Mythos Walpurgisnacht: Der Tanz mit dem Teufel durchs Feuer
Anders als der Glaube an Hexen und die damit verbundene Hexenverfolgung ist der Mythos um die Walpurgisnacht auf dem "Blocksberg" vergleichsweise jung. Vermutlich ist er erst vor gut 300 Jahren entstanden.
In der Nacht zum 1. Mai fliegen Hexen auf Besen zum Blocksberg, gemeint ist der Brocken im Harz, um mit dem Teufel zu tanzen. Die Legende um die Tradition des Tanzes ums Feuer fasziniert Menschen noch immer und wird bis heute aufrechterhalten. Sie geht auf heidnische Frühlingsfeste und eine Portion Aberglauben in Nord- und Mitteleuropa zurück.
Heilige Walburga ist Namengeberin der Walpurgisnacht
Die Namensgeberin des nächtlichen Hexentanzes ist die Heilige Walburga, eine englische Äbtissin. Walburga - auch Walpurga - 710 in England geboren, soll eine Tochter des Königs von Wessex gewesen sein. Nach dem Tod der Eltern kommt sie in die Obhut von Nonnen und Mönchen, studiert das Wissen ihrer Zeit. Mit 25 Jahren holt ihr Onkel sie nach Deutschland, Walburga wird Äbtissin des bedeutenden Klosters Heidenheim, hier leben Männer und Frauen nach dem Prinzip: beten und arbeiten. Walburga soll verschiedene Wunder gewirkt haben. 100 Jahre nach ihrem Tod wird sie am 1. Mai 870 heiliggesprochen. Deshalb heißt der Vorabend zu ihrem Gedenktag Walpurgisnacht.
Zum Hexentanz in den Mai gibt es also keine Verbindung. Im Gegenteil: Walburga gilt unter anderem als Schutzpatronin gegen Seuchen, Hungersnot, Missernten und böse Geister. Sie wirkt damit allem von vermeintlichen Hexen ausgehendem Unheil entgegen.
Beltane: Keltisches Fest als Ursprung der Walpurgisnacht
Der Ursprung der Walpurgisnacht geht auf das keltische Fest Beltane zurück. Noch heute begrüßen die Menschen in Irland, Schottland und England in dieser Nacht den Sommer. Dafür zünden sie große Feuer an - diese symbolisieren das Licht und die Sonne. Die Legende um die Walpurgisnacht hat allerdings keine keltischen Ursprünge. "Zwischen den Hexenverfolgungen der frühen Neuzeit und den antiken Zeugnissen über keltisches Brauchtum liegen viele, viele Jahrhunderte", sagt der Historiker Thomas Becker.
Goethe beschreibt große Hexenversammlung im "Faust"
Bis heute beflügelt der Name Walpurgis die Fantasie: Hexentanz zu nächtlicher Stunde, Paare springen durch lodernde Flammen. Erstmals wird der Blocksberg 1669 als Ort der Hexenversammlung von Johann Praetorius in seinem Werk "Blockes-Berges-Verrichtung" erwähnt, einer Sammlung von Hexengeschichten. Gemeint ist mit dem Blocksberg der Brocken im Harz - richtig bekannt gemacht hat den Berg Johann Wolfgang Goethe, der den Brocken 1777 erstmals erklimmt. Der Dichter thematisiert die Walpurgisnacht als alljährliche große Hexenversammlung in seinem berühmten "Faust" von 1808.
Der "Frühling webt schon in den Birken", spricht Mephisto am Anfang der Walpurgis-Szene. Da geht es am Vorabend des 1. Mai hinauf zum Blocksberg, dem Brocken. "Da seh ich junge Hexchen, nackt und bloß. Und alte, die sich klug verhüllen ... Komm mit! Komm mit!", spricht Mephistopheles in einer Szene des Romans.
Frauenbewegung: Hexe als Symbol der Emanzipation
Im Mittelalter feiern angeblich besessene Frauen am Feuer eine Orgie mit dem Teufel. Sie müssen unter Folter gestehen, dass sie "Hexen" sind. Unter ihnen sind Hebammen, Witwen und selbst Kinder. Anders als früher haben die Hexen von heute keine Verfolgung und Strafe zu befürchten. Im Gegenteil: Verkleidete Hexen in bunten Kostümen begehen alljährlich auf dem Brocken ein feuriges Ritual. Seit den 1970er-Jahren ändert sich das Ansehen von Hexen. Längst gelten vermeintliche Hexen nicht mehr als hässlich, aggressiv, unabhängig und böse. Das liegt nicht nur an Figuren wie "Bibi Blocksberg" oder dem Film "Die Hexen von Eastwick", sondern an der Frauenbewegung. Sie entdeckt den Hexenkult für sich und die Hexe als Symbolfigur der Emanzipation.
In den 70ern verkleiden sich Frauen als Hexen, mit Trommeln und Trillerpfeifen treten sie potenziellen Vergewaltigern entgegen und skandieren den Slogan: "Wir erobern uns die Nacht zurück!" Der Hexenkult als eine Form der sozialen und politischen Bewegung hält bis heute weltweit an. So verfluchen in den USA selbsternannte Hexen Donald Trump. Und in Mexiko, Spanien oder Frankreich protestieren Frauen gegen soziale Ungerechtigkeit, Rassismus, Femizide, sexuelle Gewalt und ein Recht auf Abtreibung.
Hexe gilt im heutigen Sprachgebrauch als Schimpfwort
"Guck mal die alte Hexe an!": Wer dieses Wort verwendet, sollte vorsichtig sein. Denn auch wenn der Hexenbegriff heute positiver konnotiert ist, so gilt die Bezeichnung "Hexe" im heutigen Sprachgebrauch als Schimpfwort und erfüllt den Straftatbestand der Beleidigung. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat 2016 dafür eine Strafe von 750 Euro verhängt. Auch die Verdächtigung als Hexe stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Rufs dar, laut eines Urteils des Landgerichts Mannheim.
Dass noch immer jeder Zehnte in der deutschen Bevölkerung an Hexerei glaubt, hat unlängst eine Studie der American University in Washington, D.C. gezeigt. Das Bildungsinstitut hat weltweit Erwachsene repräsentativ dazu befragt. Auch wenn die modernen Hexen in der Nacht zum 1. Mai in Kostümen auf dem Blocksberg freudig ums Feuer tanzen, scheint der Glaube an Hexerei noch immer nicht überwunden zu sein.