Arbeiten, spenden, helfen: Junger Einsatz am Sozialen Tag
In Schleswig-Holstein findet am 4. Juni 1998 der erste Soziale Tag statt. Das Prinzip: Schülerinnen und Schüler arbeiten einen Tag und spenden ihren Lohn an Schüler Helfen Leben (SHL). Die Jugendorganisation finanziert damit Projekte in Südosteuropa, Jordanien und der Ukraine.
Im Sommer 1992 herrscht Krieg im ehemaligen Jugoslawien. In Sarajevo und anderen Städten wird gekämpft. Auch Zivilisten, darunter Jugendliche und Kinder, sind unter den Opfern. Schülerinnen und Schüler einer Schule im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach wollen nicht tatenlos zusehen. Sie packen Pakete mit Hilfsgütern und fahren mit eigenen Kleintransportern nach Kroatien. Insgesamt werden an 300 Schulen über 30 Tonnen Hilfsgüter zusammengetragen.
Aus spontaner Nothilfe wird langfristige Unterstützung
Schüler Helfen Leben nennen sie die Aktion und bald auch den Verein, der aus der spontanen Initiative hervorgeht. Auch Schülerinnen und Schüler aus Schleswig-Holstein beteiligen sich. Vor Ort sehen die Jugendlichen die Zerstörung durch den Krieg. Vielerorts liegen Schulen und Kindergärten in Trümmern. Aus der spontanen Nothilfe entwickelt sich nach und nach langfristige Wiederaufbau- und Versöhnungsarbeit zusammen mit Jugendlichen vor Ort.
Aufbau von Schulen und Kindergärten
1994 erfolgt mit der Hilfe von Schüler Helfen Leben, kurz SHL, der Wiederaufbau einer Grundschule in Mostar. In Sarajevo hilft SHL, fünf Kindergärten wieder instand zu setzen. "Wir haben uns nicht sagen lassen, das klappt sowieso nicht, oder das ist zu gefährlich", erinnert sich Nikolaus Lemberg, der als Schüler Pakete gepackt hat und später im Vorstand sowie als Stiftungsratsvorsitzender von SHL aktiv war.
Kinder und Jugendliche übernehmen Verantwortung für sich und andere in der Gesellschaft und engagieren sich solidarisch für Frieden, Chancengerechtigkeit und Demokratie. Die Vision von Schüler Helfen Leben
Mit viel Engagement und Energie arbeiten die Jugendlichen an den Projekten - doch das Ganze muss auch finanziert werden. Von Beginn an richten die jungen Aktivistinnen und Aktivisten ihren Spendenappell an Kinder und Jugendliche. Sie rufen zur Abgabe von einer D-Mark des Taschengelds auf, um Gleichaltrigen im südosteuropäischen Krisengebiet zu helfen. Doch die Mittel, die so zusammenkommen, sind begrenzt.
Sozialer Tag: Idee aus Schweden
Deswegen greift die Gruppe unterstützt von der Landesschülervertretung und Jungen Presse Schleswig-Holstein eine Idee aus Schweden und Norwegen auf, um ihre Projekte finanziell auf festere Füße zu stellen: den Sozialen Tag. In der Schülervertretungsszene ist der Soziale Tag aus Skandinavien bekannt. Um sich näher zu informieren, fahren zwei Vertreter von Schüler Helfen Leben nach Oslo. Zurück in Schleswig-Holstein geht es direkt an die Planung und Umsetzung des einfachen Prinzips: Einen Tag lang arbeiten Schülerinnen und Schüler in einem Betrieb. Ihren Lohn spenden sie für einen gemeinnützigen Zweck - in diesem Fall an Schüler Helfen Leben.
Heide Simonis unterstützt ersten Sozialen Tag
Am 4. Juni 1998 findet der erste Soziale Tag in Schleswig-Holstein statt, wo Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) die Initiative von SHL unterstützt. Durch die gute Vernetzung der Schülervertretungen im Land können zahlreiche Schulen für die Aktion gewonnen werden. 35.000 Schülerinnen und Schüler beteiligen sich. "Der erste Soziale Tag war ein entscheidender Game-Changer", sagt Nikolaus Lemberg, damals Kassenwart von SHL. Denn die Organisation ist äußerst knapp bei Kasse - will aber ihren Verpflichtungen in Südosteuropa nachkommen, wo verschiedene Projekte laufen und zahlreiche persönliche Bindungen mit den Jugendlichen vor Ort entstanden sind.
Die teilnehmenden Schulen geben ihnen einen Tag frei, um in unterschiedlichsten Betrieben zu arbeiten - zum Beispiel in der Eisdiele, beim Tischler oder beim Radio. Ihren Lohn stellen die jungen Menschen dann SHL zur Verfügung. Von den Spenden des ersten Sozialen Tags wird ein internationales Jugendbegegnungshaus in Sarajevo gebaut.
Sozialer Tag ab 2006 in ganz Deutschland
Zunächst findet der Soziale Tag alle zwei Jahre statt. Kontinuierlich schließen sich mehr Bundesländer der Aktion an. Seit 2006 beteiligen sich bundesweit Schulen am Sozialen Tag, den Schüler Helfen Leben nun jährlich organisiert. Die Summen, die dabei erwirtschaftet werden, fließen direkt in die Projekte von Schüler Helfen Leben beziehungsweise deren langfristige Absicherung durch die inzwischen gegründete Stiftung.
Den bisherigen Rekord hält das Jahr 2002, als rund 3,8 Millionen Euro zusammenkommen. Nach den schwierigen Jahren der Corona-Pandemie spenden 2022 rund 60.000 Schülerinnen und Schüler über eine Million Euro.
Prominente Unterstützung durch Politik und Medien
Die Arbeit der Jugendorganisation findet in Gesellschaft und Politik hohe Anerkennung. Jedes Jahr übernimmt in der Regel die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler die Schirmherrschaft für den Sozialen Tag. Außerdem stellen sich viele Ministerpräsidenten für weitere Schirmherrschaften für ihre jeweiligen Bundesländer zur Verfügung. Zahlreiche Preise würdigen den Einsatz der Jugendlichen für Frieden und Bildung. Unter anderem wird Schüler Helfen Leben 2008 mit dem Hans-Rosenthal-Ehrenpreis ausgezeichnet.
Erste Stiftung von Schülern in Deutschland
Am 1. März 2002 wird die Stiftung Schüler Helfen Leben gegründet. Diese Rechtsform ermöglicht der Organisation langfristige Planbarkeit und finanzielle Absicherung der Projekte. Heute unterhält SHL Büros in Neumünster, Berlin, Lübeck, Sarajevo und Kiew. Um die Projekte und die Organisation des Sozialen Tags kümmern sich hauptsächlich Jugendliche, die ein Freiwilliges Soziales Jahr leisten, sowie ehrenamtliche Schülerinnen und Schüler. Daneben beschäftigt SHL einen kleinen Kreis fester Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein Kuratorium aus Politikern und etwa dem Journalisten Ulrich Wickert steht den Jugendlichen beratend zur Seite.
Sozialer-Tag-Mobil tourt durch Deutschland
Mit dem Sozialer-Tag-Mobil touren Mitglieder der Organisation durch Deutschland und informieren an Schulen über ihre Projekte und den Sozialen Tag. Inzwischen sind deutschlandweit bis zu 500 Schulen angemeldet und unterstützen ihre Schülerinnen und Schüler dabei, am Sozialen Tag in einen Betrieb zu gehen. Das ermöglicht den Jugendlichen nicht nur, sich sozial zu engagieren. Auf diesem Weg können sie auch in verschiedene Tätigkeitsfelder schnuppern - als Orientierungshilfe für die späteren Berufswahl.
2013: Hilfe für syrische Geflüchtete in Jordanien
2013 beschließt Schüler Helfen Leben, zusätzlich zu der Arbeit in Südosteuropa auch geflüchteten syrischen Kindern und Jugendlichen zu helfen. Im Flüchtlingslager Zatari und später in der jordanischen Hauptstadt Amman unterstützt SHL Projekte für Geflüchtete und junge Jordanier. Die Jugendlichen haben hier eine sichere Anlaufstelle und bekommen verschiedene Bildungsangebote.
2022: Sozialer Tag auch für die Ukraine
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 engagiert sich SHL auch für ukrainische Kinder und Jugendliche. In der West-Ukraine, in Polen und Moldau kümmert sich die Organisation um geflüchtete junge Menschen. Außerdem werden in der gesamten Ukraine Camps veranstaltet, bei denen ukrainische Kinder und Jugendliche ein wenig Abstand vom Kriegsgeschehen bekommen können.
Auch 2023 steht der Soziale Tag, der am 4. Juli stattfindet, im Zeichen des Konflikts in der Ukraine. Und auch die Projekte in Südosteuropa und in Jordanien werden weiterhin unterstützt.