Stand: 11.02.2014 11:30 Uhr

"Erlebnisse, die sich einprägen"

von Levke Heed
Blick auf ein durch Schneemassen von der Außenwelt abgeschnittenes Gehöft im Kreis Rendsburg-Eckernförde. © picture-alliance / dpa
Von der Außenwelt abgeschnitten: Blick auf ein Gehöft im Kreis Rendsburg-Eckernförde.

Der Sprung aus dem Hubschrauber der Bundeswehr endet in einer meterhohen Schneewehe. Bepackt mit Kamera, Stativ und Mikrofon versucht sich das NDR Fernsehteam um Redakteur Jürgen Grossmann freizukämpfen. Unterdessen nähert sich ein Landwirt und schreit aufgeregt: "Könnt ihr helfen, könnt ihr helfen?" Als er erkennt, dass es sich lediglich um ein TV-Team handelt und nicht um einen Montage-Trupp des Stromversorgungsunternehmens Schleswag, ist er den Tränen nahe. Seine Kühe stehen im Stall und können aufgrund des Stromausfalls nicht gemolken werden. "Meinen Sie, es kommt noch jemand? Die Tiere stehen im Stall und brüllen", erklärt der verzweifelte Bauer.

Dieses Erlebnis während der Schneekatastrophe 1978/79 ist Jürgen Grossmann besonders in Erinnerung geblieben. "Wir haben ihn dann beruhigt und ihm gesagt, dass wir ja auch wieder abgeholt werden und dann sicherlich Hilfe kommt", erzählt der Journalist. "Das sind Erlebnisse, die sich einprägen".

"Wir waren das einzige Kamerateam"

"Wir waren das einzige Kamerateam in ganz Schleswig-Holstein. Wir waren Monopolisten", erinnert sich Grossmann. Denn zur dieser Zeit gab es noch kein privates Rundfunkangebot. Als im Februar 1979 wieder heftiger Schneefall einsetzt und über Nacht erneut ganze Landstriche von der Außenwelt abgeschnitten sind, wird den Redakteuren im Landesfunkhaus Kiel sehr schnell klar, dass sich eine zweite Schneekatastrophe anbahnt. "Es bestand außerhalb der Stadt Fahrverbot. Mit dem Kamerawagen duften wir aber noch fahren", so Grossmann.

Auf der Autobahn 7 zwischen Hamburg und Hannover sind Bergepanzer der Bundeswehr im Einsatz. © picture-alliance / dpa
Der Schnee ist mancherorts so hoch, dass nur noch Bergepanzer der Bundeswehr durchkommen.

Allerdings ist kurz hinter der Stadtgrenze Schluss, Schneeverwehungen machen ein Durchkommen unmöglich. "Richtung Strande war bereits hinter der Hochbrücke alles dicht. Wir sind dann mit Panzern der Bundeswehr mitgefahren. Nicht nur für uns, sondern auch für die Panzerfahrer war das natürlich ein besonderes Erlebnis", sagt Grossmann.

"Da lief zum Teil gar nichts mehr"

Ausgestattet mit NDR Dienstkleidung - bestehend aus Skihose und dicker Outdoorjacke - ist Grossmann tagsüber zum Drehen unterwegs. Besonders in den Gegenden um Lütjenburg, Oldenburg in Holstein, Eckernförde und Rendsburg sammelt das NDR Team Bilder. "Da lief zum Teil gar nichts mehr. Die Straßen waren nicht zu erkennen. Straßenarbeiter gingen mit Stangen vor den Räumfahrzeugen und stocherten nach der Straße, damit die Bundeswehr nicht Autos oder Pfähle kaputt fuhr. An den Straßen wurden rote Makierungsstangen gesetzt. Immer wieder sahen wir verlassene Autos. Von einigen Häusern war nur noch das Dach zu sehen - sonst nichts", so Grossmann.  

Schnell steht genügend Filmmaterial zur Verfügung. In der Nacht wird im Landesfunkhaus getextet und das Material geschnitten. "Damals mussten die Filme noch per Hand und mit einer Schere geschnitten und zusammengesetzt werden. Sogar meine Frau hat in der Nacht mit im Funkhaus gesessen und beim Aufschreiben geholfen", erinnert sich Grossmann. Aus dem Filmmaterial entsteht einen Tag später eine halbstündige Sondersendung.

"Die Leute waren guter Stimmung"

Im Rückblick fällt Grossmann vor allem ein Unterschied zur heutigen Form der Berichterstattung auf: "Alles war relativ unaufgeregt. Nicht wie heute, wenn sich bei drei Zentimeter Schnee die Medien überschlagen und überall Panik herrscht." Und auch bei den Menschen auf den betroffenen Bauernhöfen, die er mit seinem Team besucht, stellt er immer wieder fest, dass dort oft eine heitere Gelassenheit herrscht: "Die Leute tranken Grog und waren guter Stimmung. Das war zum Teil total skurril."

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 08.01.2004 | 19:30 Uhr

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