Vom Ostsee-Kind zum Bundespräsidenten
Joachim Gauck erlebt eine Kindheit an der Ostsee: Geboren am 24. Januar 1940 in Rostock, wächst er in Wustrow auf der Halbinsel Fischland auf. Als Baby schreit der kleine Joachim viel, ist ständig hungrig und ein richtiger kleiner Nimmersatt, berichten Mutter und Geschwister. Bald wird sein Vater, der Kapitän ist, zur Kriegsmarine eingezogen.
Oma Antonie wohnt nur wenige Minuten entfernt in ihrem reetgedeckten Haus am Deich, ganz nah am Strand. Das Haus wird nach Kriegsende enteignet und ist erst seit den 90er-Jahren wieder im Besitz der Familie Gauck. Joachim Gaucks Schwester vermietet darin bis heute Ferienwohnungen, auch Mitglieder der Familie selbst machen hier Urlaub.
Schwere Zeiten ohne Vater
Nach dem Krieg kommt Gaucks Vater aus britischer Gefangenschaft zurück. Für einige Jahre kehrt so etwas wie Normalität ein, die Familie zieht nach Rostock, der Vater arbeitet im Seehafen. Doch dann wird Joachims Vater 1951 ohne Vorwarnung aufgrund falscher Spionage-Anschuldigungen abgeholt und nach Sibirien verschleppt. Eine Katastrophe - auch für die Mutter und ihre mittlerweile vier Kinder. Sie sind angewiesen auf Sozialunterstützung der Stadt, auch Verwandte und Freunde greifen ihnen unter die Arme. Die Mutter wird immer verzweifelter, Joachim hilft, wo er kann.
Freiheit wird zum zentralen Wert
Allen in der Familie ist klar, ein System, in dem ein Mensch einfach verschleppt werden kann, ist in keinster Weise unterstützungswürdig. In seinem Erinnerungen-Buch "Winter im Sommer - Frühling im Herbst", erschienen 2009 im Siedler Verlag, schreibt Gauck dazu:"Das Schicksal unseres Vaters wurde zur Erziehungskeule … 'Wenn euch jemand fragt, wann ihr in die Pioniere eintretet', schärfte Mutter uns Kindern wiederholt ein, 'dann antwortet ihr: Ihr könnt nachfragen, wenn wir wissen, wo unser Vater ist und wann er wiederkommt.'"
Alle Bemühungen der Mutter bei den Behörden, ihren Mann nach Hause zu holen, schlagen fehl. Am Ende führt eine Initiative Konrad Adenauers in Moskau zur Freilassung Tausender Gefangener, Gaucks Vater ist einer davon. Er kommt zurück nach Rostock, gezeichnet vom Arbeitslager. Für Joachim Gauck wird Freiheit zum zentralen Wert seines Lebens.
Der Pastor und Familienvater Gauck
In der Schulzeit zeigt Joachim Gauck sich aufmüpfig. Nie gehört er der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und den Jungen Pionieren an, noch dazu gilt sein Vater weiter als Regimegegner. Joachims Studientraum Germanistik bleibt ihm verwehrt. Der Ausweg ist das Studium der Theologie, er betrachtet sie "als einen Zweig der Philosophie". Aus seinem Plan B macht Gauck eine ganze Menge: Nach dem Vikariat in Laage wird er evangelisch-lutherischer Pastor in Lüssow. 1970 traut ihm die Kirche zu, im Neubaugebiet Evershagen eine eigene Gemeinde aufzubauen.
- Teil 1: Prägende Erlebnisse in der Kindheit
- Teil 2: Pfarrer Gauck erreicht die Menschen
- Teil 3: Als "jemanden gaucken" zum festen Begriff wurde