Katharina Hanen: Kommt die späte Würdigung für eine "Hexe"?
Als eine der Ersten wurde Katharina Hanen 1444 in Hamburg als "Hexe" hingerichtet. Eine Onlinepetition fordert nun eine Straße nach ihr zu benennen, um an die Opfer der Verfolgung zu erinnern.
Wenn ein christlicher Mann oder Frau der/die ungläubig ist und mit Zauberei und Vergiftung umgeht und auf der frischen Tat ertappt wird, den/die soll man auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Hamburger Stadtrecht von 1497
Katharina Hanen hatte keine Chance: 1444 ist sie eine der ersten Frauen, die in Hamburg des Hexenzaubers angeklagt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird. Zeugen gibt es keine, ihr Geständnis wurde möglicherweise unter Folter erpresst. Die Quellenlage ist jedoch dünn, die genauen Anklagepunkte unklar. Dokumentiert ist zumindest, dass dem Büttel Johann Prangen die Unkosten für das Holz und Pech der Verbrennung der "incantatrix" aus der Stadtkasse erstattet werden.
Hamburg ist keine Hochburg der Hexenverfolgung, aber mindestens 40 Frauen trifft dasselbe Schicksal wie Katharina Hanen. Sie alle hatten sich des "Schadenszaubers, der Giftmischerei oder zauberischer Wahrsage- und Heilkunst" schuldig gemacht. Mit dem Fortschreiten der Reformation mehren sich auch die Hexerei-Anklagen. Der letzte Hexenprozess der Hansestadt wird 1642 vollzogen: Cillie Hemels wird wegen "Abfalß von Gott, ihrer Zauberei und gegen ihren eigenen Mann begangene Mordthat" verbrannt. Auch ihr Name ist heute fast vergessen, denn die Erinnerung an die Opfer der Hexenjagd ist in Hamburg alles andere als präsent. Aus diesem Grund hat Jan Vahlenkamp eine Onlinepetition ins Leben gerufen, die sich dafür einsetzt, eine Straße in der Stadt nach Hanen zu benennen. So soll an die Opfer der Hexenverfolgung erinnert werden.
"Hexenwahn war eine Verschwörungsideologie"
Doch dem studierten Politikwissenschaftler geht es nicht in erster Linie um die Historie: "Der Hexenwahn war die erste neuzeitliche Verschwörungstheorie, die Verfolgung ein Angriff auf die Außenseiter", und die Muster hätten sich seitdem nicht verändert. "Damals wurde halluziniert, es gäbe eine riesige Hexensekte, die im Verborgenen operiert und der Bevölkerung großen Schaden zufügen würde", sagt Vahlenkamp. Heute, 500 Jahre später, hießen die Denunzianten Reichsbürger oder Trolle und suchten Foren, um gegen Minderheiten zu wettern, sie der Verschwörung zu bezichtigen oder vor Geheimbünden zu warnen. Dementsprechend versteht Vahlenkamp seine Petition auch als Denkanstoß, um vor der Gefahr dieses Denkens zu warnen.
Auslöser der Hexenprozesse des Mittelalters und der frühen Neuzeit waren oftmals Alltagskonflikte, Nachbarschaftsstreitigkeiten. Aus Neid, Eifersucht, wegen Krankheit oder einem anderen Unglück wurden Sündenböcke gesucht und dementsprechend Gerüchte gestreut. Hexen werden für Ernteeinbußen und Epidemien verantwortlich gemacht. Anders als heute oftmals angenommen, waren nicht nur Frauen Opfer der Verfolgung: "Deutschlandweit waren 20 bis 25 Prozent unter ihnen männlich", sagt Katrin Möller, Historikerin an der Uni Halle. Die Prozesse wurden von weltlichen Gerichten geführt. So standen den Hexerei-Angeklagten auch in Hamburg Verteidiger zur Seite.
Hexen statt hanseatischen Kaufmännern
Fast 50 deutsche Städte haben die Opfer des Hexenwahns inzwischen moralisch-ethisch rehabilitiert. Nur Hamburg habe diese Chance bislang verpasst, kritisiert Vahlenkamp. "Als Spiegel der Stadtgeschichte wäre es doch durchaus sinnvoll, Straßen nicht nur nach verdienten hanseatischen Kaufmännern zu benennen, sondern auch nach Katharina Hanen, der ersten verbrannten Hexe".
Komplett außer Acht gelassen, hat Hamburg die Hexenjagd in seiner Vergangenheit jedoch nicht. Im vergangenen Sommer wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof ein Gedenkstein eingeweiht, der die Opfer der Hexenverfolgung ehren soll. Zudem wurde beschlossen, in Ochsenwerder eine Straße nach Abelke Bleken zu benennen. Die Frau wurde 1583 wegen Schadenszauber und Teufelspakt verbrannt. Ihr erpresstes Geständnis ist laut der Hamburger Hexenforscherin Roswitha Rogge das einzige seiner Art in Hamburg.
Reformationsgedenkjahr als idealer Zeitpunkt
Den Antrag für eine Katharina-Hanen-Straße muss Petitions-Initiator Vahlenkamp bei einem der Bezirksämter oder dem Rathaus einreichen. Bis dahin hat er sich ein halbes Jahr Zeit gegeben, um Stimmen zu sammeln, die seinem Anliegen mehr Gewicht verleihen. 151 Unterstützer haben bislang unterzeichnet. Die Senatskommission entscheidet letztlich über die Umbenennung. Aus Sicht des Politologen wäre das kommende Jahr ideal, um die Würde der Hexerei-Verurteilten wiederherzustellen: Denn die Kirche feiert das 500-jährige Jubiläum der Reformation. "Zeit auch der Leidtragenden der Kirche zu gedenken", so Vahlenkamp.