"Sicherheitsrisiko" - deutsch-deutsche Städtepartnerschaften
Lange Zeit sind deutsch-deutsche Städtepartnerschaften undenkbar - bis 1986 die erste Partnerschaft zwischen Eisenhüttenstadt und Saarlouis beschlossen wird. Diese solle jedoch eine Ausnahme bleiben, mahnt die SED an: Das Verhalten der Bundesrepublik gegenüber der DDR mache Städtepartnerschaften auf breiter Ebene unmöglich. Dennoch können im Laufe der Jahre weitere Städtepartnerschaften gegründet werden. Im März 1989 sind es bereits 38. Doch die Städtepartnerschaften zwischen Ost und West bleiben bis zum Mauerfall schwierig. Beide Seiten verfolgen unterschiedliche Interessen: Wandel durch Annäherung, so lautet das politische Kalkül auf westdeutscher Seite. Die SED erhofft sich durch die Allianzen eine außenpolitische Anerkennung der DDR.
"Subversive Angriffe": Schwerin und Wuppertal
1987 wird eine Partnerschaft zwischen Schwerin und Wuppertal geschlossen. Die Vertreter beider Städte treffen sich zur Vertragsunterzeichnung im Schweriner Schloss. Im Rahmen dessen gibt das Kammerorchester der Schweriner Philharmonie ein Konzert. Doch die Beteiligten werden sorgsam voneinander abgeschirmt. Der Orchesterleiter Wolfgang Friedrich erinnert sich: "Wir durften den Vertretern der Stadt Wuppertal im gesamten Schlossbereich nicht begegnen. Wir mussten einen anderen Treppenaufgang benutzen, damit wir die Leute also praktisch privat nicht zu Gesicht bekamen. Wir haben das Konzert abgeliefert und mussten durch die Hintertür wieder raus."
Der Grund: Die SED-Führung betrachtet die Städtepartnerschaften misstrauisch, stuft sie als "Sicherheitsrisiko" ein. In einer Stellungnahme der Staatssicherheit zur "politisch-operativen Sicherung der Städtepartnerschaften" vom 8. Mai 1989 ist von "subversiven Angriffen" sowie "Wühl- und Zersetzungstätigkeit des Gegners" die Rede. Die Stasi hat viel zu tun: Allein die Akten aus den drei Nordbezirken, die zu den Städtepartnerschaften angelegt werden, füllen im Herbst 1989 etliche Ordner.
Während des Aufenthaltes einer Wuppertaler Delegation in Schwerin im November 1986 greift ein Maßnahmeplan des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Dieser sieht unter anderem vor, das Restaurant, das Foyer, die Bar und die Rezeption des Hotels der westdeutschen Gäste zu sichern. Eine Kontaktaufnahme zwischen Ausreiseantragstellern und westdeutschen Besuchern soll verhindert werden. Ein Jahr später registriert die Staatssicherheit während des Besuches einer Wuppertaler Reisegruppe, dass mehrere Teilnehmer der Gruppe Kontakte zu Schweriner Freunden und Verwandten aufnehmen. Eine westdeutsche Besucherin teilt an der Rezeption mit, sie werde bei einer Freundin übernachten. Ein Schweriner Bürger tauchte im Hotel auf und trifft sich mit einem westdeutschen Gast. Die Staatssicherheit schlägt Alarm.
Freundschaft unter Hansestädten: Rostock und Bremen
Die Partnerschaft zwischen den Hansestädten Rostock und Bremen besteht seit August 1987. Noch im selben Jahr wird ein erster universitärer Austausch organisiert. Der Bremer Chemie-Professor Herman Cordes reist mit einer Gruppe von Wissenschaftlern nach Rostock an die damalige Wilhelm-Pieck-Universität. Doch die Atmosphäre, die ihn dort erwartet, ist kühl. Herman Cordes erzählt: "Ich war eingeladen bei den Professoren der Biologie, und ich bat am Anfang darum, dass es eine kurze Vorstellungsrunde gibt. Daraufhin wurde gesagt: Nein, so etwas ist nicht gestattet. Und dann bat ich, ob ich dann vielleicht eine Liste der Gesprächsteilnehmer kriege: Nein, das sei geheim." Der Bremer Professor vermutet schon damals, dass seine Vorträge über Moose und Flechten nicht gerade im Mittelpunkt des Interesses der Rostocker Partner stehen. Ein Wissenschaftsaustausch, wie er ihn sich vorgestellt hatte, kommt nicht zustande.
- Teil 1: "Subversive Angriffe": Schwerin und Wuppertal
- Teil 2: Gesellige Tage: Begegnungen nach der Wende