"La mer!": Mit dem Auto nach Frankreich
Wie haben wir eigentlich früher Urlaub gemacht? Als es weder Online-Portale noch Billigflieger gab? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von NDR Info erinnern sich - dieses Mal: Katharina Mahrenholtz.
Erst mal mit dem Renault R20 von Braunschweig nach Neu-Isenburg zum Autozugbahnhof. Gefühlte 40 Grad, natürlich keine Klimaanlage, drei Kinder hinten, Streit nach wenigen Kilometern: "Mach dich nicht so dick!", "Igitt, dein Arm klebt!" oder "Jetzt halte ich mal das Radio!".
Ein Autoradio gab es nicht, stattdessen wurde das Kofferradio mit Kassettenlaufwerk mitgenommen und zwischen zwei Kindern platziert. Zum Urlaubsstart bekamen wir neue Kassetten: "Reise zum Mittelpunkt der Erde", "Hannibals Weg über die Alpen", "Loriot" oder "Fünf Freunde". In den Kassettenpausen - verordnet, um die Batterien zu schonen - haben wir Kinder die Hörspiele mit verteilten Rollen nachgesprochen. So erreichten wir nach vier Stunden den Verladebahnhof für den Autoreisezug. Jetzt ging der Urlaub richtig los.
Der Urlaub beginnt im Autoreisezug
Nachts in Metz aus dem Fenster gucken - gelbe Laternen, französische Schilder, zum Frühstück gab es frisches Baguette, das irgendwo an Bord genommen wurde. Und dann irgendwann sah man etwas Blaues am Horizont. "La mer!", sagte mein Vater jedes Mal. Ein stehender Begriff, wenn irgendwo ein Streifen Meer auftauchte.
Endstation Narbonne, von dort aus ging es noch mal eineinhalb Stunden nach Süden. Das Ziel: ein kleiner Mittelmeerort, ein schlichtes Appartement, zehn Minuten vom Strand. Wir waren die einzigen Deutschen, drei blonde Kinder, die Franzosen wollten immer unsere Haare anfassen. Morgens Strand, mittags Appartement, nachmittags Strand, abends Spaziergang, manchmal Folklore.
Unvermeidlich: der Familienausflug
Und irgendwann dann das Unvermeidliche: "Morgen machen wir einen Ausflug", sagten die Eltern. "Och neeeeee", sagten die Kinder. Im günstigsten Fall ging es nur in den nächsten Küstenort oder in das nahe Kloster Elne, wo es herrlich kühl war und wir für einen Franc eine Opferkerze anzünden durften. Gefürchtet waren lange Touren in die Pyrenäen, im heißen Auto über Serpentinenstraßen. Legendär der Ausflug zur Abtei Saint-Martin du Canigou. 40 Minuten (gefühlt zwei Stunden) steil den Berg hoch, in sengender Hitze. Das ständige Mitschleppen von Trinkflaschen gegen Dehydrierung war 1979 ein Phänomen der Zukunft. Erst auf dem Rückweg fanden wir ein schattiges Café. Jetzt hieß es "Cola oder Eis", ein Standard-Dilemma des Urlaubs.
"Un Coca s'il vous plaît. Une glace s'il vous plaît. Merci Monsieur!" - auch wenn es Überwindung kostete: Die Grundkommunikation sollte in der Landessprache erfolgen. Mein Vater las am Strand zudem den "Midi-Libri", das Kofferradio im Appartement war auf den regionalen Sender eingestellt, manchmal wurde das Programm auch aufgenommen - auf Kassette.
Nach drei Wochen Sonne und Exotik ein letzter Höhepunkt: Kleingeld ausgeben. Die Centime-Münzen, die man nicht zurücktauschen konnte, wurden gerecht aufgeteilt und wir durften im Kiosk dafür kaufen, was wir wollten.