1964: Erzfrachter "Pella" zerbricht vor Amrum in zwei Teile
Der Erzfrachter "Pella" fährt im Sommer 1964 sieben Seemeilen vor Amrum auf eine Sandbank. Am 2. August bricht er auseinander. Die Crew wird gerettet. Das Wrack wird schließlich eine Attraktion im Wattenmeer.
Auf den nordfriesischen Inseln hat die Strandräuberei eine lange Tradition. Angeschwemmte Dinge sind schon vor etlichen Jahrzehnten gern mit nach Hause genommen worden. Auf Amrum hat der Pastor früher sogar den Strand gesegnet, damit dort schöne Dinge angespült werden. Was muss es da für eine Versuchung gewesen sein, als in Sichtweite der Insel plötzlich ein ganzer Dampfer liegt.
1943 in Kanada vom Stapel gelaufen
Der Frachter ist am 27. März 1943 im kanadischen Sorel als "Elm Park" vom Stapel gelaufen. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs fährt er für die kanadische Regierung über den Atlantik und entgeht nur knapp dem Angriff deutscher U-Boote. Nach dem Krieg wechselt das Schiff mehrfach den Besitzer und den Namen, ehe es ab 1962 für einen griechische Reeder unter libanesischer Flagge fährt.
Eine verhängnisvolle Sandbank
Am 22. Juli 1964 beginnt die letzte Fahrt der "Pella". Sie ist eigentlich auf dem Weg vom spanischen Cartagena nach Bremen. Aber aus bis heute unbekannten Gründen kommt der griechische Kapitän vom Kurs ab. Anstatt in die Weser abzubiegen, fährt er am 31. Juli 1964 an Helgoland vorbei weiter Richtung Nordosten - und schließlich sieben Seemeilen vor Amrum auf eine Sandbank. Die "Pella" sitzt fest und kommt auch nicht wieder frei. Damals ist das Wetter schlecht, es ist stürmisch. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) schickt den Seenotrettungskreuzer "Bremen" zum Frachter, was sich als gute Entscheidung herausstellt. Denn: In der Nacht zum 2. August geht ein lautes Knacken durch das 134 Meter lange Schiff. Die DGzRS spricht von einem "Krachen wie von Kanonenschüssen". Gegen 3.30 Uhr zerbricht das Schiff in zwei Teile.
Die "Bremen" arbeitet sich in schweren Regenschauern immer wieder an das Wrack heran. Mehr als 30 gefährliche Anläufe sind nötig, um in der dramatischen Rettungsaktion alle 25 Besatzungsmitglieder der "Pella" unverletzt an Bord zu holen, wie die DGzRS mitteilt. Es sei einer der bedeutendsten Einsätze der "Bremen" gewesen, die ein Jahr nach dem Unglück außer Dienst gestellt wird.
Das Wrack wird zur Attraktion
Der Reeder ist an einer Bergung nicht interessiert. Und so wird die "Pella" der stürmischen Nordsee überlassen. Insulaner und Touristen freut es: Mitten in der Sommersaison gibt es plötzlich ein neues Ausflugsziel. In den kommenden Wochen wird das Wrack der "Pella" die Attraktion im Wattenmeer. Von allen Inseln und Halligen kommen die Menschen, um zu schauen, ob sich etwas auf dem Schiff finden lässt, bevor es versinkt oder der Zugang nicht mehr möglich ist.
Zu ihnen gehört auch der damals 28 Jahre alte Student Jan Rümpler. Er hat gerade Semesterferien und fährt mit seinen Freunden zum Wrack der "Pella". Er erinnert sich für das NDR Fernsehen 2015 gut daran, wie er mithilfe eines Seils die Bordwand hochgeklettert ist. "Fast wie ein Bergsteiger", meint er schmunzelnd. Dann seien die Freunde an Deck auf Schatzsuche gegange. "Doch das Schiff war schon ziemlich ausgeplündert", erzählt er. Vor allem Krabbenfischer aus Büsum und Halligleute sind die ersten vor Ort gewesen. Sie haben schon vieles mitgehen lassen. So stecken die jungen Leute nur ein paar Karten ein, montieren einige Taue ab, und die Freundin findet in der Kabine des Bordfunkers einen auf Deutsch geschriebenen Band russischer Literatur.
Picknick auf der "Pella"
Aber die drei Freunde hätten einen schönen Tag auf See gehabt, meint Rümpler, haben Kuchen gegessen. Genauso wie eine kleine Sylter Truppe, die ebenfalls ein Picknick auf dem Schiffswrack gemacht hat. Clas Broder Hansen ist als zehnjähriger Junge selbst am Schiffswrack gewesen und hat ein Buch über den Sommer auf der "Pella" geschrieben: "Gestrandet vor Amrum". Er sagt 2015, in den Inselleuten sei das alte Strandräuberblut wieder aufgeflammt. Zigaretten, Holz, Seekarten, Flaggen - alles sei mitgenommen worden. Sogar Bullaugen werden damals aus der Schiffwand herausgeschnitten.
2001 kentert ein Fischkutter an der Unglücksstelle
Die Wrackteile der "Pella" liegen noch heute vor Amrum. Das müssen am 16. August 2001 zwei Fischer eines Büsumer Kutters feststellen, als sich ihre Netze dort verhaken. Der Kutter kentert, die beiden Fischer müssen das Schiff verlassen. Wie die DGzRS mitteilt, rettet sie der inzwischen auf Amrum stationierte Seenotrettungskreuzer "Eiswette" aus ihrer Rettungsinsel.