100 Jahre: Stars lieben Hamburgs grüne Bühne im Stadtpark
Eine der schönsten Freilichtbühnen befindet sich seit 1924 im Hamburger Stadtpark. Über legendäre Auftritte und darüber, wie später das Stadtpark Open Air begann, hat Konzertveranstalter Karsten Jahnke 2016 mit dem NDR gesprochen.
Auch wenn er schon seit vielen Jahrzehnten Konzerte in Hamburgs "grünem Wohnzimmer" Konzerte veranstaltet, kommt Karsten Jahnke noch immer ins Schwärmen, wenn er von der Bühne spricht: umgeben von einer großen Buchenhecke und hohen Bäumen. "Die Stadtpark-Bühne ist die angenehmste Spielstätte in Hamburg. Sie hat Charme und ist auch aus nostalgischen Gründen besonders für mich - denn hier hat alles angefangen", sagt der Konzertveranstalter.
Einzigartige Atmospähre in Hamburgs "grünem Wohnzimmer"
"Die Atmosphäre ist einzigartig. Man sieht von überall gut. Und auch wenn 4.000 Zuschauer reinpassen - die Konzerte sind immer sehr intim. Am schönsten ist es, wenn die Konzerte bei Sonnenschein anfangen und im Dunkeln enden."
Bühne entsteht nach Planschbecken-Bau
Die Freilichtbühne im Hamburger Stadtpark hat bereits eine 100-jährige Geschichte. Sie entstand durch Lehmabbau für das Planschbecken in einer Senke im nordöstlichen Waldbereich und wurde 1924 eingeweiht. Damals fanden dort neben Konzerten auch Theateraufführungen oder Tanzdarbietungen statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es zunächst keine Veranstaltungen - erst ab 1952 wurde auf der Freilichtbühne wieder musiziert, gesungen, Theater gespielt und getanzt.
Karrierestart mit "Jazz im Stadtpark"
Der Startschuss für Jahnkes erfolgreiche Karriere war die Reihe "Jazz im Stadtpark" von 1959 bis 1963, wo Hamburger Amateurbands spielten und Jahnke die Programmgestaltung machte. Eine Bühne mit Dach gab es noch nicht, die Musiker standen auf einem Podest unter einer großen Ulme. 1963 war es allerdings vorbei mit der Veranstaltungsreihe, weil immer wieder Rockergruppen auftauchten und Jazz-Fans verprügelten. "Bei 50 Pfennig Eintritt konnten wir uns damals keine Ordner leisten. Deshalb mussten wir das leider einstellen", erinnert sich Jahnke. Mitte der 1970er-Jahre rief er dann das bis heute erfolgreiche Stadtpark Open Air ins Leben. Die Konzertreihe lockt jährlich etwa 100.000 Besucher an.
Erstes Konzert in Musikhalle verlegt
Das erste Konzert sollte im Juni 1975 unter anderem mit den Bands Ougenweide, Planxty und Steeleye Span im Stadtpark stattfinden. Doch es regnete - und auf Wunsch der irischen Band Planxty wurde die Veranstaltung in die Musikhalle verlegt. Die war zwar fast ausverkauft, aber Hunderte Leute kamen dennoch zum Stadtpark. Jahnke: "Da habe ich mir geschworen, nie wieder ein Open-Air-Konzert zu verlegen. Der Umzug damals war ein Fehler."
Open Airs am Nachmittag für junge Eltern
So richtig los ging es im Stadtpark dann 1976. "Am Anfang war die Idee, dass junge Eltern dorthin gehen können, ohne sich um Babysitter kümmern zu müssen. Denn die Konzerte begannen um 15 Uhr und waren am Wochenende." In den Anfangsjahren waren es noch acht bis zehn Veranstaltungen pro Saison, seit den 1990er-Jahren ist die Zahl auf etwa 30 im Schnitt gestiegen und die Konzerte finden fast nur noch abends statt.
"Anfangs hatten wir einige Lärmbeschwerden, mittlerweile ist die Anlage so eingestellt und sind die Boxen so ausgerichtet, dass man außerhalb des Stadtparks eigentlich nichts mehr hört und sich keiner mehr beschwert", sagt Jahnke. Es gebe nach wie vor Lärmauflagen, ein Messgerät sei deshalb immer im Einsatz. "Der Sound ist aber eigentlich immer exzellent."
Musikfans picknicken auf Wiese nebenan
Steht der Wind günstig, hört man die Musik auch auf der Wiese neben der Konzertarena immer noch gut. Sehen kann man die Künstler von dort zwar nicht, dennoch finden sich bei gutem Wetter immer wieder zahlreiche Menschen ohne Konzertticket ein, um wenigstens in den Genuss der Musik zu kommen. Viele haben dann Decken, Klappstühle, Picknickkörbe und Getränke dabei.
Gabriel ein Highlight für Jahnke
Denkwürdige Konzerte habe es viele gegeben. Es sei schwer, da etwas herauszupicken, so Jahnke. "Ich bin ein Fan von Peter Gabriel - sein Konzert war deshalb ein Höhepunkt für mich. Toll war auch ein Jazzkonzert mit sensationeller Besetzung: Pat Metheny, Herbie Hancock, Dave Holland und Jack deJohnette standen zusammen auf der Bühne."
The Cure warten auf Unwetter
Ein legendäres Konzert spielten auch The Cure. "Sänger Robert Smith saß lange in seinem Wohnwagen und wartete fast zwei Stunden. Es zogen pechschwarze Wolken auf", so Jahnke. "Als es heftig anfing zu regnen, ging die Band auf die Bühne. Die Weltuntergangsstimmung war nach dem Geschmack von Smith." An solche Konzerte erinnere man sich besonders, meistens sei die Stimmung bei Regen sogar besser. "Ich erinnere mich auch an ein Konzert von Mark Knopfler. Es hatte drei Wochen nicht geregnet - aber dann umso heftiger."
Orkan bei Wir sind Helden
Wegen schlechten Wetters mussten bisher nur zwei Konzerte abgesagt werden. Bei Wir sind Helden fegten 2011 Orkanböen mit mehr als neun Windstärken über den Stadtpark, aus Sicherheitsgründen musste der Auftritt abgebrochen werden. Auch ein Konzert von Helge Schneider fiel aus - bei einem Unwetter war Wasser durch ein Leck ins Mischpult gelaufen.
Bootsy Collins sorgt für Unmut
Zu den unerfreulichen Momenten in der langen Stadtpark-Konzertgeschichte zählt Jahnke vor allem den Auftritt von Bootsy Collins im Jahr 1998. "Er kam fast zwei Stunden später und sagte, er hätte den Stadtpark nicht gefunden. Als er endlich auf die Bühne ging, lag ein Brummen auf dem Sound. Der Techniker sagte, er brauche fünf Minuten, um das Problem zu lösen. Da ging Collins von der Bühne und haute ab. Da haben die Leute ihr Eintrittsgeld zurückbekommen."
Merkwürdig sei auch der Auftritt vom American Dance Theatre 1985 gewesen. Die 2.000 Zuschauer mussten zunächst lange warten, weil die Tänzer viel zu spät kamen. "Dann haben sie nur 15 Minuten getanzt und sind abgehauen. Warum, weiß ich bis heute nicht", sagt Jahnke.
Jackson Browne: "Der herrlichste Platz auf Erden"
Dabei sind nicht nur Jahnke und die Hamburger Musikfans angetan von der Bühne - auch fast alle Künstler sind begeistert. Jackson Browne schrieb beispielsweise: "Es ist der herrlichste Platz auf Erden. Es ist immer wieder fantastisch. So eine Atmosphäre gibt es sonst nirgendwo."
Die Liste der Weltstars, die im Stadtpark aufgetreten sind, ist lang. Ob James Brown, Dave Gahan, Santana, Lady Gaga, Sting, Neil Young, Nick Cave, Patti Smith, Bob Dylan, Johnny Cash oder The Who - fast alle waren da. Viele Wünsche für die Stadtpark-Bühne hat Jahnke deshalb eigentlich nicht mehr offen: "Adele wäre nicht schlecht. Stevie Wonder oder Tom Petty würde ich hier auch gerne mal sehen." Letzterer ist allerdings 2017 gestorben.
Schwanensee im Stadtpark als Vision
Eine Vision von Jahnke ist auch eine Aufführung von Schwanensee. "Aber das war mir bisher immer zu unsicher - das Risiko ist zu groß." Auch einen Block von mehreren bestuhlten Konzerten könnte sich Jahnke vorstellen. Das gehe aber zu Lasten der Kapazität und sei recht teuer. Ändern müsse sich eigentlich nicht viel: "Die Bühne ist attraktiv genauso so wie sie ist."
"Dafür bin ich Konzertveranstalter geworden"
2016 sagt Jahnke dem NDR: "Ich bin immer da - es sei denn, ich bin im Urlaub oder krank. Auch wenn mir die Musik mal nicht so gefällt: Es ist toll zu sehen, wenn die Menschen begeistert sind - genau dafür bin ich Konzertveranstalter geworden."