Als Hamburg stank und Alsterwasser trank
"Aale, Aale - frisch aus Willis Wasserleitung"
Nach und nach werden sämtliche Hamburger Haushalte versorgt - zunächst über große Speicherbehälter, die meist auf den Dachböden installiert sind. In ihnen sammelt sich allerdings nicht nur das Wasser der Elbe, sondern bisweilen auch mancher ihrer Bewohner. "Aale, Aale - frisch aus Willis Wasserleitung" wird in dieser Zeit auf dem Fischmarkt gern gerufen.
Ein Spottgedicht auf die Wasserqualität von 1876 nennt 16 verschiedene Tierarten, die "im Hamburger Wasserrohr" vorkommen. Dennoch sind die Hamburger weitgehend glücklich über die günstige und praktische Versorgung mit Trinkwasser.
Verzicht auf Filtration hat fatale Folgen
Für die Bevölkerung weitaus fataler als die lebendigen Rohrbewohner sind jedoch die fürs menschliche Auge nicht wahrnehmbaren Mikroorganismen. Beim Bau der Anlage in Rothenburgsort haben die Verantwortlichen aus Kostengründen auf Filter verzichtet. Zudem gehen auch am Ende des 19. Jahrhunderts noch viele davon aus, dass Filtration nur eine verfeinerte Methode zur Beseitigung von Trübungen sei. Die Ausbreitung von Krankheiten hingegen wird üblen Dünsten zugeschrieben.
Diese Fehleinschätzung rächt sich, als 1892 die Cholera ausbricht. In dem heißen Sommer führt die Elbe nur wenig Wasser - ideale Bedingungen für die Vermehrung von Keimen. Und da die Anlage in Rothenburgsort bei Flut verschmutztes Hafenwasser aufnimmt, gelangen die Cholera-Bakterien über die Wasserleitungen in die Haushalte. Fast 17.000 der etwa 640.000 Hamburger erkranken, etwa die Hälfe stirbt. Die Zahl der Cholera-Kranken im benachbarten Altona ist hingegen wesentlich geringer - die Stadt lässt ihr Trinkwasser bereits über Sandfilter reinigen. 1893 rüstet auch Hamburg nach und lässt bereits existierende Pläne für eine Sandfilteranlage auf der Elbinsel Kaltehofe umsetzen.
Nutzung von Elbwasser erst seit 1964 Vergangenheit
Obwohl das Elbwasser nun hygienisch einwandfrei ist, bleibt nach der Seuche bei vielen ein Unbehagen dem Flusswasser gegenüber. Die Verantwortlichen treiben die Suche nach Grundwasser voran. Bereits 1905 nimmt das erste Grundwasserwerk in Billbrook den Betrieb auf, weitere folgen. Allerdings werden noch über Jahrzehnte Grund- und Elbwasser gemischt. Erst seit 1964 fließt ausschließlich Grundwasser durch die Trinkwasserleitungen der Hansestadt. Daran, wie schwer die Wasserbeschaffung früher einmal gewesen ist, erinnert heute noch auf Postkarten und als Skulptur: Hans Hummel.
- Teil 1: Holzleitungen zu Quellen außerhalb der Stadt
- Teil 2: "Aale, Aale - frisch aus Willis Wasserleitung"