"Das war wie ein Foto von einem anderen Planeten"
Ein Bild im Schlafzimmer seiner Eltern war seine einzige Verbindung zur Vergangenheit und zur Familiengeschichte. Es zeigt eine Villa am Glambecker See in Neustrelitz. Aber der Ort lag für Christian Peters, geboren in Stuttgart und aufgewachsen in Kanada, in weiter Ferne: "Das war wie ein Foto von einem anderen Planeten", erinnert er sich. Dass dieses Haus in Neustrelitz einmal Fundament für die Zukunft sein würde, ahnte Christian Peters nicht und auch niemand in seiner Familie: "Ich hatte nie vermutet, dass dieses Haus mal mit mir in Kontakt tritt - oder ich mit ihm". Es ist das Geburtshaus seines Vaters und die frühere Praxis seines Großvaters Hermann Peters, des ersten niedergelassenen Zahnarztes von Neustrelitz.
40 Jahre kein Wort zu Neustrelitz
Bis 1989 fiel in der Familie kein Wort über das Haus in der Adolf-Friedrich-Straße 35, das Großvater Herrmann Peters in den 30er Jahren gebaut hatte. Bei Kriegsende wurde es von der Roten Armee beschlagnahmt. Sie errichteten dort ihre Kommandantur. Großvater Peters wurde enteignet und ging nach Stuttgart. Es folgten 40 Jahre Funkstille. Als Christian Peters, damals junger Architekt, zum ersten Mal nach Neustrelitz kam, waren die sowjetischen Soldaten noch da. Der Schlagbaum stand noch am Eingang zur Siedlung, die viele Jahrzehnte abgesperrt war und einer Filmkulisse glich. Nach dem Abzug der Russen wohnte Christian Peters mit Mäusen und leeren Wodkaflaschen allein dort. Eineinhalb Jahre lang sanierte er das heruntergekommene Haus, das die Familie zurückbekommen hatte. Anstatt wie ursprünglich geplant nach Kanada auszuwandern, ließ er sich in Neustrelitz nieder. "Ich dachte, die blühenden Landschaften vom Herrn Kohl brauchen eben auch einen jungen motivierten Architekten," sagt Christian Peters heute.
Neue Nutzung statt "Museumsdorf"
Das Gute, sagt er, sei, dass es in Neustrelitz viel erhaltene Altbausubstanz und im Vergleich zu anderen ostdeutschen Städten verhältnismäßig wenige Plattenbauten gab. Nicht jeder Quadratmeter wurde, wie häufig in anderen westdeutschen Kleinstädten, zugepflastert oder durchsaniert. Der Mauerfall war für die alten Häuser in Neustrelitz die letzte Rettung, meint Peters. "Das ist ein riesiger Glücksfall", findet er. Denn so konnte behutsam saniert und überlegt werden, wie Innenstadt, Marktplatz, Hafen, Schlosspark und Schlossberg gestaltet werden sollen. Spannend findet der Architekt die neue Nutzung alter Gebäude. Sicher gebe es wunderbare, historische Fassaden, die erhalten werden müssten, aber das dürfe kein starres Korsett werden: "Sonst leben wir in einem Museumsdorf."
Kein Ossi, kein Wessi
Nach mehr als 25 Jahren im Osten, sagt Christian Peters, ist er kein Wessi mehr, aber auch kein Ossi geworden. Er sei irgendwo dazwischen. Die Tatsache, seit langer Zeit im Osten zu wohnen, bedeute ja nicht, die eigene Geschichte aufzugeben. "Ich bin ein Mensch, der das Glück hatte, in ganz verschiedenen Bereichen zu leben und Menschen kennen zu lernen", sagt er heute über sich. Was ihn in seiner Stadt beschäftigt: Das behutsam Sanierte zu erhalten. Und: Dass es zu wenig Menschen für zu viel Arbeit gebe, die noch immer zu tun ist. In der Bau-Branche fehlten die Fachkräfte und das Problem werde sich noch verschärfen: "Es ist zunehmend eine Katastrophe", sagt der Architekt.
Neustrelitz wirbt in Berlin
Mit der Einheit 1990 und seinem Umzug nach Neustrelitz habe er persönlich das Gefühl gewonnen, etwas Sinnvolles zu tun, erzählt Christian Peters. Mit ein paar Ideen, viel Kraft und Arbeit konnte er in dieser Situation helfen, eine Wunde zu schließen, sagt der Architekt. Er glaubt, dass sich die Region Mecklenburg-Strelitz trotz der massiven Abwanderung noch gut behaupten konnte in den vergangenen 30 Jahren. Und mittlerweile hat sich der Trend gedreht: Die Einwohnerzahl in Neustrelitz ist stabil. In Zukunft will sich die Region die Stadtflucht aus Berlin noch mehr zunutze machen. Erste Werbekampagnen in der Hauptstadt für ein neues Leben an der Seenplatte gab es bereits.