Vor 50 Jahren stürzt Transall-Maschine auf Kreta ab
An Bord des Bundeswehr-Flugzeugs waren in Süderbrarup stationierte Soldaten. Niemand der Insassen überlebte den Absturz am 9. Februar 1975 auf der Mittelmeerinsel. Noch heute wird an die Opfer erinnert.
Am 9. Februar 1975 stürzt eine Transall-Maschine der Bundeswehr im Anflug auf die griechische Insel Kreta in den schneebedeckten Hang des Malotyra. In dichtem Schneetreiben verlieren insgesamt 42 Soldaten ihr Leben. Unter den Flugzeuginsassen sind 35 Angehörige der 1. Staffel des Flugabwehrraketenbataillons 39 aus Süderbrarup. Sie sollen an einer Übung teilnehmen.
"Ich wollte ihm unbedingt Tschüs sagen"
Auch Berthold Mittler fliegt mit einer Transall C-160 vom Flugplatz Hohn in Schleswig-Holstein nach Kreta. Sein Sohn Jürgen ist damals zwölf Jahre alt. Wenn sein Vater zu Auslandseinsätzen am frühen Morgen in Süderbrarup aufbrach, schlief Jürgen als Kind meistens.
"Diesmal wollte ich ihm unbedingt Tschüs sagen. Ich musste also geweckt werden. Und er hat mich in den Arm genommen und dann nur noch zu mir gesagt: 'Pass mir auf meine zwei Frauen auf.' Also sprich: meine Mutter und meine Schwester. Das war auch untypisch für ihn, sonst hat er immer zu mir gesagt: 'Mach, dass das die Kirche im Dorf bleibt'", sagt Jürgen Mittler dem NDR im Februar 2025.
Vater wäre gern zu Hause geblieben
Insgesamt 42 Soldaten sitzen damals an Bord der Transall. Unter ihnen ist der 36 Jahre alte Berthold Mittler: "Aus Erzählungen eines Wachmanns aus Hohn weiß ich, dass mein Vater als einer der letzten Passagiere in die Maschine eingestiegen ist, auch mit den Worten ihm gegenüber 'Ich wäre froh, wenn ich nicht mit nach Kreta fliegen müsste'", berichtet Jürgen Mittler. Insgesamt starten an diesem 9. Januar 1975 drei Transall-Maschinen Richtung Süden.
Gewissheit erst nach zwei Tagen
Jürgen Mittler zufolge sollten die Flugzeuge gegen 16.30 Uhr auf Kreta landen. "Das ist aber auch ungefähr der Zeitpunkt, wo die Maschine verunglückt ist, weil die Uhren von den Verunfallten um 16.18 Uhr stehengeblieben sind." Lange Zeit ist unklar, welche der drei Transall-Maschinen am Berg zerschellt ist. Erst nach zwei Tagen ist klar: Es ist die Maschine, in der auch Jürgens Vater gesessen hat. Sie ist bei heftigem Schneetreiben zwei Minuten zu früh in den Sinkflug gegangen. In einer Höhe von 1.700 Metern kollidiert das Flugzeug mit der schneebedeckten Gebirgskette. Als Unglücksursache wird später ein Navigationsfehler angenommen.
Riskante Bergungsarbeiten
Griechische und deutsche Suchtrupps, sowie Schiffe und Flugzeuge der USA beteiligten sich laut Bundeswehr an der Suche der Trümmer sowie der zu bergenden Toten. ARD-Journalist Ernst Dieter Lueg fragt damals den zuständigen Bundesverteidigungsminister Georg Leber (SPD), wie sich die Bergungsarbeiten in dem sehr schwierigen, problematischen Gebiet gestalten. "Ich bin mit den Gebirgsjägern in dem Massiv gewesen. Es ist nur möglich, mit Seilsicherung da zu arbeiten, es ist ein sehr steiler Hang. Die Trümmer des Flugzeugs sind über eine weite Fläche verteilt. Die Arbeit ist nicht risikolos, ist heute sogar unter dem Einfluss von Sonneneinstrahlung, die Lawinen auslösen können, eingestellt worden, um nicht neue Opfer zu riskieren", berichtet der Politiker. Es dauert eine Woche, bis alle Toten geborgen und identifiziert sind. 35 der verunglückten Soldaten kommen aus Süderbrarup. Die Gemeinde verliert damals Ehemänner, Väter, Freunde, Kameraden.
Später wird Verteidigungsminister Leber 48 Angehörige der Bundeswehr wegen ihres Rettungseinsatzes mit dem Bundesverdienstkreuz auszeichnen.
"Dann ist man schon geschockt"
Zwei Tage vor dem Unglück ist genau die verunglückte Maschine noch zu einem Rundflug über Schleswig-Holstein gestartet. An Bord sind Soldaten wie der damals Wehrpflichtige Bodo Dischereit. Der Heikendorfer erinnert sich noch genau an den Flug: "Wenn man das im Radio hört, im Fernsehen sieht oder in der Zeitung liest, dann ist man schon geschockt, gerade bei 42 Leuten", berichtet Dischereit. Und er habe noch das Gesicht eines Soldaten vor Augen, "wie er freudestrahlend sagte: 'Wir fliegen nach Kreta'."
Transall ist Geschichte - Erinnerung bleibt
2021 wird das Lufttransportgeschwader 63 in Hohn aufgelöst, ein Jahr später die letzten drei Transall nach Australien verkauft. Bis heute erinnert die Traditionsgemeinschaft LTG 63 an das Transall-Geschwader. Neben einem Ehrenmal in Süderbrarup gibt es auf dem Soldatenfriedhof Maleme auf Kreta drei Erinnerungstafeln. Sie tragen die Namen der Besatzung des abgestürzten Flugzeugs.
Jürgen Mittler geht nach dem Tod seines Vaters selbst zur Bundeswehr. Berührungsängste mit der Transall oder der Insel Kreta hat er dabei nie gehabt: "Ich bin in den gleichen Verband damals gekommen wie mein Vater war. Ich war selber auch acht, neun Mal als Soldat da unten, also von daher kenne ich die Gegebenheiten vor Ort sehr gut, und es hat mir eigentlich nie was ausgemacht. Das hat mir irgendwo ein bisschen auch bei der Trauerbewältigung geholfen."
Auf dem Flugplatz Hohn gibt es immer noch jedes Jahr 5.000 Flugbewegungen. Nur die Transall ist weg. Bundeswehr-Geschichte.
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