Das Presse-Bild zeigt Hans Leipelt, einen Widerstandskämpfer der "Weißen Rose" gegen den Nationalsozialismus im Film "Die Widerständigen - also machen wir das weiter"; Dokumentarfilm von Katrin Seybold und Ula Stöckl, Deutschland, 2014. © picture alliance/United Archives Foto: Publicity Still

Vor 80 Jahren: Nazis töten Widerstandskämpfer Hans Leipelt

Stand: 10.01.2025 10:40 Uhr

1943 schließt sich der Hamburger Student Hans Leipelt der Widerstandsgruppe Weiße Rose gegen das NS-Regime an. Am 29. Januar 1945 wird er hingerichtet - wegen "Wehrkraftzersetzung und Volksverhetzung".

von Irene Altenmüller

Hans Leipelt, Chemiestudent aus Hamburg, aufgewachsen in den Stadtteilen Harburg und Wilhelmsburg, wurde nur 23 Jahre alt. Die Nazis ließen am 29. Januar 1945 in München-Stadelheim mit dem Fallbeil hinrichten - wegen "Wehrkraftzersetzung und Volksverhetzung".

Halbjude Leipelt: Aus der Wehrmacht entlassen

Porträtfoto von Hans Leipelt © Angela Bottin
Kurz vor Kriegsende wurde der Hamburger Student Hans Leipelt von den Nazis in München-Stadelheim ermordet.

Vielen Hamburgern ist der Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime bis heute unbekannt. Dabei wuchs Leipelt nicht nur in Hamburg auf, er war auch maßgeblich beteiligt am Hamburger Zweig der Widerstandsgruppe Weiße Rose. Ein Stolperstein vor dem Hauptgebäude der Hamburger Universität, eine Gedenktafel im Foyer des Audimax sowie eine weitere Tafel vor der Stadtteilschule Wilhelmsburg erinnern heute an den Studenten.

Geboren wird Hans Leipelt am 18. Juli 1921 in Wien. Seine Eltern Konrad und Katharina - er Diplomingenieur, sie promovierte Chemikerin - ziehen nach Hamburg, wo der Vater zunächst eine Anstellung bei der Norddeutschen Affinerie (heute: Aurubis) bekommt und später Technischer Direktor der Zinnwerke Wilhelmsburg wird. Nach dem Abitur 1938 an der Wilhelmsburger Oberschule (heute Stadtteilschule Wilhelmsburg) meldet sich Hans zunächst freiwillig zum Reichsarbeitsdienst und danach zur Wehrmacht, mit der am Frankreichfeldzug teilnimmt.

Im Juni 1940 erhält er für seinen Einsatz das Eiserne Kreuz. Nur zwei Monate später wird er aus der Wehrmacht entlassen. Der Grund: Er ist ein sogenannter Halbjude. Seine Mutter, die wie bereits die Großeltern evangelischen Glaubens ist, gilt nach nationalsozialistischer Lesart als Jüdin, da die Großeltern gebürtige Juden waren.

Wechsel von Hamburg nach München

Das Hauptgebäude der Universität Hamburg. © dpa Foto: Maurizio Gambarini
In Hamburg durfte Leipelt als "Halbjude" nicht weiterstudieren. Eine von vielen Diskriminierungen, die der Student erfuhr.

Hans nimmt noch im selben Jahr ein Chemiestudium an der Hamburger Universität auf, doch auch das darf er als Halbjude schon bald nicht mehr fortsetzen. Er wechselt an die Münchner Universität, wo er bei Heinrich Otto Wieland weiterstudieren kann, der sich als bekannter Chemie-Nobelpreisträger leisten kann, die geltenden Vorschriften zu ignorieren und auch Halbjuden auszubilden.

"Die Ausgrenzung traf ihn tief"

Die Nazi-Repressalien nehmen unterdessen weiter zu. Leipelts vier Jahre jüngere Schwester muss 1942 die Schule verlassen, die Großmutter wird in das KZ Theresienstadt deportiert, wo sie später stirbt. Als im September 1942 überraschend Konrad Leipelt, Hans Leipelts Vater, an einem Herzschlag stirbt, verliert die Familie den letzten Schutz, den ihr die "Mischehe" mit einem "Arier" garantiert hatte. Kurz darauf wird Katharina Leipelt aufgefordert, sich zur Zwangsarbeit bei einer Futtermittelfirma in Hamburg-Harburg zu melden.

Die unmenschliche Ideologie der Nationalsozialisten und die fortschreitende Entrechtung der Juden lassen Leipelt seinen Weg in den Widerstand finden. Seine Kommilitonin und Freundin Marie-Luise Jahn, wie Leipelt ebenfalls im Widerstand engagiert, erinnerte sich Jahre später: "Diese Ausgrenzung traf ihn tief, und seine Stimmung schwankte ständig zwischen ohnmächtiger Wut und Aggressivität gegenüber der menschenverachtenden Ideologie und Politik des Nazi-Regimes."

Bodendenkmal des Künstlers Robert Schmidt-Matt in München als Mahnmal für die Mitglieder der "Weißen Rose". Aufnahme von 2012. © picture alliance / akg-images Foto: akg-images / Jürgen Raible
AUDIO: Das Ende der "Weißen Rose" (15 Min)

"Und ihr Geist lebt trotzdem weiter!"

Im Februar 1943 kommt Hans Leipelt an ein Flugblatt der in München agierenden studentischen Widerstandsbewegung Weiße Rose. Es ist das sechste und letzte der Geschwister Hans und Sophie Scholl sowie ihres Mitstreiters Christoph Probst. Kurz darauf werden sie verhaftet und hingerichtet. Leipelt und Marie-Luise Jahn beschließen, den Widerstand der Weißen Rose fortzusetzen. Sie vervielfältigen das Flugblatt, das sie mit dem Zusatz "Und ihr Geist lebt trotzdem weiter!" versehen, und verteilen es auch in Hamburg. Außerdem sammeln sie Geld für die Witwe Professor Kurt Hubers, der ebenfalls zur Widerstandsgruppe Weiße Rose gehörte und im Juli 1943 hingerichtet wurde. Zu ihren Mitstreitern in Hamburg gehören auch Leipelts Mutter sowie Margaretha Rothe, Reinhold Meyer und Elisabeth Lange.

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Mit 23 Jahren zum Tode verurteilt

Am 8. Oktober 1943 werden Hans Leipelt und Marie-Luise Jahn denunziert und verhaftet. Erst ein Jahr später, am 13. Oktober 1944, verkündet der Volksgerichtshof in Donauwörth das Todesurteil für Leipelt. Marie-Luise Jahn erhält zwölf Jahre Zuchthaus, nachdem Leipelt in der Verhandlung alle Schuld auf sich genommen hat, um sie zu entlasten. Am 29. Januar 1945 wird er in München-Stadelheim hingerichtet - am selben Ort, an dem zuvor bereits die Geschwister Scholl starben.

40 weitere Mitglieder der Weißen Rose in München und Hamburg werden ebenfalls im Herbst 1943 verhaftet, darunter auch Leipelts Mutter Katharina und seine Schwester Maria. Sie werden in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel gebracht. Dort wird Katharina nur zwei Tage nach ihrer Verhaftung tot aufgefunden. Die Todesumstände sind nicht vollständig geklärt, vermutlich nahm sie sich das Leben. Leipelts Schwester und Marie-Luise Jahn überleben den Nazi-Terror und werden kurz vor Kriegsende von US-Truppen aus der Haft befreit.

Doku über die Zeitzeugen der "Weißen Rose"

2014 kommt ein Dokumentarfilm über die Zeitzeugen der "Weißen Rose" heraus. In "Die Widerständigen - also machen wir weiter" von Ula Stöckl und Katrin Seybold schildern sie, wie sie nach dem Tod der Geschwister Scholl weiter Widerstand gegen das Hitler-Regime geleistet haben. Der Bayrische Rundfunk bezeichnet die Doku als "ein Manifest des Widerstandes und der Zivilcourage für den Erhalt von Freiheit und Demokratie".

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NDR 1 Niedersachsen | 18.02.2023 | 09:20 Uhr

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