Kriegsende: Wie aus Waffen Hausrat wurde
Nach 1945 sind Dosen, Siebe und anderer Hausrat Mangelware. Im Überfluss gibt es dagegen Kriegsschrott und halbfertige Rüstungsgüter. In der Not wurden etliche Militärartikel umfunktioniert.
Das Ende des Zweiten Weltkrieges und der damit verbundene Sieg über die Nazi-Diktatur bringen zwar Frieden, aber gleichzeitig auch Not und Chaos in das Leben der Norddeutschen. Es herrscht Mangel an fast allem: Lebensmittel und Wohnraum sind die existenziellsten Dinge, die fehlen. Aber auch Möbel und Alltagsgegenstände wie Küchengeräte besitzt kaum jemand noch. Die Herstellung von zivilem Gerät ist bereits zu Kriegszeiten eingeschränkt worden, um die Produktion von Rüstungsgütern voranzutreiben.
Notbehelfe: Aus Stahlhelmen wurden Küchensiebe
Doch es gibt auch etwas im Überfluss: Kriegsschrott und halbfertige Rüstungsgüter. Millionen von Stahlhelmen, Gasmasken und Munition sind mit Ende des Krieges nutzlos geworden.
Aus vorhandener Ware wird gemacht, was gebraucht wird: Küchensiebe, Dosen, Kaffeekannen und Becher. Weil die zur Bearbeitung erforderlichen Werkzeuge und Maschinen in Privathaushalten fehlen, übernehmen Handswerksbetriebe und Fabriken die Herstellung des Nachkriegshaushalts.
Damals werden solche umgearbeiteten und zweckentfremdeten Alltagsgegenstände Notbehelfe genannt. Fachleute sprechen von Konversionsgütern. Viele Umwandlungen entsprechen dem, was wir heute Upcycling nennen würden - nutzlos gewordene Dinge bekommen eine neue Funktion und können so weiterverwendet werden.
Privater Sammler zeigt Alltagswelt der Nachkriegszeit
Mehr als 200 solcher Gegenstände hat der private Sammler Herbert Wintersohl zu einer Ausstellung zusammengestellt. Den Anstoß gab ein Weihnachtsbaumständer, den er auf dem elterlichen Hof fand. Flüchtlinge, die bei seiner Familie lebten, hatten ihn da gelassen. Das Besondere daran: Er bestand aus dem Boden Haubitzen-Geschosshülse - eine entsprechende Kennzeichnung war noch zu sehen. Als Wintersohl dann das erste Mal auf einem Flohmarkt auf ein Neudelsieb stieß, das aus einem Stahlhelm gefertigt war, wurde die Idee zu einer Sammlung geboren, wie der 54-Jährige erzählt.
Ein Hochzeitskleid aus Fallschirmseide der Briten
Dabei geht es Wintersohl nicht allein um die Objekte an sich: Besonders wichtig sind ihm die Geschichten, die mit vielen der Gegenstände verbunden sind. Mittlerweile erhält er neue Stücke direkt von ihren Besitzern, die sie zuvor jahrzehntelang aufbewahrt haben.
Da ist beispielsweise ein Hochzeitskleid aus Fallschirmseide, das nun Teil von Wintersohls Sammlung ist. Der Vater der Stifterin hatte den Fallschirm 1946 von den Briten bekommen, bei denen er in Gefangenschaft war. Für seine Hochzeit durfte er das Lager für drei Tage verlassen. Und aus der Fallschirmseide wurde in der Nacht vor der Hochzeit tatsächlich das Kleid, das seine Frau zur Hochzeit trug. Und die Stifterin selbst hat etwa 40 Jahre später im selben Kleid geheiratet.
Notbehelfe können "Demut und Bescheidenheit" lehren
Seine Ausstellung verleiht Wintersohl an interessierte Gemeinden. Der engagierte Hobby-Historiker geht aber auch in Schulen, um über den Erfindergeist und Einfallsreichtum in der Not der Nachkriegszeit zu sprechen. Was sich der Sammler erhofft? "Dass die Menschen ein bisschen Demut und Bescheidenheit mitnehmen. Nie ging es uns so gut wie heute."
Auch mit denen zu sprechen, die das Kriegsende selbst erlebt haben, mache das Vergangene greifbarer. "Noch leben diejenigen ja", sagt Wintersohl. "Viele Seniorinnen und Senioren sprechen aber erst über die Zeit und das, was sie erlebt haben, wenn sie Objekte aus der Vergangenheit in der Hand halten", so seine Erfahrung. "Das sind Momente, die unbezahlbar und gleichzeitig schrecklich sind." Denn sie zeigten: "Krieg ist immer Mist, früher genauso wie heute."