Geschichten eines Zollbeamten im Grenzmuseum
von Vera Vester
Wenn nur ein einziges Tütchen geplatzt wäre, hätte der Mann diesen Job wahrscheinlich nicht überlebt. Er hatte nicht nur ein oder zwei, er hatte 150 von diesen Tütchen in sich, in seinem Magen. Fein säuberlich abgepackt: 150 Beutel mit jeweils zehn Gramm reinem Kokain hatte er geschluckt, setzte sich dann mit vollem Magen in den Zug von Amsterdam nach Kopenhagen. Heute schafft man die Strecke in unter elf Stunden. Dem Drogenkurier muss sie wie eine Ewigkeit vorgekommen sein, immer diese Angst erwischt zu werden. Aber vielleicht hat der Mann es am Ende sogar Poul-Erik Petersen zu verdanken, dass zwar seine Kurierfahrt, nicht aber sein Leben ein jähes Ende nahm: Keines der Tütchen war geplatzt, der Traum vom erfolgreichen Schmuggel schon. Poul-Erik Petersen hat ihn erwischt. Der dänische Zollbeamte hatte sich gleich gewundert, warum der Fahrgast ohne Gepäck unterwegs war. Als Petersen dann auch noch auf die Frage, was er denn in Dänemark machen wolle, keine plausible Antwort bekam, war die Sache schnell klar.
Immer ein wacher Blick und ein großes Gespür
Diese ist nur eine von vielen Geschichten, die Poul-Erik Petersen im Jahr des 100-jährigen Bestehens der deutsch-dänischen Grenze von seiner Arbeit zu erzählen hat. 35 Jahre lang war er unterwegs im Grenzgebiet: mal an der Autobahn, mal im Zug, mal am Flughafen. Immer mit einem wachen Blick und dem Gespür dafür, wer Ware dabei haben könnte, die er besser nicht dabei haben sollte. Wenn man Petersen heute trifft, bringt man ihn erst mal nicht mit einem Zöllner in Verbindung. Groß gewachsen ist er zwar, ein schlanker, sportlicher Typ mit Glatze und dünnem Bart. Wenn er dann aber die Ärmel seines Pullovers hochschiebt, seine gebräunten Arme zum Vorschein kommen und die kleinen Augen durch die Brille strahlen, erinnert er mehr an einen kumpelhaften Sportlehrer denn an einen knallharten Beamten in Uniform.
Zollbeamter: "Man sollte ein guter Handwerker sein"
Aber wahrscheinlich macht es genau die Mischung. Denn wenn Petersen beschreiben soll, was einen guten Zöllner ausmacht, antwortet er genau das: "Man muss nett sein, aber nicht zu nett. Man darf keine Angst haben, wenn man bei der Kontrolle mit jemandem konfrontiert wird, der vielleicht mal rumschreit. Man sollte neugierig sein und ein guter Handwerker."
Letzteres ist der gelernte Schlosser - und das kann tatsächlich helfen: Oft hatten Schmuggler ihre Ware im Tank versteckt, irgendwo im Motorraum oder im Ersatzreifen. Da schadete es nicht zu wissen, wie man ein Auto auseinandernehmen kann. "Nur muss man es auch wieder zusammenbauen können", sagt Petersen grinsend.
Poul-Erik Petersen war Rauschgifthundeführer
Einen ersten Verdacht musste Poul-Erik Petersen selbst haben, wenn er ein Auto rauswinken wollte. Bei allem weiteren hatte er meist Hilfe: Er war Rauschgifthundeführer, hatte in den 35 Jahren beim Zoll sechs Hunde, die ihn bei seiner Arbeit unterstützt haben. Hunderte Zigarettenstangen in ausgesägten Europaletten haben sie gefunden, Rauschgiftbeutel im Kraftstofftank oder einen Videorekorder im Motorraum. "Ohne Zweifel ist es ein gutes Gefühl, wenn man was findet. Man ist zufrieden, wenn man den Job gut macht - mit sich und dem Hund", erzählt Petersen lachend.
Alte Stücke in neuer Ausstellung in Padborg
Vor ein paar Jahren ist er in Ruhestand gegangen. Und trotzdem hat er seit Mitte 2018 irgendwie wieder mit seinem Beruf zu tun: Einmal in der Woche trifft er sich im Keller des alten Rathauses in Padborg - unweit der Grenze zu Deutschland - mit anderen ehemaligen Zöllnern, sortiert Dokumente, Bücher, Fotos, beschlagnahmte Ware, nummeriert und katalogisiert sie.
Die Sachen kamen in sechs großen Containern aus dem früheren Zoll- und Grenzmuseum in Kopenhagen. Um all die Stücke aus dem mittlerweile geschlossenen Museum zu retten, will der Leiter des Oldemorstoft-Museums in Padborg sie aufbereiten und eine neue Dauerausstellung zur Zoll- und Grenzgeschichte in seinem Museum errichten. Dafür hat er die freiwilligen Helfer wie Poul-Erik Petersen gewinnen können.
Und natürlich erinnern sich die Kollegen von damals auch an ihre Zeit beim Zoll zurück, "an die Abwechslung, die man hatte, weil man ja nie weiß, was einen erwartet, wenn man mit Menschen zu tun hat", sagt Poul-Erik Petersen. Seinen Job hat er geliebt, versichert er, und würde ihn jederzeit wieder machen.