Ein Eisenbahnwaggon, der mahnen soll
Der Waggon, der seit März 2015 im Park vor dem Museum Lüneburg steht, soll erinnern: an ein besonders grausames Ereignis kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges. Es ereignete sich nur wenige Meter von dem Ort entfernt, an dem der Waggon jetzt steht. Am 7. April 1945 fliegen alliierte Bomber einen Angriff auf den Lüneburger Bahnhof. Unzählige Bomben fallen - und treffen: auch einen Güterzug, der gerade auf den Gleisen im Bahnhof steht. In seinen Waggons eingepfercht befinden sich rund 400 Häftlinge aus dem Lager Wilhelmshaven, darunter viele Franzosen. Mindestens 256 von ihnen sterben an diesem Tag im Bombenhagel. Rund 80 der überlebenden Häftlinge flüchten, werden kurz darauf gefangen genommen und von der Wehrmacht überwacht. Sie bleiben in Lüneburg - bis die SS am 11. April den Befehl gibt, sie zu erschießen. Ihre Leichen werden in einem Massengrab verscharrt.
Geschichtswerkstatt kämpft jahrelang für den Waggon
Die Idee, einen Waggon als Mahnmal aufzustellen, ist schon viele Jahre alt. Für die Mitarbeiter des Vereins Geschichtswerkstatt blieb die Umsetzung jedoch lange Zeit nur ein großer Wunsch. Denn bei der Aufarbeitung der Lüneburger NS-Vergangenheit hatten es die Mitarbeiter der Werkstatt nicht immer leicht. "Als wir angefangen haben, gab es viele Ressentiments", erzählt die zweite Vorsitzende, Sybille Bollgöhn. Vor mehr als zehn Jahren hatte der Verein den Waggon von den Verkehrsfreunden Lüneburg gekauft, einem Eisenbahnerverein, der einen historischen Zug besitzt. Doch für die Renovierung des Originalwaggons fehlte lange das Geld. Erst mithilfe des Projektes "Jobsozial", das zur Wiedereingliederung von Arbeitssuchenden ins Leben gerufen wurde und ,vom Europäischen Sozialfond unterstützt wird, konnte die Idee in die Tat umgesetzt werden. Rund 40 Langzeitarbeitslose, von denen neun durch das Projekt wieder eine Arbeit gefunden haben, nahmen teil und erneuerten Stück für Stück den alten Waggon. Insgesamt hat die Restaurierung, die außer der EU auch die Stadt Lüneburg und Sponsoren finanziert haben, rund 265.000 Euro gekostet.
Standort in direkter Nachbarschaft zu Gauleiter-Statue
Laut Verein stammt der Waggon aus den 1920er- bis 1930er-Jahren. Dass jemals KZ-Häftlinge darin transportiert wurden, ist nicht nachweisbar. "Möglich ist es aber", sagt Hans Dierken von den Verkehrsfreunden. Im Park des Lüneburger Museums kann der Waggon nun von außen besichtigt werden. In Kürze sollen Informationstafeln angebracht werden. "Der Waggon wird eines unserer wichtigen Objekte sein, mit denen wir die Strukturen der Lüneburger NS-Vergangenheit dokumentieren wollen", sagt Museumsleiterin Heike Düselder. Dazu dienen soll auch die Bronzestatue eines Pferdes, die bereits seit Jahrzehnten in dem Park steht. Sie gehörte einst Lüneburgs Gauleiter Otto Telschow. Kritiker hatten in der Vergangenheit oft darauf hingewiesen, dass sich die Stadt hier mit einer Statue schmücke, ohne auf deren Geschichte hinzuweisen. Das solle in Zukunft nachgeholt werden, so Düselder.