Zu Besuch im Dorf der norddeutschen "Kiwis"
Weinbauerin mit deutschen Wurzeln
Elizabeth Eggers, Besitzerin des Weinguts "Himmelfeld", erinnert sich noch daran, dass ihr Vater Deutsch sprach. "Aber dann hörte er damit auf, vermutlich um sich vor Repressalien zu schützen." Für sie ist die Geschichte ihrer Famile noch sehr präsent. Regelmäßig organisiert sie Familientreffen. Zur letzten "Hans Eggers Reunion" in diesem März kamen 120 Familienmitglieder nach Upper Moutere. "Es war sehr bewegend", sagt Elizabeth Eggers. Hans Eggers ist ihr Urgroßvater, der 1859 aus Norddeutschland nach Neuseeland auswanderte. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er erneut und hatte insgesamt 19 Kinder.
"Ich komme aus einer Bauernfamilie", sagt Elizabeth Eggers. "Glaube, harte Arbeit und eiserner Wille" hätten ihre Familie erfolgreich gemacht. Tugenden, die sie den deutschstämmigen Neuseeländern auch heute noch zuschreibt. Erst als Rentnerin begann die frühere Krankenschwester mit dem Weinanbau. Heute produziert sie 4.000 bis 5.000 Flaschen hochwertigen Weißweins im Jahr. Elizabeth Eggers lebt mit mehreren Katzen und Hunderten Schafen außerhalb von Upper Moutere in einem Haus inmitten ihrer Weinfelder. Sie ist weit gereist, jobbte als junge Frau auch in einem Hotel in Deutschland. Aber ihre Heimat ist Upper Moutere. Auch ihre vier Geschwister sind im Ort geblieben. "Wir haben eine sehr enge Beziehung zu dem Land hier."
Ein Haus mit besonderer Atmosphäre
Auch Bewohner von Upper Moutere, die selbst nicht deutscher Abstimmung sind, pflegen die Tradition. Der Keramik-Künstler Owen Bartlett lebt und arbeitet in einem Haus, das 1893 von Fred Bensemann, einem Sohn Cordt Bensemanns, gebaut wurde. "Er hatte eine Sägemühle unten am Fluss und konnte deswegen so ein schönes Haus bauen", sagt Owen Barlett. Bis 1986 war das Haus an der Hauptstraße im Besitz der Familie Bensemann. Owen Bartlett und seine Frau Katie Gold kauften es im Jahre 2000. Das alte Gebäude ist liebevoll renoviert und von einem wildromantischen Garten umgeben. Dort wächst ein üppiger Blauregen, den noch Fred Bensemann pflanzte. "Das Haus hat eine besondere Atmosphäre", sagt Bartlett. "Meine Frau und ich schätzen das sehr." Und auch Besucher sind angetan von der freundlichen Ausstrahlung. In den hellen Räumen im Erdgeschoss befindet sich die Galerie, in der die in Neuseeland bekannten Künstler ihre Keramiken ausstellen.
Lebensart und gutes Essen
Schräg gegenüber, im Delikatessengeschäft "Old Post Office", verkauft Jayne Stevenson hausgemachte Marmeladen, Olivenöl aus der Region, Käse aus der "Neudorf Diary" und Weine der umliegenden Weingüter. Sie mag Upper Moutere und seine Atmosphäre. "Es gibt hier viel deutsche Kultur". Dazu gehört für die junge Frau vor allem die Produktion hochwertiger Lebensmittel und die Liebe zum guten Essen. Jayne Stevenson kann sich gut vorstellen, dass Upper Moutere wieder Sarau heißt. "Das wäre cool, Rückkehr zu den Wurzeln, eine gute Idee, fantastisch!"
"Verwandtschaft" auf dem Friedhof gefunden
Ihre Kollegin Sue Gardener ist die Urenkelin von Friedrich Wilhelm und Friederike Haase, die ebenfalls mit der "St. Pauli" aus Hamburg auswanderten. Sie sagt: "Ich fände es wundervoll, wenn der Ort wieder Sarau hieße. Es ist schließlich ein deutsches Dorf." Die Haases verließen Sarau nach wenigen Jahren, erst Richtung Australien, dann ließen sie sich endgültig im Norden Neuseelands nieder. Von dort zog Sue Gardener erst vor Kurzem hierher, mehr aus Zufall. Von der Geschichte des Ortes wusste sie bis dahin nichts. "Und dann habe ich hier sogar Verwandte gefunden", sagt die alte Dame lächelnd. "Auch wenn sie auf dem Friedhof liegen."
"Ein bisschen Heimatgefühl"
Auch heute noch kommen deutsche Einwanderer nach Upper Moutere. Mascha Bender zog vor mehreren Jahren mit ihrem Mann und zwei Kindern aus Bremen nach Neuseeland, seit 2010 lebt die mittlerweile fünfköpfige Familie in einer alten Villa an der Neudorf Road. Mascha Bender schätzt an Upper Moutere die gute Infrastruktur. "Es gibt alles hier, von Kinderballett über Turnen bis Pilates. Und eine enge Gemeinschaft. Wir haben eine super Schule und zwei Kindergärten." Die deutsche Geschichte des Ortes war für sie nicht ausschlaggebend, hierher zu kommen. Trotzdem freut sie sich darüber. "Der Ort hat ein bisschen Geschichte, das ist selten in Neuseeland. Und die Kirche ist sehr deutsch. Man hat ein bisschen Heimatgefühl, wenn man da reinkommt. Das ist schön."
Karte: Das "deutsche Dorf" Upper Moutere
- Teil 1: "Kiwis" mit besonderer Geschichte
- Teil 2: Weinbauerin mit deutschen Wurzeln