Ein Gefangener des Konzentrationslagers Wöbbelin wird nach der Befreiung am 02.05.1945 durch die 82. US-Luftlandedivision von einem Mithäftling zur ärztlichen Betreuung geführt. © dpa

Gedenkstätte Wöbbelin - Lichter Ort mit dunkler Vergangenheit

Stand: 24.06.2022 05:00 Uhr

Das Konzentrationslager Wöbbelin bei Ludwigslust existierte nur zehn Wochen. Bis zu seiner Befreiung am 2. Mai 1945 starben in diesem Außenlager des KZ Neuengamme über 1.000 Häftlinge. Das neu gestaltete Gelände wurde am 24. Juni offiziell eröffnet.

von Axel Seitz

Bereits seit 2005 existiert direkt an der Landesstraße einen Gedenkplatz, der an die Opfer des Konzentrationslagers Wöbbelin erinnert. In den vergangenen Monaten wurde der hintere Teil, in dem 1945 die Häftlingsbaracken standen, neugestaltet. Sie sind schon von Weitem zu sehen - mehrere weiße Stelen im Wald. "Es sind riesige Dimensionen, in denen diese Lagergebäude errichtet wurden. Sie waren im Gelände überhaupt nicht wahrzunehmen. Deswegen haben wir die Ecken mit großen Stelen markiert, wie sie auch von der Mahn- und Gedenkstätte schon an anderer Stelle benutzt werden, um die Raumkubatur der Gebäude darzustellen", erläutert Landschaftsarchitekt Matthias Proske. Das bedeute, wer jetzt an der Anlage vorbeifahre, sehe schon von der Straße aus, dass dort hinten noch irgendwas sein müsse, was vorher überhaupt nicht wahrnehmbar gewesen sei.

Konzentrationslager Wöbbelin "wieder sichtbar machen"

Weiße Stelen stehen im Wald der Gedenkstätte Wöbbelin. © NDR Foto: Axel Seitz
Weiße Stelen im Wald erinnern an Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen KZs Wöbbelin.

Proske hat sich überlegt, wie das ehemalige Konzentrationslager gewissermaßen wieder sichtbar gemacht werden kann - in Abstimmung mit der Leiterin der Gedenkstätte, Anja Pinnau: "Es gab genau vier Unterkunftseinheiten in dem Steinbarackenlager. Als mehrere Räumungstransporte aus anderen Konzentrationslagern im April 1945 hierher kamen, waren diese Unterkunftsbaracken noch gar nicht fertig gestellt. Im Prinzip stand hier nur der Korpus dieser Baracke, da war kein Fußboden, kein Mobiliar, keine Betten vorhanden, wie man das aus anderen Lagern kannte."

"Die Waschbaracke war der letzte Ort der Entmenschlichung"

Schlafstätte der Häftlinge in den Baracken des KZ Wöbbelin (1945) © NDR Foto: Axel Seitz
Häftlinge in Wöbbelin mussten auf simplen Bettgestellen und blankem Fußboden schlafen.

Die Häftlinge haben ihre Bettgestelle selbst gebaut oder mitunter auf dem nackten Fußboden geschlafen. Es seien katastrophale Zustände gewesen, beschreibt Pinnau die damalige Situation für die mehr als 5.000 Häftlinge vor Ort. Jetzt kann sich jeder Besucher zumindest vorstellen, wie groß die Baracken waren - nämlich 60 Meter lang und zehn Meter breit. Und genau in der Mitte dieser vier Gebäude stand die Waschbaracke, die allerdings so gar nicht genutzt wurde. "Es gab keine Wasseranschlüsse und in den letzten Tagen vor der Befreiung des Lagers wurden dort Leichen unwürdig aufgestapelt. Die Waschbaracke war der letzte Ort der Entmenschlichung für die Inhaftierten", so Pinnau weiter. Deshalb ist dieser Ort auch besonders dargestellt. Er sei naturbelassen, erhaben, habe keine Eckmarkierung. Durch die Bauarbeiten sei die komplette Baracke als Fundament freigelegt worden. Das sei vorher nicht so ersichtlich gewesen, sagt Pinnau.

Kontrast von Licht und Dunkelheit verdeutlichen

Fundament der Waschbaracke der Gedenkstätte Wöbbelin © NDR Foto: Axel Seitz
Das teilweise brüchige Fundament auf dem die Waschbaracke früher stand, wurde erhalten.

Während innerhalb des Fundaments der Waschbaracke Erde, Bäume und alle Pflanzen nicht abgetragen wurden, der Wald also in seinem Zustand bleibt, erhielten die beiden hinteren Baracken eine gesonderte Bepflanzung mit Stechpalmen. Diese wachsen in den kommenden Jahren bis zu zwei Meter hoch und bilden einen dichten Teppich innerhalb der Stelen. Darüber hinaus bekam das gesamte Gelände neue Gehwege, die behindertengerecht angelegt sind. Landschaftsarchitekt Matthias Proske hat sich außerdem zu den Bäumen, die hier stehen, Gedanken gemacht: "Wir sind dann, nach vielen Begehungen - auch mit der Mahn- und Gedenkstätte in Wöbbelin - so vorgegangen, dass wir den vorderen Teil des Waldes ein wenig ausgelichtet haben." Der vordere Teil bestand auch früher schon aus Birken, einer eher hellen Baumart. Die dunkleren Kiefern wurden in diesem Bereich entnommen. Im hinteren Bereich, wo die Baracken standen, stehen auch heute überwiegend Kiefern - "um sozusagen vom Licht aus immer weiter ins Dunkle vorzudringen, in Richtung des Bösen", erläutert Proske das Konzept.

"Letzte Hölle ihrer Deportationsgeschichte"

Überlebende des Konzentrationslagers berichteten, dass Wöbbelin die letzte Hölle ihrer Deportationsgeschichte war, erzählt Pinnau. Diejenigen, die im Lager zu Tode kamen, sind 1945 nach Ende des Zweiten Weltkrieges unter anderem in Schwerin, Ludwigslust, Hagenow und auch in Wöbbelin beerdigt worden.

Weitere Informationen
Stelenfeld auf der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Wöbbelin bei Ludwigslust © picture alliance/imageBROKER Foto: Lothar Steiner

KZ-Gedenkstätte Wöbbelin: "Man konnte das Lager riechen"

Die KZ-Gedenkstätte Wöbbelin muss sich einen Ort mit der Ausstellung über den deutschen Dichter Theodor Körner teilen. Diese Paarung verursacht Spannungen. mehr

Loren und Klinkerwerk auf dem Gelände des KZ Neuengamme (1944). © dpa Foto: KZ-Gedenkstätte_Neuengamme

KZ Neuengamme: Briten finden 1945 leeres Lager vor

Die Befreier stoßen am 4. Mai 1945 nur auf ein riesiges Lager ohne Häftlinge. Die SS hat das KZ zuvor komplett räumen lassen. mehr

Ausgemergelte Männer liegen dicht an dicht in Holzkojen - Aufnahme von 1944 aus einer Gefangenen-Baracke in Auschwitz. © picture-alliance / Mary Evans Picture Library/WEIMA

Konzentrationslager:"Alltag" in der Hölle

Das Leben im KZ war ein Martyrium für die Gefangenen. Der Willkür der SS vollkommen ausgeliefert endete es oft mit dem Tod. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Kulturjournal | 23.06.2022 | 19:05 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Zeitgeschichte

NS-Zeit

Mehr Geschichte

Die durch alliierte Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zum Teil zerstörte Hamburger Michaeliskirche 1945. © picture-alliance/akg-images

St. Michaelis-Kirche: Hamburger Michel trotzt Bränden und Krieg

Nach schweren Schäden im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche am 19. Oktober 1952 neu geweiht. Die wechselvolle Geschichte eines Wahrzeichens. mehr

Norddeutsche Geschichte