Auf diesem von den Luftstreitkräften der US-Armee bereitgestellten Bild fällt die B-17 Flying Fortress der 8. US-Luftwaffe in zwei Teile, nachdem Kanonenfeuer einer feindlichen Messerschmitt am 10. April 1945 bei einem Angriff auf Flugplätze und ein Waffendepot in Oranienburg, 18 Meilen nördlich von Berlin, einen Flügel abgeschnitten hatte. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / U.S. Army Air Forces Foto: -

Rammjäger im Todeskampf über dem Steinhuder Meer

Stand: 09.04.2025 15:37 Uhr

Deutsche Rammjäger stürzen sich am 7. April 1945 aus 10.000 Metern Höhe auf alliierte Flugzeuge. Sie sollen das Leitwerk der Bomber rammen und so zum Absturz bringen. Die Überlebenschance für die Piloten ist gering.

Im April 1945 steht die Kapitulation der deutschen Wehrmacht und damit das Ende des Zweiten Weltkriegs kurz bevor. Aber mit einem wahnsinnigen Plan als letztem Mittel versucht die Luftwaffe, die alliierten Bomber zu stoppen: Jagdflieger der Wehrmacht sollen ihre Feinde in der Luft rammen. Über dem Steinhuder Meer treffen am 7. April 1945 deutsche und US-amerikanische Maschinen in einem mörderischen Kampf aufeinander.

Prof. Dr. Karl Heinz Schneider, Leibniz Universität Hannover, Regionalhistoriker, Experte für militärische Geschichte © NDR Foto: Jens Otto
AUDIO: Junge Männer stürzen sich in den Tod (3 Min)

Rammjäger warten am Steinhuder Meer

Zur Mittagszeit erreicht ein Geschwader amerikanischer Bomber Deutschland. Am Steinhuder Meer warten Piloten der Luftwaffe auf sie. In leichten Flugzeugen sollen sie Jagd auf den Feind machen. Der Regionalhistoriker Karl Heinz Schneider von der Leibniz Universität Hannover hat sich ausführlich mit dem Einsatz der Rammjäger beschäftigt. Dem NDR sagt er 2015: "Diese Rammjäger stürzen sich aus 10.000 Metern Höhe auf die alliierten Flugzeuge. Es sind über 100 deutsche Piloten gewesen, die an diesem Einsatz beteiligt waren. Ihre Hauptaufgabe ist, das Leitwerk alliierter Bomber zu rammen und sich dann anschließend mit dem Fallschirm in Sicherheit zu bringen."

Piloten hatten geringe Überlebenschance

Die Mission geht unter dem Namen "Sonderkommando Elbe" in die Geschichte ein. In manchen Berichten ist auch von "Kamikaze über dem Steinhuder Meer" die Rede, in Anlehnung an die Selbstmordmissionen japanischer Kampfpiloten. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied, so Schneider: "Dieses Rammen war zwar hochriskant, aber das Ziel war nicht der Tod der Piloten. Die Piloten sollten überleben. Sie hatten aber, und das wussten alle Beteiligten, eine vergleichsweise geringe Überlebenschance." Etwa drei Viertel aller Piloten kommen bei den Einsätzen ums Leben.

Rammjäger waren verblendete junge Männer

Gemeldet hatten sich die meist jungen Männer aus freien Stücken. Den Einsatz der Rammjäger hatte sich ein deutscher Jagdflieger ausgedacht und junge Piloten dafür gewonnen - alle fanatische Anhänger der Nazi-Ideologie. Die unerfahrenen Männer hätten selbst kurz vor dem Abflug noch einen Rückzieher machen können, bestätigt der Historiker. Schneider nennt es den letzten verzweifelten, völlig unsinnigen Versuch, noch einmal das Blatt zu wenden oder noch eine kleine Atempause für die deutsche Luftwaffe zu bekommen.

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Deutsche opferten ihre letzten Piloten

Der Einsatz bewirkt aber das Gegenteil. Die Deutschen können zwar einige US-Bomber zum Absturz bringen, aber die Verluste der Luftwaffe sind weitaus höher. Und weil wenige Soldaten diesen Einsatz überleben, opfern die Deutschen auf diese Weise ihre letzten einsatzfähigen Piloten. Es ist ein aussichtsloser Kampf. Wenige Wochen nach der Schlacht über dem Steinhuder Meer kapituliert die Wehrmacht endgültig. Der Einsatz der Rammjäger in Niedersachsen war in Deutschland der letzte große Luftkampf des Zweiten Weltkriegs.

Es gibt kaum noch Zeugnisse der Schlacht

"Für die Menschen am Steinhuder Meer war der Einsatz der Rammjäger hoch über ihren Köpfen wohl nichts Besonderes", sagt Karl Heinz Schneider. Luftkämpfe waren sie aus den zurückliegenden Jahren gewohnt. Heute ist es schwierig, noch Spuren des "Sonderkommandos Elbe" zu finden. Schneider berichtet, dass gleich nach dem Krieg Schrotthändler alles geborgen hätten, was sie bekommen konnten. Deshalb sei es ein großer Zufall, wenn heute noch Reste eines Jagdflugzeugs gefunden würden.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | 07.04.2015 | 12:00 Uhr

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