Vor 20 Jahren: Stephanus-Kirche in Hamburg steht vor dem Aus

Stand: 17.03.2025 17:15 Uhr

Den Zweiten Weltkrieg überlebt die Kirche St. Stephanus in Hamburg unbeschadet. 60 Jahre später gibt es keine Rettung für das Gotteshaus. Am 20. März 2005 folgt die Entwidmung durch die damalige Bischöfin Maria Jepsen.

Wo früher Kirchenbänke stehen, sind heute Schreibtische untergebracht. Der Grund: Mitgliederschwund und sinkende Steuereinnahmen. Die Finanznot zwingt die Nordelbische Kirche (heute: Nordkirche) Mitte der 2000er-Jahre zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Es beginnt eine Umbruchzeit, im Hamburger Bezirk Eimsbüttel schließen sich in der Folge vier Kirchengemeinden zu einer großen zusammen. Auf der Strecke bleibt dabei St. Stephanus - es ist die erste Kirche, die im Kirchenkreis Alt Hamburg entwidmet wird.

"Das war eine harte Entscheidung. Es ist nicht leicht gefallen, aber man sah die Kirchen wurden ärmer", beschreibt die damalige Bischöfin Maria Jepsen die finanzielle Zwangslage. Es ist das Ende einer Nutzung als sakrales Gebäude.

Am Palmsonntag 2005 findet letzter Gottesdienst statt

In die entwidmeten Kirche St. Stephanus in Hamburg-Eimsbüttel sind 2012 Büros eingezogen. © NDR Foto: Anne Arend
Am 20. März 2005 findet in der Kirche St. Stephanus ein letzter Gottesdienst statt.

Der 20. März 2005 ist ein Palmsonntag, mit ihm beginnt die Karwoche und der Leídensweg Jesu. Ein symbolischer Tag - auch für St. Stephanus. An jenem Palmsonntag findet dort ein letzter Gottesdienst statt. Es ist ein schmerzlicher Abschied, bei etlichen Gemeindemitgliedern fließen Tränen. Bischöfin Jepsen wendet sich ihnen zu: "Es ist ein bitterer Tag, ein trauriger Tag, insbesondere für Sie, die Sie seit Jahrzehnten mit dieser Gemeinde verbunden sind."

Entwidmung von St. Stephanus wird von Protesten begleitet

Es sind Menschen, die hier getauft oder konfirmiert worden sind oder geheiratet haben. Für viele ist St. Stephanus auch ein Stück Heimat. Deshalb gibt es im Zuge der Entwidmung auch Proteste. Mit Plakaten und Sätzen wie "Mein Haus soll ein Bethaus sein und ihr wollt einen Gourmet-Tempel daraus machen!", drücken die Gläubigen ihren Unmut aus.

Hamburger Kirchen fallen zusehends dem Sparzwang zum Opfer

Es ist schwer zu glauben: Den Zweiten Weltkrieg übersteht die 1912 erbaute Kirche unversehrt, jetzt kann St. Stephanus nicht allein überleben. 1998 folgt der Zusammenschluss zu einer Großgemeinde in Hamburg-Eimsbüttel. 2005 gibt es dann keine Rettung mehr für die Backsteinkirche. Wie andere Kirchen in der Hansestadt fällt schließlich auch St. Stephanus dem Sparzwang zum Opfer.

Thomas Heß war 22 Jahre lang Pastor in St. Stephanus. Auch er befürwortet die Entwidmung, um Arbeitsplätze in der Kirche zu halten. "Wir geben schweren Herzens Kirchen ab und behalten die Mitarbeitenden. Und da bot sich die Stephanus-Kirche an, weil die auf eigenem Grund stand und verkauft werden konnte", schildert Heß die damalige Situation.

Früher Kirche, heute Kreativagentur

Für 4,3 Millionen Euro steht das Gotteshaus an der Lutterothstraße 100 nach der Entwidmung zum Verkauf. Es gibt viele Angebote für St. Stephanus. Statt eines Restaurants öffnet zunächst ein Café in dem Gebäude. Die Besitzer wechseln in den folgenden Jahren. Seit 2012 residiert eine Kreativagentur in Stephanus.

Maria Jepsen ist das erste Mal wieder hier: "Es hat sich sehr viel verändert. Nach meinem Eindruck ist es sehr viel heller geworden, sehr gelungen. Also, wenn die Gemeinde das nicht mehr halten kann und alles Geld nur in eine Kirche geht, die kaum noch benutzt wird, ist das eine gute Lösung."

Weitere Informationen
Immer mehr Menschen in Mecklenburg-Vorpommern treten aus den Kirchen aus. (Themenbild) © dpa-Bildfunk Foto: Jens Büttner/dpa

Kirchen in MV: Zahl der Austritte steigt immer weiter an

Viele Menschen in Mecklenburg-Vorpommern kehren dem Christentum den Rücken. Die Zahlen im Überblick. mehr

Ein Foto von Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern Tilman Jeremias in einer Kirche © Nordkirche Foto: Nordkirche

Entwidmung: Keine Gottesdienste mehr im Schweriner Bernohaus

Sinkende Mitgliederzahlen und steigende Kosten haben dazu geführt, dass die evangelische Kirche das Bernohaus aufgegeben hat. mehr

Der Dom zu Bardowick St. Peter und Paul in Niedersachsen. © picture alliance / imageBROKER Foto: Caroline Kreutzer

Evangelische Kirchen verlieren Mitglieder - auch im Norden

Bundesweit verlor die Evangelische Kirche 2023 eine halbe Million Mitglieder - so viele wie nie. Erneut gab es mehr Austritte als Sterbefälle. mehr

Pilger der 166. Telgter Wallfahrt gehen im Gegenlicht auf einer Straße und halten ein Kreuz. © dpa-Bildfunk Foto: Friso Gentsch

Katholische Kirche in Niedersachsen: Austritte auf Rekordhoch

Das Bistum Hildesheim verliert mehr als 16.500 Mitglieder, das Bistum Osnabrück fast 10.500. mehr

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 16.03.2025 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Die 2000er-Jahre

Mehr Geschichte

Wahlwerbung wird plakatiert © dpa picture-alliance/Ulrich Haessler Foto: Ulrich Haessler

Vor 35 Jahren: Erste und letzte freie Volkskammerwahl in der DDR

Am 18. März 1990 findet die erste und letzte freie Wahl in der DDR statt. Das Ergebnis überrascht - und läutet das Ende der DDR ein. mehr

Norddeutsche Geschichte