Als in Hamburg zum zweiten Mal die Olympia-Träume platzten
Hamburg sollte die Olympischen Sommerspiele 2024 nach Deutschland holen. So planten es der Senat und der Deutsche Olympische Sportbund. Aber bei einem Referendum am 29. November 2015 triumphierten die Olympia-Gegner.
Für die Olympia-Befürworter ist das Ergebnis des Volksentscheids ein Schock gewesen. Denn die Zuversicht war groß, dass die Hamburger und Hamburgerinnen die "Spiele am Wasser" absegnen würden. Gut zwei Monate vor dem Referendum ergibt eine Umfrage in der Hamburger Bevölkerung: 63 Prozent begrüßen die Bewerbung.
Die Nutzung nach Olympia gleich mitgedacht
Auf dem Kleinen Grasbrook im Hafen sollte ein völlig neuer Stadtteil entstehen - mit Olympia-Stadion und Olympischem Dorf. So sollte der lang gehegte Traum der Stadtplaner vom "Sprung über die Elbe" Wirklichkeit werden. Die Pläne waren weit fortgeschritten. Das besondere Augenmerk lag auf möglichst nachhaltigen und kostengünstigen Spiele. So sollte beispielsweise das Stadion im Anschluss an die Sommerspiele umgebaut werden - mit dann weniger Sitzplätzen, aber Hunderten Wohnungen.
Auf dem Wahlzettel an jenem November-Sonntag steht: "Ich bin dafür, dass sich der Deutsche Olympische Sportbund mit der Freien und Hansestadt Hamburg um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele im Jahr 2024 bewirbt."
Olympia 2024? Hamburg ist dagegen, Kiel dafür
Am Wahlabend schürt dann auch die ZDF-Prognose um 18 Uhr bei den Olympia-Fans die Hoffnung auf ein Happy End: Es heißt, 56 Prozent hätten für die Olympia-Bewerbung gestimmt. Aber bei der Auszählung der Stimmen zeigt sich bald: Es ist ein knappes Rennen. Und kurz vor 21 Uhr ist schließlich klar: Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler stimmte mit Nein. 51,6 Prozent sind es am Ende. Die 315.181 Ja-Stimmen reichen nicht. Da hilft es auch nicht, dass sich in Kiel, wo die Segelwettbewerbe stattfinden sollten, die Mehrheit für Olympia ausspricht - mit 65,6 Prozent. Das ergibt ein Bürgerentscheid am selben Tag.
Scholz: Ich hätte mir eine andere Entscheidung gewünscht
Mit versteinerten Mienen tritt Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am späten Abend im Rathaus vor die Presse. "Ich hätte mir eine andere Entscheidung gewünscht, aber sie ist klar, und das Ergebnis ist zu akzeptieren." Scholz hatte sich für Olympia stark gemacht. Er stellt klar, dass die Bewerbung endgültig gescheitert ist. Der Olympia-Traum ist geplatzt!
Neben Scholz steht der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann. "Wir sind mit Hamburg aufgebrochen, um Sportdeutschland neue Perspektiven zu geben. Diese Chance für die nächste Generation ist nun nicht gegeben", so Hörmann. Acht Monate zuvor hatte der DOSB einstimmig beschlossen, sich mit Hamburg um die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2024 zu bewerben.
"Für Hamburg war es eine wahnsinnige Chance"
Hamburgs Sportsenator Michael Neumann ringt wie so viele Olympia-Befürworter um Fassung: "Es ist schwer zu glauben, dass Hamburg Nein zu der wahnsinnigen Chance gesagt hat. Für mich ist das Ergebnis nicht nachvollziehbar. Ich bin so überrascht, wie man nur sein kann", sagt Neumann dem NDR. Auch der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) meldet sich noch am Wahlabend zu Wort: "Als Bundesinnenminister und damit auch Sportminister bedaure ich das heutige Votum. Leider ist es nicht gelungen, eine Mehrheit der Hamburger Bürger von der Idee Olympischer und Paralympischer Spiele in Deutschland zu überzeugen."
Milliarden-Kosten sind ein Streitthema
Warum haben so viele Menschen in Hamburg gegen die Olympischen Spiel gestimmt? Ein wichtiger Punkt der Kritiker waren die Milliarden-Kosten. Scholz sprach zwar von der "am besten durchgerechneten Olympia-Bewerbung, nicht nur in Deutschland, ever". Oberstes Ziel sei es, keine neuen Schulden zu machen, so der damalige Bürgermeister. Die Olympischen Spiele sollten insgesamt rund 11,2 Milliarden Euro kosten. Da der Erlös auf 3,8 Milliarden Euro geschätzt wurde, sollten auf den Steuerzahler 7,4 Milliarden Euro zukommen. Scholz schloss kategorisch aus, dass Hamburg sich mit mehr als 1,2 Milliarden Euro an den Kosten beteiligen würde. 6,2 Milliarden sollte der Bund übernehmen. Aber: Aus Berlin hat es vor dem Referendum keine Finanzgarantie gegeben. Das spielte den Olympia-Gegnern in die Karten.
Gegenwind von Initiative NOlympia
Am wirkungsvollsten war die Kampagne der Initiative NOlympia - mit dem Motto "Lasst uns gemeinsam den Olympia-Wahnsinn stoppen!". Die Gegner einer Bewerbung sahen das Internationale Olympische Komitee (IOC) kritisch und sprachen von einem "Ausverkauf der Stadt": "Wenn wir uns angucken, was die Stadt geplant hat, dann ist das unfassbar größenwahnsinnig. So viele Milliarden, die da verschlungen werden, das halten wir für sehr problematisch", sagte NOlympia-Sprecherin Marie Behr. Die Initiative befürchtete steigende Mieten und eine Verdrängung von Menschen aus ihrem Stadtviertel - "wie sie überall die Folge waren, wo olympische Spiele stattgefunden haben". NOlympia skizzierte das Bild von einem "Megaevent, das für uns nur im Fernsehen stattfinden wird, während in der ganzen Stadt der Ausnahmezustand zur Regel wird".
Wenig überraschend freut sich die Initiative über den Ausgang des Referendums. "Das Nein zu Olympia war ein wohlüberlegtes Nein", teilte NOlympia mit. Viele hätten die "Hochglanz-Olympia-Vision des Senats" nicht geteilt. "Viele Bürgerinnen und Bürger können sich schon jetzt die Mieten und den Unterhalt in dieser Stadt kaum leisten. Im Zuge von Olympia befürchteten sie einen weiteren Anstieg der Lebenshaltungskosten."
Auch das noch: Bewerbungskosten in Millionenhöhe
Der geplatzte Traum von den Olympischen Spielen 2024 kommt Hamburg recht teuer zu stehen. Bundesinnenmister de Maizière teilt dem Senat nach dem Referendum mit, dass der Bund sich nicht an den Kosten für die gescheiterte Bewerbung beteiligen wird. Folglich muss Hamburg die offiziell genannten Kosten in Höhe von 12,6 Millionen Euro selbst aufbringen. Rund 2,4 Millionen Euro davon steuern private Unternehmen bei.
Schon aus Olympia 2012 war nichts geworden
Für Hamburg ist es der zweite erfolglose Anlauf. Bereits die Olympischen Spiele 2012 sollten an die Elbe geholt werden. Schon damals sahen die Pläne vor, das Olympia-Stadion im Hafen nahe den Elbbrücken zu bauen. "Spiele der kurzen Wege" lautete das Motto. Die Austragungsorte von rund 90 Prozent aller Sportarten sollten fußläufig erreichbar sein, die meisten davon in der damals noch weitgehend unbebauten Hafencity. Aber im nationalen Auswahlverfahren setzte sich im Jahr 2003 überraschend Leipzig durch. Auch damals war der Schock über das abrupte Ende der Olympia-Pläne im Hamburger Rathaus groß. Für 2012 machte schließlich London das Rennen, im Sommer 2024 ist nun Paris dran.
Neuer Stadtteil Grasbrook entsteht
Nach dem Olympia-Referendum 2015 wandern die Pläne für einen neuen Stadtteil im Hamburger Hafen zunächst in die Schublade. Aber die Idee vom "Sprung über die Elbe" lebt fort. Und so verkündet Olaf Scholz knapp zwei Jahre nach dem Olympia-Referendum im September 2017, dass auf dem Kleinen Grasbrook nun doch ein neuer Stadtteil entstehen soll. Das Überseezentrum auf dem Gelände wird daraufhin im Jahr 2021 abgerissen. Vorgesehen sind 3.000 Wohnungen und 16.000 Arbeitsplätze. Auch ein großer Park und eine Ufer-Promenade sind geplant. Zudem wird das Deutsche Hafenmuseum mit dem Museumsschiff "Peking" im Stadtteil Grasbrook einen neuen Platz finden.
Kommt doch noch eine Olympia-Bewerbung?
Sind Hamburgs Olympia-Träume endgültig ausgeträumt? Der DOSB hält eine weitere Bewerbung aus Deutschland für möglich. Derzeit wird der Rahmen abgesteckt, ob eine Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2036 und 2040 beziehungsweise die Winterspiele 2038 oder 2042 angegangen werden soll. Eine Entscheidung soll im Laufe des Jahres 2024 fallen. Als ein möglicher Austragungsort für die Sommerspiele wieder im Gespräch: Hamburg.