"Ausgrabungen sind etwas ganz Großes"
Geschichte hat Florian Dedio schon immer fasziniert. Als der Filmautor von den Grabungen am Harzhorn erfuhr, wollte er unbedingt einen archäologischen Krimi drehen. 2008 erhält das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege das erste Fundstück vom Harzhorn - die sogenannte Hipposandale, einen Vorläufer des Hufeisens. Eine wissenschaftliche Sensation.
NDR.de: Ab wann ist Ihnen klar gewesen, dass in der Geschichte ein Film stecken könnte?
Florian Dedio: Ich erfuhr Ende Mai 2009 von den geplanten Sommerausgrabungen und von der möglichen Tragweite der Entdeckungen am Harzhorn. Mit der Erkenntnis, dass hier 200 Jahre nach Varus die römische Geschichte in Deutschland anders verlief, als bisher angenommen, war für mich klar, dass das ein Stoff ist, der filmisch verarbeitet werden muss. Eine Woche später war ich bereits vor Ort.
NDR.de: Was hat Sie daran fasziniert und haben Sie gleich gewusst, wie Sie sie umsetzen können?
Dedio: Wenn man sich die Fernsehlandschaft heute anschaut, erkennt man, dass es im fiktionalen Bereich nach wie vor einen starken Hang zu kriminalistischen Untersuchungen gibt. Im Klartext: Tatort, Polizeiruf, CSI, Navy CIS und ähnliche Sendungen bestimmen zu einem beträchtlichen Teil unsere Sehgewohnheiten. Als ich die Archäologen vor Ort arbeiten sah, fiel mir die Ähnlichkeit ihrer Arbeit mit der Tatortarbeit von Polizei und Forensik auf. Damit war für mich klar, dass ich die Ausgrabung am Harzhorn als archäologischen Krimi inszenieren musste.
NDR.de: Wie unterscheiden sich anspruchsvolle nachgestellte Szenen der Geschichte (Reenactment) von weniger guten?
Dedio: Da gibt es für mich drei Kriterien. Erstens war für mich beim Reenactment von Anfang an Detailgenauigkeit ausschlaggebend. Sämtliche Ausrüstung, die im Film vorkommt, ist von den Archäologen und Fachberatern als authentisch abgenommen. Zweitens gibt es immer einen konkreten Bezug zu den Fundstücken, denn wir wollen schließlich Möglichkeiten des Geschehens am Harzhorn, die wir anhand der Funde vermuten können, bildlich darstellen. Dazu muss das Geschehen genau zu den Funden passen. So sieht man auch bei uns fast immer das ausgegrabene Relikt von heute in der damaligen Verwendung. Drittens muss das Reenactment dazu dienen, die Verwendung eines Fundes auf bildlicher Ebene verständlich zu machen. Mit einem Schuhnagel kann man wenig anfangen - bis man die stapfenden Füße der Legionäre mit den bis zu hundert fußballstollenartigen Nägeln in der Sohle sieht, die im Lager immer wieder "nachgenagelt" werden.
NDR.de: Wer sind Ihre Darsteller und wie kamen Sie an die detailreiche Ausrüstung?
Dedio: Für ein Projekt dieser Größenordnung ist man für die Spielszenen auf Reenactment-Gruppen angewiesen. Das sind Leute, die in ihrer Freizeit zu Römern und Germanen werden, sich die Ausrüstung beschaffen, durch Wälder marschieren und Lager bauen. Auch die Archäologie verdankt ihnen vieles, da sie die oftmals theoretischen Erkenntnisse der Archäologen praktisch testen und so beispielsweise helfen, die Funktionsweise von römischen Pfeilkatapulten zu verstehen. Wir haben das große Glück, dass es zum 3. Jahrhundert, in dem die Schlacht am Harzhorn stattfand, nur in Deutschland passende Reenactment-Gruppen gibt. Diese haben wir für die Spielszenen engagiert. Sie kamen aus dem gesamten Bundesgebiet, ein Reiter sogar aus Wien, und brachten ihre Ausrüstung größtenteils mit. Wo diese fehlte, aber wichtig war, haben wir sie anfertigen lassen - so geschehen bei einigen Schilden der Germanen und beim berühmten "Wagenteil".
NDR.de: Gab es Pannen bei den Zusammenstößen von "Römern" und "Germanen"?
Dedio: Der gesamte szenische Dreh lief glücklicherweise ohne Zwischenfälle ab. Der Regen begann zehn Minuten nach Drehschluss und eine Darstellerin holte sich ein blaues Auge, als ihr Pferd sie durch die Scheuklappe nicht sah. Sie sind dann beim Füttern mit den Köpfen gegeneinander gestoßen.
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Teil 1:
Florian Dedio über
... gute historische Spielszenen - Teil 2: ... die aufwendigen Dreharbeiten