Erst verwüstet, dann verhandelt: 375 Jahre Westfälischer Frieden
Am 24. Oktober 1648 werden die Verträge von Osnabrück und Münster unterzeichnet. Der Westfälische Frieden beendet den Dreißigjährigen Krieg, bringt Deutschland den Religionsfrieden und Europa eine neue Friedensordnung.
"Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!
Der frechen Völker Schar, die rasende Posaun
Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun
Hat aller Schweiß und Fleiß und Vorrat aufgezehret."
Andreas Gryphius, "Tränen des Vaterlandes"
Andreas Gryphius' Gedicht ist wohl die bekannteste zeitgenössische Beschreibung des Dreißigjährigen Krieges und seiner verheerenden Folgen. 1637 veröffentlicht er "Tränen des Vaterlandes" erstmals - da stehen noch weitere elf Jahre Verwüstung und Leid bevor. Doch ab 1643 wird nicht mehr nur verheeret - sondern auch verhandelt. Der erste gesamteuropäische Friedenskongress beginnt und dauert fünf Jahre.
Während die Kampfhandlungen teils unvermindert weitergehen, sitzen in Münster und Osnabrück 37 ausländische und 111 deutsche Gesandte, bis sie am 24. Oktober 1648 den Westfälischen Frieden ausgehandelt haben und dem Dreißigjährigen Krieg ein Ende setzen.
Vom Prager Fenstersturz zum Flächenbrand
Der hatte am 23. Mai 1618 mit dem Prager Fenstersturz begonnen. Protestantische Adlige stürmten aus Unzufriedenheit über vorenthaltene Rechte für die protestantische Mehrheitsbevölkerung die Prager Burg und warfen kurzerhand die Statthalter des katholischen Königs aus dem Fenster. Zwar überlebten die Beamten dank eines Misthaufens unter dem Fenster - doch Millionen andere Menschen verloren ihr Leben in der Folge eines sich zunehmend ausweitenden Flächenbrandes.
Zunächst eroberte der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, Ferdinand II., mit der Hilfe der Spanier, des Papstes und der Bayern Böhmen 1620 zurück. Daraufhin rief das protestantische Lager den dänischen König Christian IV. zur Hilfe. Als der sich 1629 geschlagen zurückzog, griff Schwedens König Gustav Adolf 1630 in das Geschehen ein.
Frankreich, eigentlich katholisch, schlug sich auf die Seite der Protestanten. 1635 griff es aktiv in den Krieg ein, weil es die Macht der ebenfalls katholischen Habsburger in Österreich und Spanien fürchtete. Spätestens hier war klar, dass es nicht nur um den rechten Glauben geht, sondern um die Vormachtstellung in Europa. Immer neue Heere marodierender Landsknechte zogen durch Deutschland. Der Krieg nährte den Krieg: Die Söldnerheere hatten kein Interesse daran, dass die Kampfhandlungen endeten, ihr Geschäftsmodell war der fortwährende Krieg.
Sieben Millionen Tote - ein Drittel der Bevölkerung
Nach Berechnungen von Historikern gab es im damaligen Reich einen Bevölkerungsrückgang um ein Drittel: von 18 auf 11 Millionen Einwohner. Das stellt selbst den Ersten Weltkrieg und Zweiten Weltkrieg in den Schatten. Allerdings kamen die meisten Menschen nicht durch direkte Kampfhandlungen, sondern durch Hungersnöte und Seuchen ums Leben.
Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut.
Dreimal sind schon sechs Jahr, als unser Ströme Flut,
Von Leichen fast verstopft, sich langsam fort gedrungen.
Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod,
Was grimmer denn die Pest, und Glut und Hungersnot,
Dass auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen.
Andreas Gryphius, "Tränen des Vaterlandes"
Es ist ein apokalyptisches Bild, das Gryphius in seinem Gedicht ausmalt - 18 Jahre nach Kriegsbeginn rinnt weiter "allzeit frisches Blut". Das Leid und die Verzweiflung in der Bevölkerung müssen unermesslich gewesen sein angesichts von Kampfhandlungen, Mord, Plünderung und Pest. Weil auch die Herrscher langsam kriegsmüde werden, lassen sie sich auf Friedensverhandlungen ein.
Verhandlungen auf neutralem Boden
Diese beginnen 1643 auf halbwegs neutralem Boden. In Osnabrück treffen sich die Abgesandten der protestantischen Reichsstände, die Kaiserlichen und die Schweden. In Münster verhandelt der Kaiser unter anderem mit Frankreich und den katholischen Reichsstädten.
Sowohl das protestantische Schweden als auch das katholische Frankreich hatten auf einen Verhandlungsort bestanden, an dem es ihren Gesandten möglich war, ihren Glauben zu praktizieren. Die Nähe der beiden Städte gewährleistete zudem einen schnellen Informationsaustausch. Auch verfügten sie über eine intakte städtische Infrastruktur, um die aus allen Teilen des Reiches und den europäischen Nachbarländern anreisenden Delegationen zu beherbergen. Die 148 Delegierten brachten zum Teil ihren ganzen Hofstaat mit und verdoppelten die Einwohnerzahl nahezu.
Formalien im Mittelpunkt - und lange Abstimmungswege
Wer hat wen zuerst zu grüßen? Solche Fragen stehen am Beginn der zunächst schleppenden Verhandlungen. Auch die Frage, wie viele Pferde an der Kutsche vorgespannt werden, konnte ein Problem darstellen. "Der Franzose hatte eben das Recht, sechsspännig zu fahren, und der Spanier hatte dann acht. So konnten sie beide nicht zu den Verhandlungen, weil man sich nicht einigen konnte", erklärt Eva Berger, Direktorin des Kulturgeschichtlichen Museums in Osnabrück.
Erschwert und auch zeitlich verlängert werden die Verhandlungen zudem dadurch, dass die Fürsten, Könige und Kaiser nicht persönlich anwesend sind. Bei jeder schwerer wiegenden Entscheidung müssen die Gesandten beim heimischen Hof rückfragen, das heißt: im Zweifel bis nach Spanien und zurückreiten.
Zwei Städte - zwei Friedensschlüsse
Entsprechend den nach Verhandlungsparteien getrennten Tagungsorten des Friedenskongresses werden zwei komplementäre Friedensverträge ausgehandelt. Für den römisch-deutschen Kaiser und Frankreich ist dies der Münstersche Friedensvertrag einerseits und andererseits der Vertrag von Kaiser und Reich mit Schweden - der Osnabrücker Friedensvertrag. Dieser wird am 6. August 1648 in der Residenz des schwedischen Verhandlungsführers Axelsson Oxenstierna mit dem sogenannten Osnabrücker Handschlag feierlich besiegelt.
Beide Verträge werden schließlich am selben Tag, dem 24. Oktober 1648, in Münster im Namen von Kaiser Ferdinand III. und König Ludwig XIV. von Frankreich auf der einen Seite sowie Königin Christina von Schweden auf der anderen Seite unterzeichnet. Verkündet werden der Friedensschluss und damit das Ende des Dreißigjährigen Krieges schließlich am 25. Oktober 1648 von der Osnabrücker Rathaustreppe.
Zwei neue Staaten entstehen, Religionskriege enden
"Er ist kein 'ewiger Frieden' geworden, wie es nach den Verhandlungen in Münster und Osnabrück hieß. Aber es entstand doch eine politische Ordnung, in der Krieg und Frieden als die beiden Aggregatzustände des Politischen so präzise voneinander getrennt wurden, dass man die Übergänge von dem einen in den anderen juridisch in Form von Kriegserklärung und Friedensschluss fixieren konnte." Herfried Münkler, Politikwissenschaftler
Im Hinblick auf den erbitterten und blutigen Religionsstreit, der am Anfang des Dreißigjährigen Krieges stand, bringt der Westfälische Frieden die Beendigung des Zeitalters der Konfessions- und Religionskriege. Innerhalb des Reichs wird neben der katholischen und der lutherischen nun auch die reformierte Konfession als gleichgestellt anerkannt. Die Protestanten sind zwar reichsweit in der Minderheit, sie dürfen aber auf Reichstagen in Religionsfragen nicht überstimmt werden.
Die Friedensabkommen bringen zudem einige territoriale Veränderungen mit sich. Das Heilige Römische Reich deutscher Nation tritt einige Gebiete (wie etwa im Elsass) an Frankreich und Schweden ab. Zudem entstehen zwei souveräne Staaten neu: Die Vereinigten Niederlande gewinnen nach ihrem Achtzigjährigem Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien die staatliche Souveränität. Der "Vrede van Munster" gilt als die Geburtsurkunde der Niederlande. Auch die Schweizer Eidgenossenschaft scheidet aus der Rechtshoheit des Reichsverbandes aus und wird somit de facto unabhängig.
Stabile Friedensordnung für mehr als ein Jahrhundert
Völkerrechtlich legt der Westfälische Frieden den Grundstein für ein modernes Prinzip: Die Gleichberechtigung souveräner Staaten, unabhängig von ihrer Macht und Größe. In der Politikwissenschaft gibt es den Begriff des "Westfälischen Systems" dafür. Weil hinter dem Friedensschluss auch die Großmächte stehen, schafft das Instrument eine gut 150 Jahre bestehende Friedensordnung in Europa, die erst wieder mit den Napoleonischen Feldzügen infrage gestellt wird.
Dass der Frieden die Politik leiten soll und nicht der Krieg - dieser Wunsch ist eingraviert in die Türklinken des Osnabrücker Rathauses: "Friede 1648" steht darauf und erinnert jeden, der eintritt, an dieses historische Datum vor 375 Jahren.