Vor 30 Jahren: Transrapid Hamburg-Berlin geplant
Schnell, schneller, Transrapid: Am 2. März 1994 beschließt der Bund den Bau einer Magnetschnellbahn. Der Zauberzug soll von Hamburg nach Berlin rauschen. Doch am 5. Februar 2000 wird das Mega-Projekt wieder begraben.
Noch Anfang der 1990er-Jahre geht in Hamburg der Traum um, per Bahn schneller nach Berlin zu gelangen als von einem Ende der Stadt zum anderen. In gerade einmal 53 Minuten soll der geplante Transrapid von der Hanse- in die Hauptstadt rasen. Zum Vergleich: Eine Fahrt mit der S1 vom Hamburger Stadtteil Blankenese im Westen nach Poppenbüttel im Nordosten dauert 58 Minuten (HVV-Daten von 2024). Doch einige Jahre später werden die Pläne wieder begraben - am 5. Februar 2000 kommt das offizielle Aus. Jahre, bevor sich auf der Transrapid-Teststrecke im emsländischen Lathen ein tragisches Unglück ereignet.
Transrapid-Beschluss im März 1994
Am 2. März 1994 rückt der Traum zunächst in greifbare Nähe: Das Bundeskabinett beschließt den Bau der 292 Kilometer langen Trasse, auf der die Magnetschnellbahn mit bis zu 430 Kilometern pro Stunde unterwegs sein soll. Es wäre der weltweit erste Transrapid für den Einsatz im Alltag. Bis zu dem Zeitpunkt gibt es nur eine Testschleife im Emsland.
Basis für den Entschluss, die Strecke Hamburg-Berlin zu realisieren, ist das Finanzierungskonzept einer Unternehmensgruppe von Thyssen, Siemens, Daimler-Benz und AEG. Als Betreiber soll die Deutsche Bahn fungieren.
Das Mega-Projekt hat einen Mega-Preis: 8,9 Milliarden D-Mark (4,55 Milliarden Euro) veranschlagen die Planer - zunächst. Eine Summe, die Bundesrechnungshof und Forschungsinstitute schon früh unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten als unverhältnismäßig kritisieren.
Der "Wurm auf Stelzen" wird zum "flüsternden Pfeil"
Doch anfangs stehen andere Dinge im Vordergrund: Mit seiner innovativen Technik und einer Strecke über die ehemals deutsch-deutsche Grenze hinweg soll der Transrapid zugkräftiges Symbol der Einheit werden und ein innovatives Deutschland repräsentieren. Wurde die über Trassen auf Betonpfeilern fahrende Magnetbahn in ihren Anfangsjahren als "Wurm auf Stelzen" verspottet, schwärmen nun viele Politiker vom "flüsternden Pfeil", der durch den Norden schießen soll. Sagenhafte 14,5 Millionen Passagiere wollen die Hersteller jährlich zwischen Hamburg und Berlin auf zwei Spuren hin- und herkatapultieren.
Aber je mehr Zeit vergeht, desto klarer wird, dass sich Kosten und Passagierzahlen anders entwickeln als gedacht. Und zwar in unterschiedliche Richtungen: Der prognostizierte Preis schnellt nach oben, die Zahl der Fahrgäste nach unten.
Hauptbahnhof und Moorfleet als Stationen in Hamburg
Die Entwürfe der Planer werden unterdessen immer detaillierter. Demnach soll die Transrapid-Station in Hamburg an der Südseite des Hauptbahnhofs entstehen. Der Bahnsteig soll auf gleicher Höhe wie die des Regional- und Fernverkehrs liegen, sodass Passagiere leicht umsteigen können. Die Strecke soll in Richtung Högerdamm geführt worden. Das wäre damals möglich, weil die Post ihre Verladestelle für Briefe und Päckchen am Hühnerposten aufgegeben hat. In Moorfleet sollen Transrapid-Reisende dann an einer zweiten Station ein- und aussteigen.
Mit 430 Kilometern pro Stunde nach Schwerin
In der Hansestadt zeigt der Transrapid allerdings laut Planung noch nicht, wozu er imstande ist. Dort soll er zunächst mit schlappen 200 Kilometern pro Stunde unterwegs sein. Erst ab dem Autobahnkreuz Hamburg-Ost soll er bis Reinbek auf sagenhafte 430 Kilometer pro Stunde beschleunigen und dann mit dieser Geschwindigkeit durch Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern rauschen. Nächster Halt des Wunderzuges ist erst wieder Schwerin.
Von dort aus geht es laut Entwurf schnurstracks weiter bis Berlin. Wie in Hamburg sind auch hier zwei Stationen geplant: eine in Berlin-Spandau, die andere am Bahnhof Westkreuz. Zu Spitzenzeiten ist ein Takt von zehn Minuten vorgesehen, ansonsten sollen die Züge etwa alle 20 Minuten fahren.
Nicht für die Realität geschaffen
Nicht nur die Gestaltung der Strecke, auch einen Zeitplan mit "Meilensteinen" entwickeln die Beteiligten. Nach dem Stand von April 1998 soll die Magnetbahnverbindung zwischen Hamburg und Berlin bereits 2005 in Betrieb genommen werden. Doch was auf dem Papier so gut wie fertig ist, schafft es nicht bis in die Realität.
Immer lauter werden die kritischen Stimmen. Eine Berliner Volksinitiative sammelt 1998 mehr als 130.000 Unterschriften gegen das Projekt. Nicht nur die Finanzierung, auch die angenommene Lärmbelästigung und mögliche Umweltprobleme rufen immer mehr Gegner auf den Plan. 1999 reicht der BUND bei der Europäischen Kommission Beschwerde ein.
Dennoch versuchen die Befürworter zunächst, am Wunderzug festzuhalten. So schlägt das Bundesverkehrsministerium vor, die Strecke aus Kostengründen zunächst nur einspurig zu bauen. Für diesen Fall wären mehrere zweispurige Kreuzungsabschnitte notwendig gewesen. Zudem hätte eine ursprünglich vorgesehene Sprinter-Linie ohne jeglichen Zwischenhalt nicht realisiert werden können.
Für Entwicklung und Planung Milliarden investiert
Als zu Beginn des Jahres 2000 schließlich auch Bahnchef Hartmut Mehdorn massive Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Magnetbahnverbindung äußert, wird nach einem Spitzengespräch am 5. Februar 2000 das Aus für die Strecke Hamburg-Berlin beschlossen.
Bis dahin haben Entwicklung und Planung der Magnetschwebebahn den deutschen Steuerzahler bereits 2,35 Milliarden Mark gekostet. Zudem hat die Industrie weitere 470 Millionen Mark investiert.
Nur auf der emsländischen Testschleife
Statt quer durch den Norden flitzt der Transrapid - wie bereits seit Mitte der 1980er-Jahre - im neuen Jahrtausend weiter nur über die 32 Kilometer lange Testschleife im emsländischen Lathen. 500.000 Besucher fahren dort im Laufe der Zeit die Magnetschnellbahn Probe - bis es 2006 zu einem schweren Unglück kommt: Der Wunderzug prallt auf ein Wartungsfahrzeug, das ein Fahrdienstleiter auf der Strecke vergessen hat. 23 Menschen sterben. Fünf Jahre später schließt die Versuchsstrecke.
China setzt auf neuartige Transrapid-Züge
Seither ist der Traum vom Transrapid im Norden ausgeträumt. China hingegen setzt weiter auf die Technologie. Die weltweit erste Verbindung, auf der eine Magnetschwebebahn im Alltagsbetrieb fährt, befindet sich in Schanghai. Immerhin hat der Ort eine symbolische Verbindung zu Norddeutschland: Schanghai ist Hamburgs Partnerstadt. An Silvester 2002 wird dort eine kommerziell betriebene, 30 Kilometer lange Strecke eingeweiht, auf der seitdem die deutsche Transrapid-Technologie zum Einsatz kommt. In der Spitze fährt der Transrapid, der dort Magev heißt, 430 Kilometer pro Stunde und braucht für die rund 30 Kilometer etwas mehr als sieben Minuten.
Aber bei dieser Strecke bleibt es nicht: China hat in den vergangenen Jahren kleinere Strecken wie in Peking in Betrieb genommen, auf denen das Magnetschwebebahnsystem eingesetzt wird. Im Herbst 2019 verkündet der chinesische Verkehrsminister, dass die Transrapid-Technologie ein zentrales Element des Verkehrsplans bis zum Jahr 2050 sei. Bis 2030 sollen zwei weitere Strecken in Betrieb genommen werden: von Schanghai nach Guangzhou, Hauptstadt der Provinz Guangdong, sowie von Peking nach Guangzhou, Hongkong und Macau. Die in China entwickelten Züge sollen auf eine Spitzengeschwindigkeit von 600 Kilometer pro Stunde kommen.
Renaissance der Magnetbahn im Nahverkehr?
Trotz der Vorgeschichte gibt es in Deutschland weiterhin Fürsprecher der Transrapid-Technologie. So hofft ein Bau-Unternehmer aus Süddeutschland auf eine Renaissance. Die Firmengruppe Max Bögl hat nach eigenen Angaben bis Ende 2019 bereits 35 Millionen Euro investiert, um ein Magnetbahn-System für den Nahverkehr zu entwickeln. Die Züge sollen für Strecken von 5 bis 30 Kilometer und für eine Geschwindigkeit von bis zu 150 Kilometer pro Stunde ausgelegt sein. Seit 2012 gibt es auf dem Werksgelände eine 820 Meter lange Teststrecke. Das Unternehmen war seinerzeit bei der Transrapid-Strecke im Emsland an der Konstruktion beteiligt - und auch als Lieferant bei der Transrapid-Strecke in Schanghai dabei. Die Süddeutschen setzen sehr auf den chinesischen Markt.
Ideen für Berlin zwischen "wunderbar" und "Luftnummer"
Ende 2023 werden in Berlin wieder Stimmen laut, die für eine Magnetschwebebahn in der Hauptstadt plädieren. Sie könnte dazu dienen, den Stadtrand besser mit der Innenstadt zu verbinden, wie Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) mitteilt. "Man könnte [...] wunderbar den südlichen Teil Spandaus an den Bahnhof Spandau anschließen." Aber auch die Einbeziehung des Bundeslands Brandenburg ist ein Thema. Eine Arbeitsgruppe soll die Möglichkeiten ausloten. Es gibt aber auch Kritiker: Brandenburgs Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke bezeichnet die Idee als "Luftnummer" und "PR-Nummer". Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) sieht die Finanzierung als größtes Problem.