Der deutsche Volksschauspieler Henry Vahl mit Schiffermütze, Berlin 1971 © picture alliance / Sammlung Richter Foto: Sammlung Richter/LB

Henry Vahl: "Fernseh-Opa" der Nation und Ohnsorg-Star

Stand: 09.02.2024 11:00 Uhr

Henry Vahl war ein "Jung von der Waterkant". Er kam nur durch einen Zufall auf die Bühne. Der gelernte Werftarbeiter eroberte die Herzen seiner Zuschauer aber im Sturm - vor allem im Ohnsorg-Theater.

von Bernd Diekmann

Henry Vahl wird am 26. Oktober 1897 in Stralsund als Sohn eines Fischers geboren. Seine Schwester Lissy ist die Mutter von Edgar Bessen, der ebenfalls zum Star des Ohnsorg-Theaters wird. Schon als Kind steht Henry Vahl in seiner Geburtsstadt in mehreren Rollen auf der Bühne. Nachdem die Familie 1906 nach Kiel zieht, soll er Werfthandwerker werden. Doch abends ist Henry Vahl oft als Statist auf der Bühne im Einsatz. Als 1915 zwei Operettenkomiker erkranken, darf er einspringen. Das ist der Anfang seiner Bühnenlaufbahn.

1918 geht Vahl nach Lübeck zum Hansa-Theater, wo er Germaine Koch kennenlernt. Er verlobt sich mit ihr. Das Paar zieht 1920 nach Braunschweig, am 31. Januar 1925 findet dort die Hochzeit statt. 

Ab 1950 in Hamburg

In der Folge ist Henry Vahl an vielen Bühnen in Deutschland tätig: etwa in Bernburg an der Saale, Berlin, Karlsbad und ab 1950 in Hamburg. Einen Namen kann er sich in vier Jahrzehnten seiner Schauspielerzeit aber nicht machen. Das ändert sich 1958 schlagartig: Sein Stern geht auf, als er am Hamburger Ohnsorg-Theater für einen erkrankten Kollegen einspringt. In der Rolle des "komischen Alten" ist er so erfolgreich, dass er auf der Ohnsorg-Bühne mehr als 100 Rollen spielt.

Im Rentenalter wird Vahl zum Fernsehstar

Heidi Kabel mit Henry Vahl. © dpa - Bildarchiv Foto: Horst Ossinger
Heidi Kabel und Henry Vahl - diese Namen sind ganz eng mit dem Ohnsorg-Theater verbunden.

Die Zuschauer lieben Henry Vahl in der Rolle des schrulligen, alten Kauzes. Schlagfertig mit trockenem Humor - ein typischer "Jung von der Waterkant". Henry Vahl gilt als Hamburger Original. Seine eigentliche Karriere macht er mit nur wenigen Live-Übertragungen der Ohnsorg-Stücke im Fernsehen. Darin spielt er sich - gern an der Seite von Heidi Kabel - nicht nur in die Herzen der Hamburger Zuschauer, sondern erreicht ein bundesweites Publikum. Und das, obwohl er immerhin schon 68 ist, als er zum ersten Mal im Fernsehen zu sehen ist. So entsteht dann auch sein Spitzname "Opa der Nation".

1967 wird Vahl die Auszeichnung "Bronzener Bildschirm" verliehen. Von 1962 bis in die 1970er-Jahre tritt er oft in der beliebten NDR-Unterhaltungssendung "Haifischbar" auf. Erfolg hat Henry Vahl im Fernsehen mit dem zweiteiligen Krimi "Die rote Geldbörse" von 1966, in dem er eine Hauptrolle übernimmt.

Publikumsliebling mit Schwächen

Edgar Bessen, Henry Vahl und Werner Riepel (v.li.n.re.) in "Minsch sien mutt de Minsch", Spielzeit 1969/70. © Ohnsorg Theater
Henry Vahl (M.) spielt 1969/70 mit Edgar Bessen (l.) und Werner Riepel in "Minsch sien mutt de Minsch".

Henry Vahl ist bekannt dafür, dass er Schwierigkeiten mit dem Memorieren von Texten hat. Er ist zwar ein alter Theaterhase, aber vor der Zeit im Ohnsorg-Theater eher abonniert auf kleine Rollen. Im Ohnsorg-Theater steht er im Rampenlicht und spielt Hauptrollen. Seine "Hänger" werden legendär. Nicht nur einmal muss er auf den rettenden Zuruf aus der Kulisse warten.

Später verlassen sich die Verantwortlichen dann lieber auf die Wunder der Technik. Henry Vahl bekommt einen drahtlosen Empfänger ins Ohr, über den ihm die Texte souffliert werden. Leider überschneidet sich die hauseigene Frequenz mit dem Polizeifunk. Es kommt, wie es kommen muss: Henry Vahl hört von diesem "Mann im Ohr" die wiederholte Aufforderung: "Peter zehn, bitte kommen." Schließlich wird es Vahl zu bunt und er sagt laut auf der Bühne: "Peter, nun geh doch endlich mal ran, damit wir weitermachen können."

1972 Wechsel ans St.-Pauli-Theater

Henry Vahl als Zitronenjette © dpa / picture-alliance
Unvergessen ist Henry Vahl in seiner Paraderolle als "Zitronenjette". Die spielt er allerdings am St. Pauli Theater.

1972 verlässt Henry Vahl das Ohnsorg-Theater. Als offizieller Grund wird sein fortgeschrittenes Alter angegeben. Das Ensemble sollte verjüngt werden. Aber angeblich soll es zu Differenzen mit dem seit 1970 amtierenden Intendanten Günther Siegmund gekommen sein. Dieser soll sich nicht an ein Versprechen seines Vorgängers Hans Mahler an Vahl gebunden gefühlt haben, das Stück "Meister Anecker" noch einmal zu inszenieren und dem Volksschauspieler die Möglichkeit zu geben, sich in seiner Paraderolle von der Bühne zu verabschieden.

Vahl wechselt daraufhin zum St. Pauli Theater. Er übernimmt die Rolle der "Zitronenjette". Traditionsgemäß wird dieses weibliche Hamburger Original auf der Bühne von Männern gespielt wird. Vahl ist in dieser Rolle bis 1975 noch 168 Mal zu sehen.

Tod eines großen Volksschauspielers

1975 stirbt seine Frau Germaine, mit der er seit 1925 verheiratet ist. 1976 erleidet Henry Vahl einen Schlaganfall, von dem er sich nicht wieder erholt. Der große Volksschauspieler stirbt am 21. Juli 1977 im Alter von 79 Jahren an Kreislaufversagen. Er wird auf dem Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf beerdigt.

In Hamburg-Eimsbüttel, wo Henry Vahl gewohnt hat, ist eine Grünanlage ihm benannt: der Henry-Vahl-Park, der rund 3.200 Quadratmeter groß ist. Dort liegt auch ein Findling mit dem Namen Vahls. 2014 bekommt im Kieler Stadtteil Gaarden der Platz vor dem Haus Iltisstraße 49, in dem der Schauspieler in den Jahren von 1912 bis 1919 wohnte, den Namen Henry-Vahl-Platz.

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11.02.2017 | 20:15 Uhr

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