Hamburger Polizisten als Täter beim Nazi-Terror
Nur wenige Hundert Meter vom Rathaus entfernt wurde gefoltert, misshandelt und getötet: Das Hamburger Stadthaus zwischen Neuem Wall und Stadthausbrücke war in den Zeiten der Nazi-Herrschaft Hauptquartier der Hamburger Polizei und zugleich eine Zentrale des Schreckens. Neue Forschungen zeigen, dass die von dort gesteuerten NS-Verbrechen nicht nur von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) begangen wurden, sondern auch andere Abteilungen der Hamburger Polizei erheblichen Anteil an den Gräueltaten hatten.
"Die Rolle der Hamburger Kriminalpolizei und die Beteiligung der uniformierten Polizei an der Gewaltherrschaft war bisher weitgehend unbekannt", sagt der Historiker Herbert Diercks von der KZ-Gedenkstätte Hamburg-Neuengamme. Der 58-Jährige hat aktuelle Forschungsergebnisse über die NS-Verstrickung der Polizisten zusammengetragen.
Demnach war die Kriminalpolizei auf verschiedenen Ebenen an den nationalsozialistischen Verbrechen beteiligt. Zu ihren Aufgaben gehörte ab 1933 die Überwachung und Verfolgung von "Berufsverbrechern", "Asozialen" und Homosexuellen sowie deren Einweisung in Konzentrationslager. Auch Sinti und Roma wurden verfolgt und schließlich in Vernichtungslager deportiert. Mit der Befugnis der "vorbeugenden Verbrechensbekämpfung" ausgestattet konnten Polizisten die sogenannten Vorbeugehäftlinge ins KZ einweisen, ohne dass es ein Strafverfahren gab.
Razzien gegen Bettler, Juden und Sinti und Roma
So tat sich die Hamburger Kripo bei einer 1938 deutschlandweit angeordneten Razzia gegen "Gemeingefährliche und Asoziale" hervor: Die Beamten in der Hansestadt verhafteten bei der Aktion mindestens 700 Menschen und verschleppten sie in das KZ Sachsenhausen bei Berlin - darunter 60 bis 80 Männer aus dem Nachtasyl "Pik As", viele Juden mit einer Vorstrafe sowie Sinti und Roma. Bereits im Herbst 1933 hatte die kurz zuvor gleichgeschaltete Hamburger Kriminalpolizei 1.400 Bettler in "Schutzhaft" genommen und 108 von ihnen dauerhaft in das Arbeitslager Farmsen eingewiesen.
Während des Zweiten Weltkriegs half auch die Hamburger Kriminalpolizei dabei, geflohene KZ-Gefangene und Zwangsarbeiter wieder aufzugreifen. Kriminalbeamte wurden außerdem zu Auslandseinsätzen rekrutiert und waren teilweise an Massenmorden an der Zivilbevölkerung in der Sowjetunion und Polen beteiligt.
Die Historiker stießen auch auf erschütternde, bisher unbekannte Einzelschicksale, wie das des Altonaer Betriebsschlossers Erich de Giske, der wegen seiner Arbeit in einem Rüstungsbetrieb vom Kriegsdienst befreit war. Weil er wegen eines Liebesverhältnisses von einem Frankreich-Urlaub nicht rechtzeitig heimkehrte, wurde er von der Polizei im Juli 1944 verhaftet und kurze Zeit später im KZ Neuengamme hingerichtet.
- Teil 1: Razzien gegen Bettler, Juden und Sinti und Roma
- Teil 2: KZ-Wächter statt Freund und Helfer