FDJ und Pioniere prägen Kindheit und Jugend in der DDR
Mehr als 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen in der DDR gehörten der sozialistischen Jugendorganisation FDJ und der Pionierorganisation "Ernst Thälmann" an. Materiell gut ausgestattet galt sie als langer Arm der SED.
Als offizieller Gründungstag der Freien Deutschen Jugend (FDJ) gilt der 7. März 1946 - der Tag, an dem die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) die Genehmigung des entsprechenden Antrags erteilte. Wenige Monate nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die SMAD als oberste Besatzungsbehörde in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) am 31. Juli 1945 die Gründung antifaschistischer Jugendkomitees bei den Bürgermeistereien genehmigt. Damit einher ging das Verbot jeglicher anderer Jugendorganisationen. Im Auftrag der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und unter der Leitung Erich Honeckers wurde im September 1945 ein Zentraler Jugendausschuss bei der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung gebildet - und mündete in der Gründung der FDJ als "überparteiliche, einige, demokratische Jugendorganisation".
Von der Überparteilichkeit zur "Kampfreserve der Partei"
Überparteilich blieb die FDJ nicht lange, schnell entwickelte sie sich zu einer SED-dominierten Organisation. Bereits 1947, auf dem II. Parlament in Meißen, wurde neben einer Uniformierung der FDJ-Mitglieder auch die Gründung einer Kindervereinigung beschlossen. Daraufhin traten einige der Vertreter der Blockparteien in der FDJ zurück, andere wurden rausgedrängt oder wollten eigene Organisationen gründen. Das aber wurde von der SMAD untersagt. Gefestigt wurde dieser Kurs auf dem IV. Parlament 1952, welches die Führungsrolle der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) ausdrücklich anerkannte und das Organisationsprinzip des demokratischen Zentralismus übernahm.
Abgeschlossen wurde dieser politische Formierungsprozess auf der 16. Zentralratstagung der FDJ am 25. April 1957. Die FDJ wurde zur "sozialistischen Jugendorganisation der DDR" erklärt und in ihrer Rolle als "zuverlässiger Helfer und Kampfreserve der Partei der Arbeiterklasse" bestätigt.
Das Parlament der FDJ
Das nominell höchste Verbandsorgan der FDJ war laut Statut das seit den 50er-Jahren alle fünf Jahre - jeweils nach dem SED-Parteitag- zusammentretende "Parlament der FDJ". Seine Delegierten wurden nach dem sogenannten Delegiertenschlüssel in Verantwortung der FDJ-Bezirksleitungen ausgewählt. Dieser Wahl wurde weniger die Befähigung der Kandidaten zugrunde gelegt, vielmehr galt es, mit peinlicher Genauigkeit die durch den Schlüssel festgelegten Bewerberkriterien zu erfüllen. Die Parlamente selbst waren reine Propagandaveranstaltungen mit endlosen Reden und gestellten Begeisterungskundgebungen. Überraschungen waren ausgeschlossen. Diskussionsbeiträge mussten vorher eingereicht werden und wurden von den Leitungen genehmigt.
Masseninitiativen und Freizeitangebote: FDJ als Gehilfin der SED
Die FDJ wollte stets wirkungsvolle ökonomische Masseninitiativen entwickeln, etwa in Form von Jugendprojekten wie des Wettbewerbs Messen der Meister von Morgen (MMM). Die Jugend sollte als Schrittmacher - nicht als Mitmacher - gesellschaftlicher Prozesse exponiert werden. Dafür wurden vielfältige Aktionen gestartet: In den 40er-Jahren gab es zum Beispiel die Aktion "Jugend auf die Traktoren", 1959 wurde gemeinsam mit der DVP durch "Hugo Leichtsinn" auf Fahrlässigkeit im Verkehr aufmerksam gemacht, in den 60er-Jahren durch die Aktion "Ochsenkopf" auf westlich ausgerichtete Fernsehantennen. Gerade hier wurde deutlich, wie sehr die FDJ Gehilfin der SED war. Die seit den 70er-Jahren sportlich betriebene Ermittlung des "stärksten Lehrlings" stieß bei den jungen Männern (und zuschauenden Mädchen) auf große Resonanz.
In anderen Bereichen unterbreitete die FDJ Freizeitangebote: Sie beteiligte sich an Kinder- und Jugendspartakiaden, organisierte und finanzierte FDJ-"Singeklubs" sowie Jugendklubs mit Tanzveranstaltungen, seit den 70er-Jahrren auch mit Disco. Auch ein großer Teil der Ferien- und Urlaubszeit von Schülern, Lehrlingen und Studenten wurde durch die FDJ organisiert: in Form von Ferienlagern, Ernteeinsätzen, Wanderfahrten, Studentensommer sowie durch Reiseangebote des FDJ-eigenen Reisebüros "Jugendtourist".
"Seid bereit!" - "Immer bereit!": Vom Jungpionier zum Thälmannpionier
Die alltägliche Jugendarbeit fand in den Schulen statt: Für die Sechs- bis 14-Jährigen durch die Pionierorganisation, danach durch die FDJ. Häufig erfolgte der feierliche Beitritt in die jeweilige Organisation im Klassenverband. Zwar war die Mitgliedschaft formal freiwillig, doch da Nichtmitglieder mit Benachteiligungen rechnen mussten, machten die meisten mit (1982 waren 86,6 Prozent der Sechs- bis 14-Jährigen Pioniere, 77,2 Prozent der 14- bis 25-Jährigen waren Mitglieder der FDJ). Oberschüler und Studenten waren faktisch alle in der FDJ. Nur bei der Fachrichtung Theologie duldete man Ausnahmen.
Der am 13. Dezember 1948 als "Verband der Jungen Pioniere" von der FDJ gebildeten Pionierorganisation wurde 1952 der Name "Ernst Thälmann" verliehen. In der Folge wurden die Mitglieder der ersten bis dritten Klasse als Jungpioniere, die der vierten bis siebten Klasse als Thälmannpioniere bezeichnet. Ihre Uniformierung war einheitlich: weiße(s) Bluse/Hemd, an den Ärmeln die Funktions-Embleme, blaue(r) Rock/Hose, die Kleinen ein blaues, die Älteren (ab 1973) ein rotes Halstuch, gebunden im "Pionierknoten".
In ihren Ritualen und Darstellungsformen knüpften die Pioniere an den Ideen der "Roten Jungpioniere" an, der bis 1933 bestehende Kinderorganisation der KPD. Ihre Symbole: Fahne und Wimpel, Trommel und Fanfare, der Gruß: "Seid bereit!" - "Immer bereit!"
Die "privilegierte Schicht" der Kinder
Die materiellen Voraussetzungen für die Pionierarbeit an den Schulen waren gut. "Die einzige privilegierte Schicht in der DDR sind die Kinder", so die damalige Volksbildungsministerin Margot Honecker. So war es möglich, interessante Veranstaltungen auszurichten. Dazu trugen auch die sogenannten Paten bei. Auf Patenschaftsbeziehungen zwischen einzelnen Pioniergruppen und Betrieben oder auch Einheiten der Nationalen Volksarmee (NVA) legte man großen Wert, insbesondere wenn es sich um "Brigaden der sozialistischen Arbeit" handelte. Als Gegenleistung der Kinder standen regelmäßige Altstoffsammlungen an, die auf eine große öffentliche Resonanz stießen. Die Kinder waren weniger begeistert, landeten die erzielten Erlöse doch bestenfalls in der Pionierkasse, wenn sie nicht einer der zahlreichen Solidaritätsaktionen zugute kamen.
Gleich der FDJ sorgte auch die Pionierorganisation für regelmäßige Freizeitangebote für ihre Schützlinge. Etwa 150 Pionierhäuser gab es, in 50 zentralen Pionierlagern konnten die Ferien verbracht werden, selbst ein zentraler Pionierpark und die Pionierrepublik fehlten nicht. Alljährlich wurde durch die NVA das Manöver "Schneeflocke" organisiert. Ein militantes Geländespiel, das jedoch bei vielen Eltern auf Kritik stieß. Auch sonst fehlte es nicht an vormilitärischen Übungen.
Quelle: u.a. www.mdr.de/damals