Der Nagel-Künstler und Maler Günther Uecker steht in seinem Atelier. © dpa Bildfunk Foto: Fabian Strauch

Günther Uecker. Der Künstler mit den Nägeln

Stand: 13.03.2020 10:04 Uhr

Farbe, Bretter, Rohre, Eimer: Jeder von uns kennt den Baumarkt in seiner Nähe. 1960 wurde der erste in Deutschland eröffnet. Seitdem tummeln sich dort auch immer mehr Künstler. Was alles daraus werden kann, hat Günther Uecker gezeigt.

Kontemplativ und krachmachend, besinnlich und belästigend zugleich ist seit über einem halben Jahrhundert die Kunst des Malers und Objektkünstlers Günther Uecker. Nach dem Krieg studiert der gebürtige Mecklenburger erst in Wismar, kommt Mitte der Fünfziger nach Düsseldorf an die Kunstakademie, wo er bleibt und später auch Professor wird.

Uecker will etwas völlig Neues schaffen

Zusammen mit Heinz Mack und Otto Piene gilt Günther Uecker als Hauptvertreter der Avantgardekunstbewegung, die sich ZERO nannte. Sie wollen nach dem Krieg von neuem anfangen, bei null, sich absetzen. Ueckers typische, einzigartige Nagelbilder entstehen: kreisförmig auf Holz genagelte oder auf eine Leinwand geprägte Felder aus Zimmermannsnägeln.

Je nach Lichteinfall und Schattenwirkung ergeben sie verwandlungsreiche Lichtobjekte, erinnern an Blumen oder Getreidefelder im Wind. Uecker haut die Nägel Ende der Fünfziger aber auch in Alltagsgegenstände: Fernseher, Kommoden, Möbel, Musikinstrumente. "Da muss ein Nagel reingeschlagen werden, damit da Widerstand erzeugt wird, so dass Kunst eindringen kann in die Banalität von Leben", erklärt Uecker seine Kunst.

Nägel bilden neue Oberflächen

Der Nagel, der nie allein auftritt und auftrifft, ist kein Mittel der Zerstörung, sondern lenkt den Blick, wandelt ihn. Er spaltet nicht, verbindet nicht Getrenntes, sondern bildet eine neue Oberfläche, wie ein Pelz, ein Fell, eine Art flächiger Kunst-Igel. Die Reliefbilder Ueckers wurden zumeist mit weißer Farbe geschlämmt oder zu Prägedrucken auf Büttenpapier, einer Art asiatischem Meditationsbild verarbeitet. Einmal färbt er auch in der Düsseldorfer Altstadt eine Straße weiß, damit die Schritte darüber in alle Richtungen nachzuverfolgen sind.

Auch Uecker selbst, der ruhige, freundliche Künstler, trägt zumeist weiße Maleranzüge, Latzhosen mit wallenden Capes darüber. "Es ist ja vielleicht noch eine gewisse Prägung aus der DDR, mich als Handwerker zu sehen und nicht als einen Intellektuellen, der sich was ausdenkt und dann geht der ins Atelier, versaut seine Klamotten und wird ein Künstler", so erklärt Uecker diese Angewohnheit.

Günther Uecker will Barrikaden in den Köpfen sprengen

Die Nägel, das Material, das vordergründig Repräsentant von Gewalt und Zerstörung ist, wird in den Reliefs von Günther Uecker zum Mandala einer Besinnung. Barrikaden des Geistigen sollen sie aufheben. Günther Uecker hat den Krieg erlebt, die Welt bereist und versteht sich auch als friedenspolitischer Botschafter, als pazifistischer Künstler.

Friedensarbeit und Umweltschutz sind ihm wichtig. Nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl entstehen seine Aschebilder. Aber: "Ich habe mich nie als Attackierer gesehen. Diese Aggression, die man mir unterstellte, ist eigentlich gar nicht vorhanden. Es ist Zärtlichkeit, die aber eine Impertinenz hat, eine Aufdringlichkeit. Diese Zärtlichkeit ist eine Liebessehnsucht", meint der Künstler selbst.

Leben ins Museum bringen

Die wilde Zeit der frühen Sechziger ist vorbei, als er mit Gerhard Richter und Bazon Brock Aktionen macht wie "Museen können bewohnbare Orte sein." Zu einer Zeit, als der abstrakte Expressionismus und das Informelle in der Kunst beherrschend waren, entwickelt Günther Uecker seinen Materialminimalismus, der ihn weltberühmt macht. Nach den großen Manifesten aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts schließt er an die visionären, utopischen und geistigen Auffassungen von der Kunst wieder an. Konsequenterweise erhält er auch 1999 den Auftrag, den Andachtsraum im Berliner Reichstag zu gestalten. Er macht eine Art Krypta der Toleranz daraus.

Starke Bindung zum Norden

Günther Uecker lebt und arbeitet heute in Düsseldorf und St. Gallen. In Berlin hat er ein Atelier. Dem Norden ist der Künstler aber immer noch sehr verbunden. Uecker hat in Pommern seine Kindheit verbracht. Das Staatliche Museum Schwerin und die Kunsthalle Rostock widmen Uecker zu seinem 90. Geburtstag eigene Ausstellungen.

Ganz besondere Erinnerungen verbinden ihn mit der Kirche im Ostseebad Rerik. Einmal knotet er, als Liebesbeweis, am Kirchturm ein Taschentuch an. Nun läuten dort auch Glocken, die Uecker selbst gestaltet hat.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 13.03.2020 | 09:05 Uhr

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