Martin Haller: Der Architekt, der Hamburg ein Gesicht gab
Martin Haller prägte Hamburg architektonisch wie kaum ein anderer. Der selbsternannte "Privat- und Luxusarchitekt" entwarf mehr als 500 Gebäude in der Hansestadt. Zu den bekanntesten gehören Rathaus und Laeiszhalle.
Ob Rathaus oder Laeiszhalle, Bank- und Kontorhäuser oder Alster-Villen - der Architekt Martin Emil Ferdinand Haller prägt Hamburg im 19. und frühen 20. Jahrhundert wie nach ihm nur noch Fritz Schumacher und gibt der Hansestadt ein Gesicht aus Stein und Marmor. Als selbsternannter "Privat- und Luxusarchitekt" entwirft er mehr als 500 Neu- und Umbauten in der Stadt und verantwortet die meisten Projekte auch als Bauleiter.
Hamburgs neues Rathaus wird zum Lebenstraum
Vom ersten bis zum letzten Tag ist Haller Kind der Hansestadt. Am 1. Dezember 1835 als Sohn des späteren Ersten Bürgermeisters Nicolas Ferdinand Haller geboren, interessiert er sich schon früh für Architektur. Und er will hoch hinaus: Nachdem das alte Rathaus beim Großen Brand 1842 zerstört worden war, weiß Haller schnell, was er entwerfen will: Das neue Regierungsgebäude wird dem selbstbewussten Jungen zur Lebensaufgabe.
Ein erster Entwurf als 18-Jähriger
"Haller hat an drei Wettbewerben teilgenommen", weiß Karin von Behr, die 2019 die erste Biografie über den Architekten veröffentlicht hat. Das erste Mal bewirbt er sich mit seinen Plänen bereits als 18-jähriger Gymnasialschüler. Als Hallers Vater damals sieht, welches Talent sein Sohn hat, lässt er ihn von Behr zufolge sogar von der Schule krankschreiben, um an den Entwürfen arbeiten zu können. Doch Hallers Einreichung wird abgelehnt - und damit ergeht es ihm wie zahlreichen anderen Architekten seinerzeit: Fast 200 Entwürfe für das neue Rathaus lehnt die Stadt zunächst ab.
Haller bricht mit seinem Lebenswerk
Einen zweiten Anlauf unternimmt Haller 1876, scheitert mit seinen Ideen aber erneut. Der dritte Versuch allerdings wird zum Coup: Haller schließt sich mit seinen Konkurrenten zusammen, gründet 1880 den Rathausmeisterbund und kann den Senat mit dem opulenten Entwurf der Architekten-Vereinigung endlich überzeugen. Unter Hallers Federführung entsteht schließlich das neue Rathaus, das am 26. Oktober 1897 eingeweiht wird. Bei weiteren Bauarbeiten wird am ursprünglichen Entwurf angeblich aber so viel geändert, dass Martin Haller mit seinem Lebenswerk bricht. Bis zu seinem Tod 1925 soll er das Gebäude nicht mehr betreten haben.
Vom modernen Kotorhaus bis zum Vergnügungstempel
Auch für den Wiederaufbau der 1906 durch einen Brand zerstörten Hauptkirche St. Michaelis ist Haller zuständig. Und er entwirft ultramoderne Kontorhäuser wie den Dovenhof mit genialen Innovationen: Elektrisches Licht, Zentralheizung, Rohrpostleitungen zum Hafen und Paternoster faszinieren seine Kunden. Ebenso wie die kreativen Fassaden wie zum Beispiel die des Afrikahauses - ein Büro-Gebäude, in dessen Innenhof zwei große Elefanten-Skulpturen die Tür umrahmen. "Er hatte eine besondere Fantasie, es den Mietern bequem zu machen", so Biografie-Autorin von Behr. "Er hatte spektakuläre Ideen - Einfälle, die sonst einfach keiner hatte. Die Leute sprachen drüber und es war für die Stadt jeweils eine kleine Sensation."
Der Architekt sprudelt über vor Einfällen und lässt sie einfließen in Banken am Adolphsplatz, Vergnügungstempel wie den Alsterpavillon und das Uhlenhorster Fährhaus und auch die Laeiszhalle (ehemals Musikhalle Hamburg).
Architekt mit Leidenschaft für Luxusvillen
Hinzu kommt Hallers berufliche Leidenschaft für extravagante Privat- und Luxusvillen. "Sein Spezialfach", so Biografin von Behr. Eine wahre Perlenkette davon entsteht etwa an der Alster - für die Reichen der Stadt wie am Fließband produziert. Zu Hallers Kunden gehören wohlhabende Kaufleute wie die Ohlendorffs, Bankiers wie die Warburgs oder das amerikanische Ehepaar Budge. Ob Budge Palais, die Villa Krogmann (heute Heine-Villa), das Gästehaus des Senats, das heutige US-Generalkonsulat oder der heutige Anglo-German Club Hamburg - jedes Objekt ist ein Unikat.
Lebenserinnerungen auf 1.100 handbeschriebenen Seiten
Nach mehr als 500 Neu- und Umbauten stirbt Martin Haller am 25. Oktober 1925 in seiner Heimatstadt. Seine letzte Ruhe findet er auf dem Friedhof Ohlsdorf. Neben der nachhaltigen Prägung des Hamburger Stadtbilds hinterlässt Haller auf rund 1.100 handgeschriebenen Seiten auch seine Lebenserinnerungen. Darin berichtet er unter anderem von seinem familiären Umfeld, seinen Jugendjahren und über die baulichen Veränderungen rund um die Binnenalster. Seit 1963 liegen die Blätter im Staatsarchiv und sind 2019 zudem als Buch erschienen.