Der Geist der Reformation an einer Hamburger Schule
95 Thesen irgendwo in Mitteldeutschland - ein paar Jahre später ist Hamburg eine andere Stadt. Martin Luthers Reformation vor 500 Jahren hat alles umgekrempelt. Der 31. Oktober 1517 hat die Welt verändert. Auch in Hamburg lassen sich heute Spuren der Reformation finden - etwa an der Johanneum-Schule im Stadtteil Winterhude.
Was haben Heinrich Hertz, Kurt Sieveking, Ralph Giordano, Walter Jens und Lotto King Karl gemeinsam? Sie waren alle Schüler des Hamburger Johanneums. Johanneum - der Name verrät es: Die Schule war ursprünglich im Johanniskloster untergebracht. Das stand damals dort, wo sich heute das Rathaus befindet. Die kleine und große Johannisstraße dort erinnern heute noch daran.
Gründung einer Lateinschule
Mit der Reformation waren Klöster unerwünscht. Eine Lateinschule wurde gegründet, erklärt die Schulleiterin des Johanneums von heute, Inken Hose: "Das hat sich so ergeben, weil die katholischen Geistlichen aus der Stadt vertrieben wurden, denn Hamburg hatte sich zur lutherischen Lehre bekannt." Da diese Geistlichen weggeschickt wurden, das Schulwesen jedoch fest in katholischer Hand war, kam es zu einer Versorgungslücke.
Die Schulpolitik war schon damals ein Hauptstreitpunkt. Schon Jahre vor der Reformation habe es immer wieder heftige Konflikte mit der Kirche gegeben. Hose erzählt: "Die Bürger beklagten immer die Qualität der Lehrer, die Höhe des Schulgeldes. Die Streitereien wurden immer mit einem Kompromiss beigelegt, aber die Qualität verbesserte sich nicht."
Die Bildung war ein Schlüssel zu den Herzen der Hamburger. Johannes Bugenhagen war Bildungs-Profi, sagt Hose: "Bugenhagen war schon mit 19 Schulleiter in Treptow. Er genoss einen so guten Ruf, dass die Schüler scharenweise zu ihm strömten. Als er sich Luther anschloss 1521, hat der bestimmt sofort erkannt, was für einen fähigen Mann er da hat." Dass er die Reformation nach Hamburg brachte, kam den Bürgern der Hansestadt gerade recht.
Soziale Gerechtigkeit zieht ins Schulwesen ein
Bugenhagen war humanistischer Reformpädagoge. Der wollte den Kindern das Wissen nicht einprügeln, sondern aus ihnen, wie er sagte "fröhliche und lustige Leute" machen. So gab es eine Staffelung des Schulgeldes, abhängig vom Einkommen der Eltern und freie Plätze für Kinder einkommensschwacher Familien. "Da ist ein Stück größere soziale Gerechtigkeit ins Schulwesen hineingekommen. Überhaupt hat man geschaut: Wer braucht Hilfe? Das ist eine schöne Seite der Reformation."
Die Reformation wollte mündige Menschen. Die sollten selbst lesen können, was in der Bibel steht. Am besten im Original - auf Griechisch, Damit sie sich selbst ein Urteil bilden können. Das Johanneum ist 1914 nach Winterhude umgezogen, aber dieser humanistische Ansatz der Reformation steckt noch drin. "Bei uns lernen alle Lateinisch und Griechisch. Im Reformationsprojekt erfahren in der 5. Klasse alle die Geschichte der Schule."
Der Schulgründer Johannes Bugenhagen steht als Denkmal vor dem Johanneum. Inken Hose ist nach fast 500 Jahren die erste Frau an der Spitze der Gelehrtenschule. Musik spielt bis heute auch eine zentrale Rolle am Johanneum. Damals singen die Kinder jeden Tag in den Hauptkirchen der Stadt. Heute musizieren sie in gleich mehreren Orchestern und Bands. Auch am Reformationstag: Am 30. Oktober wird in der St. Petri Kirche eine Kantate aufgeführt, die ein Lehrer eigens komponiert hat.