Karl Dall: Der knorrige Komiker aus Ostfriesland
Norddeutsch, knorrig, schonungslos: Karl Dall war ein Lästermaul. Der Komiker polarisierte stark und verprellte so manchen Star und auch mal das Publikum. Privat gab sich der gebürtige Emder jedoch sanfter.
Der "Spiegel" hat ihn mal den "Zyklop im Weichteil-Paradies" getauft. Und niemand weiß genau, ob Karl Dall sich durch solche Spitznamen verletzt oder geadelt fühlt. Fest steht: Der Wahl-Hamburger war ein Lästermaul. Fest steht zudem: Er hat immer polarisiert.
Hänseleien wegen seines hängenden Augenlids
Als Karl Bernhard Dall am 1. Februar 1941 in Emden das Licht der Welt erblickt, tut er das bereits nur mit dem linken Auge. Das rechte bleibt drei Jahre verschlossen. Grund: eine angeborene Lidmuskelschwäche. Seine Mitschüler hätten ihn wegen des hängenden Auglids oft gehänselt, erzählt er einmal in einem Interview. Deshalb habe er "schon früh Humor entwickeln" müssen, um mit der Situation umgehen zu können. Das "Hängeauge" wird später zu seinem markantesten Kennzeichen.
Bevor Karl Dall aber sein humoristisches Talent entdeckt, lernt der Sohn eines Schuldirektors und einer Lehrerin erst einmal Schriftsetzer bei der "Ostfriesen-Zeitung" in Leer. Von dort zieht es ihn in den 1960er-Jahren in die Welt - das heißt, immerhin bis nach West-Berlin.
Blödelbarde mit Insterburg & Co.
Mit Gelegenheitsjobs verdient sich Dall in den 60ern seinen Lebensunterhalt, trifft irgendwann auf Ingo Insterburg. Gemeinsam mit Peter Ehlebracht und Jürgen Barz treten die vier ab 1967 als Insterburg & Co. auf. Das Quartett spielt auf - meist von Ingo Insterburg selbst gebauten - Instrumenten und singt dazu Blödel-Lieder. Der Endlossong "Ich liebte ein Mädchen" klingt den Fans auch heute noch in den Ohren. Zwölf Jahre können die kuriosen Typen ihren Erfolg genießen, dann ist die Luft raus und die Gruppe trennt sich.
Karl Dall versucht sich danach als Solist. Durchaus mit Erfolg: Nachdem "Diese Scheibe ist ein Hit" 1975 noch mit Unterstützung von Insterburg und Co. produziert wird, schaffen es zum Beispiel die Singles "Millionen Frauen lieben mich" (1988) und "Heute schütte ich mich zu" (1989) in die Charts. Meist spricht Dall bei seinen Blödel-Schlagern mehr, als dass er singt.
Fernseh-Erfolg mit "Verstehen Sie Spaß?" und "Dall-as"
1984 wird das Fernsehen auf ihn aufmerksam. Zusammen mit Paola und Kurt Felix legt er als Spaßvogel und Telefonschreck in "Verstehen Sie Spaß?" nichtsahnende Opfer herein. 1985 bekommt er eine eigene Talkshow bei RTL. Sieben Jahre nimmt er sich bei "Dall-as" prominente Gäste zur Brust. Wer ihm Paroli bietet, hat die Lacher auf seiner Seite. Wer nur ein Buch, eine Platte promoten will, hat schlechte Karten. Zum Eklat kommt es nicht selten. Zum Beispiel verlässt Roland Kaiser die Sendung, nachdem Dall ihn mit den Worten "Na, sing schon mal, damit wir es hinter uns haben" anmoderiert. Dem Gastgeber ist es egal, wie er bei den Gästen ankommt. Seine rotzige und zynische Art wird vom Publikum geliebt und sein Lebenswerk 1999 mit dem Comedypreis geehrt. 1992 wechselt Dall zu SAT.1 und führt seine Sendung unter dem Namen "Jux und Dallerei" fort.
Hinter jedem erfolgreichen Mann ...
Privat mag Dall es solide: Gut 40 Jahre lang gehört sein Herz Ehefrau Barbara. Er sagt, er wäre nichts ohne sie. Sie sagt auf die Frage, was schlimmer als ein Leben mit Karl Dall sei: zwei Leben mit ihm. Zu Hause ist der Entertainer nicht mehr das Lästermaul. Da ist er sanft und kommt zur Ruhe. Regelmäßig nimmt sich das Ehepaar Auszeiten, fährt an die Nordsee oder zur Familien-Mühle in Emden. Und so oft es geht, findet man die Dalls in Kanada. Nicht zur Bärenjagd, sondern zu Besuch bei Tochter Janina. Die Stuntfrau lebt dort zusammen mit ihrem Ehemann - 2007 macht sie ihren berühmten Vater zum Opa von Enkeltochter Nelina. Schon längst haben sich die Damen um Karl Dall damit abgefunden, dass er manchmal eine recht frauenfeindliche Art hat. "Pointe geht vor Familie", so erklärt er.
Karl Dall findet seine Paraderolle
Aber nicht nur im richtigen Leben ist Dall Großvater, auch auf der Bühne schlüpft der Entertainer 2012 in "Der Opa" in "die Rolle seines Lebens", wie er selbst sagt. Das Solo-Stück stammt aus der Feder des isländischen Erfolgsautoren Bjarni Haukur Thorsson. Dieser hat sich explizit Karl Dall für die Rolle gewünscht, der sich mit dem Alterungsprozess auseinander setzt und sich natürlich auch mit der Endlichkeit des Daseins vertraut macht. Angst vor dem Tod hat Dall eigenen Aussagen zufolge keine, obwohl er zu der Zeit die 70 längst überschritten hat. Auf der Bühne sterben wolle er allerdings auch nicht.
Prozess droht Karriere zu zerstören
Ende 2013 steht die lange Karriere von Karl Dall beinahe vor dem unerwarteten Aus. Wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs sitzt er vier Tage im schweizerischen St. Gallen in Untersuchungshaft. Knapp ein Jahr später findet vor einem Bezirksgericht in Zürich die Verhandlung statt. Der Prozess endet mit einem Freispruch für Karl Dall. "Zuerst spürte ich pure Erleichterung, dann kam Genugtuung hinzu", sagt der Entertainer damals der "Bild". Seit dem Vergewaltigungsvorwurf sei er 13 Monate durch die Hölle gegangen. Dall sei froh, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, seine Karriere zu zerstören. "Das hätte ich wohl nicht verkraftet." Bei der Frau handelt es sich um eine Stalkerin.
Danach lässt Karl Dall es etwas ruhiger angehen. Nach fast 50 Jahren auf deutschen Bühnen habe er sich nun von diesen verabschiedet, schreibt er zwischenzeitlich auf seiner Website. Zur Ruhe werde er sich aber nicht setzen: "Es gibt genügend Sachen die ich noch bewältigen möchte, wie zum Beispiel schreiben, filmen oder auch mal auf einer Gala erscheinen."
Letzte Rolle bei "Roten Rosen": Von Schlaganfall nicht mehr erholt
Anfang November 2020 übernimmt Karl Dall noch eine neue Rolle: In der ARD-Serie "Rote Rosen" spielt er den Alt-Rockstar Richie Sky. In Lüneburg, wo die Telenovela gedreht wird, erleidet er am 11. November einen Schlaganfall mit Hirnblutungen. Von diesem erholt er sich laut seiner Familie nicht mehr. "Trotz Einsatz aller technologischen und intensivmedizinischen Maßnahmen ist er heute friedlich eingeschlafen, ohne vorher noch einmal das Bewusstsein wiedererlangt zu haben", heißt es in dem Schreiben der Familie. Am 23. November 2020 verstirbt Dall, der lange in Hamburg-Eppendorf gewohnt hat, im Alter von 79 Jahren in der Hansestadt.