Verschieben Sie den Regler einfach mit der Maus oder dem Finger auf Smartphone und Tablet.)
Ständig mussten Kirchen und Wohnhäuser versetzt werden. Die kleine Gemeinde, die damals aus nur etwa 50 Häusern bestand, konnte der Lage nicht mehr Herr werden und bat schließlich den dänischen König um Hilfe.
Mitte 19. Jahrhundert: Deichgrafen übernehmen Schutz
Der Dünen- und Küstenschutz kam nun in die Hände des Staates. Dafür waren Mitte des 19. Jahrhunderts sogenannte Deichgrafen zuständig. Sie planten eine Bewaldung und Aufforstung zur Sicherung der Küste, um die Sandverwehungen zu verhindern. Die Bewaldung mit Kiefern begann in Süderhöft, rund um den Böhler Leuchtturm, und wanderte bis nach Ording. "Früher, als die Dünen noch da waren, haben wir da als Kinder manchmal Heidelbeeren gepflückt", erinnert sich die im Nachbarort aufgewachsene Gertrud Schäfer.
Der Böhler Leuchtturm war um 1960 noch von einem Grasdeich eingefasst. Nach der Aufforstung hat der Deich eine Asphaltdecke.
Mitte des 20. Jahrhundert beginnt der Boom
Erst um die Jahrhundertwende hatte das Umdenken begonnen. Man begann, das Meer als Quelle der Gesundheit und Erholung zu sehen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die ersten Hotels und Kinderheime in St. Peter-Ording gebaut, weshalb sich auch Ärzte dort niederließen. Nach der Anerkennung zum Heilbad ging gegen 1950 dann "der große Boom" los, erinnert sich Claus Heitmann, der das Archiv der Gemeinde leitet. Die gute Luft und das Meer zogen immer mehr Leute von außerhalb an. Wer es sich leisten konnte, ging mit dem Trend und schaffte sich eine Zweitwohnung in St. Peter an.
Das Gebäude im Vordergrund rechts war 1951 eine Drogerie - 68 Jahre später ist es mit das einzige, das seinen Platz im Ortsteil Bad noch behalten hat - zumindest auf diesem Foto, entstanden in der Gesundheitsklinik "Stadt Hamburg".
Touristen strömen heute in den Ortsteil Bad
Heute ist der Ortsteil Bad der beliebteste Treffpunkt für Touristen in dem Ort. Er war um 1877 entstanden, um dort hauptsächlich Hotels, Kliniken und Kinderheime anzusiedeln. Ab 1929 wurde die Badallee als Geschäftsstraße und Ausflugsziel für die Gäste gebaut. Weil damals der Erfolg von St. Peter als Urlaubsziel noch unklar war, wurde die Badallee mit Klinkern gepflastert.
"Diese Steine hätten wir dann noch nutzen können, um Häuser zu bauen, wären keine Gäste gekommen", erinnert sich Archivleiter Heitmann. Dazu musste es allerdings nie kommen. St. Peter zählt bis heute eine steigende Anzahl an Übernachtungen - jährlich inzwischen etwa 2,5 Millionen.
Im Priel vor der Sandbank im Bad fuhren Boote
An der Seebrücke, die zur Sandbank vor dem Ortsteil Bad führt, ist die Veränderung deutlich zu erkennen. Einerseits baulich: Es gibt eine neue Brücke, vor der sich eine Fischrestaurant-Kette niedergelassen hat, und eine neue Promenade. Andererseits hat die Veränderung auch vor der Natur nicht Halt gemacht. Der Priel, "durch den wir früher noch mit Schiffen gefahren sind" (Heitmann), ist heute verschlickt und eher eine Salzwiese.
Die alte Seebrücke ist im Jahr 1926 gebaut worden - das Foto ist etwas später entstanden. Fast ein Jahrhundert später, 2005, wurde die neue Brücke fertiggestellt. St. Peter-Ording lebt längst von dem Tourismus.
"Damals wurden die Gäste mit Booten zur Sandbank gebracht, um dort zu baden. Irgendwann war die Nachfrage so groß, dass die Brücke gebaut wurde", erzählt Gertrud Schäfer.
Aus dem Sportplatz im Dorf wurde der Marktplatz
Im Ortsteil Dorf findet man heutzutage einige historische Überbleibsel aus früheren Zeiten. Dort trifft Erhaltenes aus der Vergangenheit auf moderne Geschäfte. Man findet die Kirche, das Heimatmuseum, die Verwaltung und den Marktplatz, auf dem regelmäßig der Wochenmarkt stattfindet. "Früher, bevor der Marktplatz gebaut wurde, war hier ein Sportplatz, auf dem wir Ringreiten und Bundesjugendspiele veranstaltet haben", erzählt Heitmann aus der Vergangenheit.
Der Betrachter muss schon zweimal hingucken, um zu erkennen, dass die beiden Fotos aus derselben Perspektive aufgenommen wurden: Anfang der 1960er-Jahre ein Sportplatz, auf dem St. Peteraner zum Beispiel Ringreiten veranstalteten, ist aus dem Gelände im Ortsteil Dorf ein Marktplatz geworden.
Einiges ist aber immer noch so wie früher im Dorf: Das Geschäft "Boy Jöns" beispielsweise existiert seit Jahrzehnten. Es ist lediglich ein Haus weitergezogen. Familienoberhaupt Boy Jöns machte sein Hobby Bernstein zum Beruf - und aus dem Dorfladen ein Mekka für Freunde des "Goldes der Nordsee". In dem Geschäft wird noch mal mehr als deutlich klar: Das Meer ist für St. Peter-Ording inzwischen definitiv mehr Segen als Fluch.
Die Dorfstraße Anfang des 20. Jahrhunderts und heute: Das Bernsteingeschäft "Boy Jöns" ist geblieben - wenn auch in einem anderen Haus.