Junge Frau mit Smartphone senkt ihren Kopf in die Hände. © Fotolia.com Foto: kei907

Depressionen erkennen und rechtzeitig behandeln

Stand: 18.11.2022 11:56 Uhr

Depressionen können unterschiedliche Ursachen haben. Nicht immer sind die Symptome eindeutig. Doch die Behandlung sollte möglichst früh beginnen.

Jedes Jahr erkranken fünf Millionen Menschen in Deutschland an einer Depression. Im Laufe ihres Lebens sind 23 Prozent der Deutschen unmittelbar selbst von einer Depression betroffen, 37 Prozent sind mitbetroffen durch erkrankte Angehörige. Doch noch immer sind Irrtümer und Unwissen über die schwerwiegende Erkrankung weit verbreitet. Viele glauben, dass Depressionen vor allem durch Schicksalsschläge, Stress am Arbeitsplatz oder eine falsche Lebensführung entstehen. Ratschläge wie "Fahr doch mal in den Urlaub" oder gar "Reiß dich zusammen" sind für depressive Menschen allerdings völlig ungeeignet. Und: Die Depression wird als potenziell tödliche Erkrankung gefährlich unterschätzt.

Weit verbreitete psychische Erkrankung

An einer Depression können Menschen in jedem Lebensalter erkranken - von der Kindheit bis ins hohe Alter. Frauen sind etwa doppelt so häufig von einer Depression betroffen wie Männer. Es wird vermutet, dass Frauen wegen hormoneller Schwankungen anfälliger für die Erkrankung sind. Allerdings werden Depressionen bei Männern seltener entdeckt. Sie scheuen sich oft, Schwäche zu zeigen und Hilfe zu suchen. Sie zeigen außerdem andere Symptome als Frauen, zum Beispiel aggressives oder exzessives Verhalten.

Altersspezifische Auslöser

Depressionen älterer Menschen haben oft altersspezifische Auslöser. Der Eintritt ins Rentenalter mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht mit vielen Umstellungen im Bereich der Tagesstruktur, Beschäftigung und vor allem auch der eigenen Wertschätzung einher. Auch der zunehmende Verlust an körperlicher und sozialer Selbständigkeit kann die Stimmung negativ beeinflussen. Wenn zum Beispiel langjährigen Hobbys nicht mehr nachgegangen werden kann und die reduzierte Mobilität den Bewegungsradius zunehmend einschränkt, droht die soziale Isolation der Betroffenen.

Traumata können Auslöser sein

Auch der Verlust des Partners oder gleichaltriger Verwandter, von Freunden und Bekannten geht mit einer starken seelischen Belastung einher. Die Verluste hinterlassen in vielen Fällen ein ausgeprägtes Gefühl an Traurig- und Trostlosigkeit. Nicht selten werden Wunden und Traumata wie Kriegserlebnisse oder andere körperliche und seelische Verletzungen reaktiviert.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen von Depressionen sind noch nicht vollständig geklärt. Eine Depression kann plötzlich - quasi über Nacht - kommen. Sie kann jeden treffen, genau wie jede andere Krankheit. Offenbar spielen bei der Entstehung innere und äußere Faktoren zusammen, zum Beispiel biologische, genetische und psychosoziale Faktoren.

  • Genetische Disposition: Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, ist erhöht, wenn die Erkrankung bereits in der Familie aufgetreten ist.
  • Gestörter Hirnstoffwechsel: Einige Experten glauben, dass ein niedriger Noradrenalin- oder Serotoninspiegel mitverantwortlich für eine Depression ist. Der gestörte Austausch zwischen Nervenzellen kann zu Antriebslosigkeit, Appetitmangel und Schlaflosigkeit führen.
  • Stress: Psychosoziale Belastungen spielen bei der Entstehung von Depressionen eine entscheidende Rolle. Oft gehen negative Lebensereignisse mit Stress einher, zum Beispiel der Tod eines nahestehenden Menschen, Trennung, Jobverlust oder eine schwere Krankheit. Doch auch positive Ereignisse wie die Geburt eines Kindes, Hochzeit oder eine Beförderung erzeugen Stress und lassen die Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu erkranken, steigen. Das Depressionsrisiko steigt allgemein in Lebensphasen mit größeren, tiefgreifenden Umstellungen, zum Beispiel Pubertät oder Rentenbeginn.
  • Verletzlichkeit: Ein besonders hohes Depressionsrisiko haben Menschen, die bereits in der Kindheit traumatische Erlebnisse wie Missbrauch oder Vernachlässigung erlitten haben. Ihnen kann es schwerfallen, mit belastenden Situationen umzugehen.
  • Lebenseinstellung: Menschen, die schlecht von sich, über die Welt und die Zukunft denken, haben ein höheres Risiko. Ein positives Selbstwertgefühl und Optimismus können hingegen vor Depressionen schützen.
  • Körperliche Erkrankungen und Hormon-Fehlregulationen: Erkrankungen des Gehirns und Hormonstörungen wie eine Schilddrüsenunter- oder -überfunktion beeinflussen die Gefühlswelt. Viele depressive Menschen haben erhöhte Werte des Stresshormons Kortisol, das in der Nebennierenrinde produziert wird. Physiologisch betrachtet stehen sie demnach unter Dauerstress. Auch gibt es Hinweise darauf, dass entzündungsfördernde Hormone aus dem Bauchfett (viszerales Fettgewebe) eine Depression anfachen. Zwischen depressiven Erkrankungen und Adipositas besteht eine auffällige Wechselbeziehung: Stark übergewichtige Menschen entwickeln häufiger Depressionen. Das Gleiche gilt für Menschen, die an Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs leiden. Typ-2-Diabetiker haben ein doppelt so hohes Depressionsrisiko wie gesunde Menschen. Verdauungssystem und Stimmung hängen zusammen über die Darm-Hirn-Achse: Das Gehirn kommuniziert mit dem Darm - etwa über Darmmikroben, Hormone, Botenstoffe oder sensorische Neuronen.
  • Medikamente: Herz-Kreislauf-Medikamente (Betablocker), Kortison, hormonelle Verhütungsmittel und einige neurologische Medikamente wie Antiepileptika und Anti-Parkinson-Mittel können Depressionen begünstigen.

Symptome einer Depression

Laut Klassifizierungssystem ICD-10 deuten folgende Symptome auf eine Depression hin:

  • Fast ununterbrochene depressive Stimmung in starkem Ausmaß, die nicht von außen beeinflussbar ist und mindestens zwei Wochen anhält
  • Verlust von Freude und Interessen
  • Antriebslosigkeit oder Müdigkeit

Betroffene fühlen sich über viele Tage hinweg ununterbrochen niedergeschlagen. Selbst positive Erlebnisse können ihre Stimmung nicht verbessern.

Untersuchungen und Diagnose

Schon beim Verdacht auf eine Depression sollten Betroffene einen Arzt, Psychiater oder Psychotherapeuten aufsuchen. Je früher eine Depression erkannt wird, umso besser sind die Heilungschancen. Folgende Fragen könnte der Arzt stellen:

  • War Ihre Stimmung in den letzten Wochen oft niedergeschlagen oder gedrückt?
  • Waren Sie in letzter Zeit häufig antriebslos und müde?
  • Hatten Sie in letzter Zeit gehäuft Selbstzweifel, Schuldgefühle oder negative Gedanken?
  • Leiden Sie unter Schlafstörungen?
  • Hatten Sie in letzter Zeit Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren?
  • Hat sich in letzter Zeit Ihr Appetit verändert?

Selbsttest
Frau schaut nachdenklich aus dem verregneten Fenster. © photocase.de Foto: christophe papke

WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden

Fünf einfache Fragen zur Lebensqualität und Stimmungslage. Bei einem Punktwert (Rohwert) unter 13 sollten Sie mit einem Arzt sprechen. Download (74 KB)

Körperliche Untersuchungen sind für die Diagnose ebenfalls wichtig. Dazu gehören eine Blutuntersuchung und eventuell eine Computertomografie (CT) des Gehirns. Denn auch ein niedriger Blutzuckerspiegel, Vitamin-B12-Mangel, eine Demenz, Schilddrüsenprobleme (meist Unterfunktion) und Veränderungen des Gehirns können Ursache depressiver Symptome sein.

Verschiedene Formen der Depression

Je nach Schweregrad und Verlauf unterscheiden Ärzte verschiedene Formen der Depression:

  • Eine depressive Episode liegt vor, wenn die Symptome mindestens zwei Wochen lang auftreten. Eher selten kommt es im Laufe eines Lebens nur zu einer einzigen depressiven Episode. 75 Prozent der Betroffenen erleiden innerhalb von zehn Jahren einen Rückfall. Je früher eine depressive Episode behandelt wird, desto geringer ist das Rückfallrisiko.
  • Bei einer rezidivierenden depressiven Störung erleben Betroffene immer wieder depressive Episoden. Sie ist die häufigste Form der Depression. Das Leben ist stark eingeschränkt. Viele Betroffene können ihren Beruf nicht mehr ausüben, soziale Beziehungen können zerbrechen.
  • Bei einer chronischen Depression (Dysthymie) leiden Betroffene ununterbrochen an depressiven Symptomen. Diese sind jedoch in der Regel schwächer ausgeprägt. Diese Form wird häufig nicht erkannt. Viele Betroffene halten ihre niedergedrückte Stimmung für normal. Doch auch eine chronische Depression beeinträchtigt die Lebensqualität, die Leistungsfähigkeit und soziale Beziehungen.
  • Von einer bipolaren Störung sprechen Ärzte, wenn sich Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit mit Selbstüberschätzung, extremer Euphorie und übertriebenem Aktionismus abwechseln. Früher wurde diese Form manisch-depressive Störung genannt.

Nebenerkrankungen einer Depression

Depressionen treten häufig zusammen mit anderen psychischen Störungen auf: zum Beispiel Angst- oder Panikstörungen, Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen, Essstörungen oder Demenzerkrankungen. Eine Therapie kann nur dann erfolgreich sein, wenn auch die anderen seelischen Probleme behandelt werden.

Therapie einer Depression

Bestätigt sich der Verdacht auf eine Depression, wird der Betroffene an eine spezialisierte Klinik oder einen ambulanten Psychiater oder Psychotherapeuten weitergeleitet. Diese können einen individuell angepassten Behandlungsplan für den Patienten erstellen.

Wichtig: Depressionen frühzeitig behandeln

Die Voraussetzung, um eine Depression gut behandeln und möglicherweise heilen zu können, ist, dass sie als ernsthafte Krankheit auch erkannt wird. Den meisten Betroffenen kann dann mit einer konsequenten Behandlung gut geholfen werden. Eine Therapie durchbricht depressive Episoden oder lässt sie vollkommen abklingen. Unbehandelt ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Depression über Monate oder Jahre bestehen bleibt. Je früher die Behandlung beginnt, umso besser sind Depressionen heilbar.

  • In leichteren bis mittelschweren Fällen kann bereits eine kognitive Verhaltenstherapie helfen.
  • Oft werden Medikamente (Antidepressiva) eingesetzt, vor allem Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Sie lassen den Serotoninspiegel ansteigen und können die Symptome verbessern. Allerdings dauert es meist Wochen, bis die Medikamente wirken.
  • Für die Behandlung von chronischen und wiederkehrenden Depressionen hat sich die Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie bewährt.
  • Ein zumindest unterstützender Ansatz ist eine antientzündliche, zuckerarme Ernährungsweise, bei bestehendem Übergewicht in Kombination mit einem Achtsamkeitstraining und gegebenenfalls Gewichtsreduktion. Zu beachten ist dabei, dass die Antidepressiva häufig das Gewicht mit beeinflussen. Manche Substanzen können das Gewicht erhöhen: darunter Lithium (Effekt zum Teil dosisabhängig), Valproat, das Tetrazyklikum Mirtazapin und sedierend wirkende trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin. Bei den selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) führt am ehesten Paroxetin ungewollt zu einer Gewichtszunahme. Die Wirkstoffe Agomelatin, Sertralin und Fluoxetin erhöhen das Gewicht laut Studien nicht. Fluoxetin hemmt den Appetit sogar so stark, dass Betroffene untergewichtig werden können.
  • Bei einer schweren Depression empfiehlt sich ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik. Die Behandlung mit Medikamenten, psychotherapeutische Therapieangebote und eine intensive Betreuung helfen Betroffenen, zu einem strukturierten Tagesablauf zurückzukehren. Besteht ein hohes Suizidrisiko, können depressive Menschen auch gegen ihren Willen in eine Klinik eingewiesen werden.
  • Haben Psychotherapie und Medikamente nicht die erhoffte Wirkung und verlieren Betroffene zunehmend den Lebenswillen, kann eine Elektrokrampftherapie hilfreich sein.

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Bewegung und Stressabbau

Wegen des häufig erhöhten Stresshormon-Spiegels bei einer Depression sollten Betroffene nach Möglichkeit Techniken zur Stressbewältigung erlernen: beispielsweise Yoga, Meditation, Qigong oder Autogenes Training. Häufig werden Gebühren für solche Kurse über die Krankenkassen erstattet. Diese Übungen wirken sich ebenso positiv auf die Kontrolle des Essverhaltens wie auf die Stimmung aus. Stimmungsaufhellend ist darüber hinaus Sport. Ganz besonders Laufen in der Natur, an der frischen Luft, "Waldbaden" - aber auch Tanzen, Gymnastik oder was sonst der Neigung entspricht: Jede Bewegung trägt zum Stressabbau und zu einem besseren Körpergefühl bei.

Hilfe für Betroffene

Sollten Sie sich aktuell in einer psychischen Krise befinden, können Sie:

  • zu Ihrem Arzt gehen oder ihn anrufen
  • Kontakt mit einer Klinik mit psychiatrischer Abteilung aufnehmen
  • Kontakt mit dem ärztlichen (psychiatrischen) Bereitschaftsdienst (bundesweite Tel.: 116 117) aufnehmen
  • sich an ein Hilfs- bzw. Beratungsangebot für akute Krisensituationen wenden.

Folgende Stellen bieten Hilfe an:

  • Telefonseelsorge, anonyme, kostenlose Beratung zu jeder Tages- und Nachtzeit unter den bundesweiten Telefonnummern (0800) 111 0 111 oder (0800) 111 0 222
  • Kinder- und Jugendtelefon, "Nummer gegen Kummer", kostenlose Beratung von Mo. bis Sa. 14-20 Uhr unter der Telefonnummer 116 111 (Kinder- und Jugendtelefon) oder montags bis freitags von 9 bis 11 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr unter der Telefonnummer (0800) 111 05 50 (Elterntelefon)
  • Das deutschlandweite Info-Telefon Depression der Deutschen Depressionshilfe erreichen Sie montags, dienstags und donnerstags von 13 bis 17 Uhr sowie mittwochs und freitags von 8.30 bis 12.30 Uhr unter Telefon (0800) 33 44 533. Bei der Deutschen Depressionshilfe gibt es auch einen Selbsttest sowie Wissen und Adressen rund um das Thema Depression.
  • Konkrete Hilfe vor Ort in über 80 Städten und Regionen bietet das Deutsche Bündnis gegen Depression
  • Einen Erfahrungsaustausch für Betroffene und Angehörige bietet das Diskussionsforum Depression
  • Beratung und Selbsthilfegruppen speziell für Angehörige bietet das Psychiatrienetz BApK
  • Wo Sie eine Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe finden, erfahren Sie bei der NAKOS (Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen), Tel. (030) 3101 8960
  • In jeder deutschen Stadt gibt es Psychologische Beratungsstellen, Beratungsstellen für Ehe-, Familien- und Lebensfragen, Psychosoziale Beratungsstellen, Sozialpsychiatrische Dienste. Diese Einrichtungen stehen jedoch nicht rund um die Uhr zur Verfügung, und es müssen ggf. Beratungstermine vereinbart werden - sie sind also bei akuten Krisen nur bedingt hilfreich.

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