"Für mich war das herrlich!"
Anselm Prester, geboren im bayerischen Rottach-Egern, kommt mit 22 Jahren nach Langeoog - und bleibt. Ausgerechnet den Winter 1978 suchen er und seine Familie sich aus, um eine weiße Weihnacht in der alten Heimat zu erleben. Doch als er mit seiner Frau und den beiden Kindern in Rottach-Egern ankommt, ist dort alles noch grün. "Aus den Medien erfuhren wir von der Schneefront im Norden", sagt der Inselmaler und lacht. Nach dem Jahreswechsel 1978/79 macht sich die Familie auf den Heimweg. "Wir kamen mit dem Auto einigermaßen durch und erreichten das letzte Schiff von Bensersiel nach Langeoog. In der Inselbahn, die uns vom Hafen zum Bahnhof brachte, gab es nur ein Thema: den Schnee. Denn das war ja für die Insel sehr ungewöhnlich."
Schnee im Wohnzimmer
Noch ahnt die Familie Prester nicht, was sie zu Hause erwarten wird. "Als wir die Tür aufschlossen, kam uns eiskalte Luft entgegen. Und im Wohnzimmer lag ein halber Meter Schnee. Der scharfe Ostwind hatte die Terrassentür aufgedrückt und den Schnee hereingeweht. Einen Schneeschieber hatten wir wie die anderen Insulaner nicht. Ich habe den gefrorenen Schnee mühsam mit einem Spaten aus dem Haus befördert."
Während der Schnee den Inselmaler eher freut als schreckt, ist er für viele Gäste ein Problem. "Am Bahnhof spielten sich filmreife Szenen ab. Da wurde rücksichtslos geschoben und gestoßen. Jeder wollte unbedingt das vermeintlich letzte Schiff erreichen und saß dann in Bensersiel fest, weil selbst die Bergungspanzer Mühe hatten, sich ihren Weg durch die Schneeverwehungen zu bahnen."
Auf Skiern zum Einkaufen
Als einziger Langeooger hat Anselm, wie der Maler auf Langeoog heißt, Alpinski im Haus. "Die hatte ich mal aus Bayern mitgebracht, eher zum Spaß. Doch im Januar 1979 taten sie gute Dienste. Ich fuhr mit ihnen ins Dorf, um für die Familie einzukaufen. Ich weiß noch, dass ich auf einer der bis zu drei, vier Meter hohen Schneeverwehungen am Kino vorbeikam und im ersten Stock den Betreiber im Wohnzimmer sitzen sah. Als ich mit dem Skistock ans Fenster klopfte und winkte, fiel ihm die Teetasse aus der Hand. Tatsächlich war es so, dass viele Insulaner ihr Haus nur durch Fenster im ersten Stock verlassen konnten."
Als Anselm zum Schlachter kommt, schlägt ihm heißer Wasserdampf entgegen. Eine fröhliche Runde hält sich mit Grog bei Laune. "Auch ich musste mittrinken. Als ich später nach Hause kam, war der Strom ausgefallen. Wir konnten nicht kochen. Und auch die Heizung funktionierte nicht. Zum Glück hatte meine Schwiegermutter darauf bestanden, ihren alten Kohleofen zu behalten. Der wärmte nun nicht nur die Familie, sondern auch den einen oder anderen Besucher. Überhaupt rückten alle zusammen."
"Der Schnee verschluckte das Toilettenhäuschen"
Der Inselmaler genießt den Schnee. Er fühlt sich in seine Kindheit zurückversetzt. "Ich bin ja mit Schnee groß geworden. Für mich war es herrlich, aus meinem Atelier in eine weiße Landschaft zu blicken. Ein Bild werde ich nie vergessen: Der Schnee hatte das Toilettenhäuschen verschluckt. Und bei einer meiner Skiwanderungen über die Insel habe ich die wohl erste und einzige Schneelawine Ostfrieslands losgetreten, als ich die Melkhörn-Düne herunterfuhr."