Bad Oldesloe: Hier badeten einst Könige
Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von der selben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.
Es nieselt. Und der nasse Kies knirscht unter den Schuhen, wenn Sieglinde Demiss-Voigtmann den Weg im Bad Oldesloer Kurpark entlang geht - vorbei an Büschen und alten Bäumen zu der großen Wiese, auf der eine Schulklasse trotz des Wetters Sportübungen macht. Auf der Wiese steht eine alte, verwitterte Steinwanne. "Hier", sagt Demiss-Voigtmann, "hier in dieser Wanne haben wir schon als Kinder König und Prinzessin und Königin gespielt. Wir hatten damals keine Ahnung, dass hier tatsächlich mal Könige gekurt haben."
Demiss-Voigtmann lebt in Stormans Kreisstadt Bad Oldesloe, seit sie anderthalb Jahre alt ist. Sie ist quasi im Kurpark aufgewachsen. Seit 25 Jahren ist sie Stadtführerin. Heute erzählt sie, wie Oldesloe zu Bad Oldesloe wurde - also zur Kurstadt.
Um 1921 prägte das Kurhaus den Kurpark in Bad Oldesloe. Heute steht dort ein kleines, steinernes Theater. Daneben ist eine Seniorenresidenz.
Solevorkommen lockten die Menschen
"Dort war unser allererstes Kurhaus." Demiss-Voigtmann weist auf eine kleine, steinerne Bühne auf der anderen Seite der großen Wiese. Sie berichtet von längst vergangenen Zeiten. "Wir haben hier schon Besiedlung seit der Steinzeit wegen der Solevorkommen. Die Sole ist dann ab etwa 1.000 nach Christus immer schon zu Salz versotten worden." Bei der Versottung wird Sole zu Salz gesiedet. Das Salz sei dann über den gesamten Ostseeraum verkauft und verschifft worden, sagt die Stadtführerin.
Die Starksche Scheune prägte um 1902 die Mühlenstraße. Später wurde sie abgerissen.
Apotheker will ein Kurbad
Anfang des 19. Jahrhunderts kam der Oldesloer Apotheker August Lorenzen ins Spiel. Er war auch Saline-Inspektor. "Heute würden wir 'Manager der Salzfabrik' dazu sagen", erklärt Demiss-Voigtmann. Er entdeckte, dass die Oldesloer Sole neben Salz auch Schwefel enthielt, dass es im Untergrund der Stadt außerdem noch Moorwasser gab. Und er wusste, dass das alles eine lindernde Wirkung bei bestimmten Leiden, wie zum Beispiel Atemwegserkrankungen, haben könnte. Also stellte Lorenzen 1813 den Antrag, ein Kurbad zu errichten. "Das machte er in Kopenhagen, denn verwaltungstechnisch gehörte Bad Oldesloe damals ja noch zum dänischen Königreich", sagt Demiss- Voigtmann.
Der Platz mit dem Marktbrunnen am Stadthaus hat sich von 1900 bis heute nicht groß verändert.
Kurort mit Casino und Pferderennbahn
Lorenzen, erzählt sie, muss ein Verhandlungsgenie gewesen sein. "Denn eigentlich war im dänischen Königsreich Glücksspiel verboten. Er hat aber trotzdem die Genehmigung erhalten, hier ein Casino zu errichten." Diese Ausnahmegenehmigung und der Fakt, dass damals nur in Travemünde ein weiterer Kurort war, machten die Stadt als Kurort attraktiv. "Und dann gab es noch einen pferdeverrückten Adligen, den Herzog von Augustenburg, der hat hier eine Pferderennbahn eröffnet. Das zog die Leute an", erzählt Demiss-Voigtmann.
Erst stand an dieser Stelle ein Gefängnis, um 1964 prägte das Amtsgericht den Platz am Beer-Yaacov-Weg, wo heute das Kultur- und Bildungszentrum zu Hause ist.
Krönungsfeierlichkeiten im Bad
Die Kunde vom neuen Kurort machte die Runde - und die Gäste reisten an, vor allem die gut betuchten. "Es kamen sehr viele Adlige hier zum Kuren. Man hatte die entsprechende Gesellschaft", erklärt Demiss-Voigtmann. Auch Angehörige des Königshauses ließen sich immer wieder im Kurbad blicken. Und Christian VIII., dänischer König und Herzog von Holstein, hielt hier seine Krönungsfeierlichkeiten ab. Noch heute gebe es in der Umgebung von Oldesloe viele adlige Güter, so die Stadtführerin.
Um 1975 stand die Gastwirtschaft "Alte Börse" noch. Später wurde sie abgerissen.
Restaurierte Kurwanne im Seniorenheim
Wer weiß, vielleicht saß Christian VIII. ja sogar in der lederausgeschlagenen Holzwanne, die heute, tadellos restauriert, im Seniorenheim "Haus am Kurpark" steht. Janina Riedel vom "Haus am Kurpark" kümmerte sich darum, dass das Stück in Stand gesetzt wurde und nun in ihrem Haus ausgestellt ist. "Ich selbst bin quasi hier im Kurpark aufgewachsen, habe da viele Erinnerungen dran. Der Kurpark gehört zu Bad Oldesloe und die Wanne erzählt davon. Deshalb hab' ich sie ins Haus geholt", erklärt sie.
Eingepackt werden im Kurschlamm
Und dann gibt sie einen Einblick, wie man im 19. Jahrhundert in solchen Wannen kurte. "Ich hab' mir erzählen lassen, es wurde ein kleiner Holzhocker in die Wanne gesetzt, so dass man einigermaßen erhöht saß. Ein Teil des Bads, ob das Moorbad oder Fango war, lag schon unten auf dem Grund. Dann wurde mit Holzeimern in einer guten Temperatur zugefüllt, so dass der Kurgast das wohlige Gefühl hatte, eingepackt zu werden in diesen Kurschlamm."
Neben Holzwannen gab es einst auch Zinn-, Kupfer- oder eben Steinwannen wie die, die heute noch im Park steht und in der Demiss-Voigtmann schon als Kind spielte. "Die Wannen standen damals in Badepavillions, wo die Herrschaften sie dann nutzen konnten", so die Stadtführerin.
Um 1914 stand dieser Aussichtsturm am Salzteich. Heute wuchern Bäume und viel Grün.
Die Herrschaften badeten im Salzteich
Im Bewegungsbad ihres Seniorenwohnheims hat Janina Riedel noch etwas, das an die Kurzeit erinnert. Ein lokaler Künstler hat die Wand des Bades im Keller des Hauses mit einer idyllischen Landschaft mit See und Badekarren verschönert. "Das ist unser Salzteich", erklärt Riedel. Den Teich gibt es noch immer, die Badehäuschen längst nicht mehr. "Die standen hier Anfang des 19. Jahrhunderts. Dort zogen sich die Herrschaften um, bevor sie in den See zum Baden gingen", erklärt Demiss-Voigtmann.
Sie selbst kennt den Salzteich nur allzugut. "Der ist nicht sehr tief. Wir sind früher als Kinder drinnen rumgewatet und haben Stichlinge gefangen. Die haben wir dann gegessen - als Mutprobe, einfach so, wie sie waren."
Zu Kurortzeiten zogen sich die Herrschaften in den Badekarren um, bevor sie im Salzteich badeten. Heute schwimmen hier nur noch Enten und Fische.
Kurpark oder Kurwald?
In ihrer Kinderzeit war der Kurpark ein großes, wildes Spielparadies. Bäume und Sträucher wachsen hier auch heute noch ziemlich wild, weshalb der Kurpark von manchen Menschen auch als Kurwald bezeichnet wird. In der Innenstadt von Bad Oldesloe stehtnoch eine Wasserpumpe, mit der man die Sole, die es ja immer noch gibt, an die Oberfläche pumpen kann.
Ein paar mal käftig pumpen - und das Wasser sprudelt die Pflastersteine hinunter. Es schmeckt salzig - "und es stinkt manchmal ganz schön nach faulen Eiern hier", erzählt Demiss- Voigtmann. "Das kommt von dem Schwefel in dem Wasser. Die Anwohner stört das natürlich. Deshalb wird die Pumpe zwischendurch auch immer mal wieder abgestellt."
Der Bahnhof in Bad Oldesloe hat sich von 1910 bis heute stark verändert. - Anmerkung: Nach Auskunft eines Lesers zeigen historisches und nachfotografiertes Bild nicht dieselbe Stelle. 1910 gab es nach den Informationen des Lesers einen Inselbahnhof zwischen den heutigen Gleisen 5 und 4, nachfotografiert wurde auf dem Gleis 3.
Wandeln zwischen gepflegten Beeten und Kastanienallee
Auf die schwefelhaltige Sole können einige Bad Oldesloer heutzutage also gern verzichten, auf ihren Kurpark nicht. In Nicht-Corona-Zeiten findet hier einmal im Jahr das Kurparkfest statt. Ein privater Theaterverein führt auf der kleinen steinernen Bühne im Park regelmäßig historische Stücke zur Stadt auf. Der THC Bad Oldesloe hat hier seine Tennisplätze. Und täglich nutzen unzählige Sportler und Spaziergänger den Park.
Auch Demiss-Voigtmann ist hier oft unterwegs - und stellt sich manchmal vor, wie es hier ganz früher ausgesehen haben muss. Der Apotheker Lorenzen habe Anfang des 19. Jahrhunderts extra einen Gartenkünstler hergeholt, um den Kurpark zu gestalten, erzählt sie. Neben den akkuraten Blumenbeeten gab es "eine Kastanienallee, es gab eine Eichenallee. Wenn man sich heute umsieht, kann man vielleicht noch zwei oder drei Kastanien oder Eichen am Stück sehen. Aber sonst haben wir aus unserer Badezeit wirklich nichts mehr", bedauert sie.
In der Hindenburgstraße hat sich seit 1939 viel getan.
Verspäteter Titel: Oldesloe erst 1913 ein "Bad"
Die Kurbad-Zeit endete nach nicht allzulanger Zeit. 1850 wurde die Erlaubnis für das Casino wieder entzogen, Kurbäder an den Küsten wurden für die Erholungssuchenden interessanter. In das Kurbad Oldesloe kamen kaum noch Gäste. Aber immerhin, 1910, als die Stadt als Kurort schon gar nicht mehr relevant war, bekam sie den Titel "Bad". Und den hat die Stadt bis heute - als Andenken an die Zeit, in der sich hier Adlige in Solebädern aalten, sich im Casino verlustierten und zwischen gepflegten Blumenrabbaten spazieren gingen.