HSV-Duell in Hannover: Wird Hamburg für Leitl zum Stolperstein?
In der vergangenen Saison hatte Stefan Leitl Anteil daran, dass sein Trainerkollege Tim Walter beim HSV seinen Job verlor. Nun steht der Coach von Hannover 96 heute Abend im Nordduell der 2. Liga mit den Hamburgern selbst stark unter Druck. Bei einer Pleite könnte dem 46-Jährigen das Aus drohen.
Rund sechs Monate ist es nun her, dass Leitl mit seinem Team am 21. Spieltag der vergangenen Serie mit 4:3 im Volksparkstadion triumphierte. Sebastian Ernst erzielte in der achten Minute der Nachspielzeit den Siegtreffer gegen den HSV, der trotz Unterzahl - László Bénes hatte die Rote Karte gesehen (88.) - weiter wild nach vorne stürmte. Es war das letzte von vielen Hamburgern Spektakeln in der über zweieinhalbjährigen Walter-Ära. Der Zweitliga-Rekordcoach des Traditionsclubs wurde zwei Tage später entlassen.
Leitl sägte also das letzte Bein am zuvor schon sehr wackligen Stuhl von Walter ab. Weil er selbst anschließend mit seinem Team jedoch auch nicht im Sinne der 96-Verantwortlichen punktete und der Start in die aktuelle Saison auch durchwachsen war, könnte ihm bei einer Pleite heute Abend (18.30 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) gegen den HSV der Rauswurf drohen.
Kind: "Entwicklung der Mannschaft nicht erkennbar"
In der Kritik stand Leitl bereits nach der vergangenen Rückrunde, nun hat ihn Sportdirektor Marcus Mann nach dem Erstrunden-Aus im DFB-Pokal beim Drittligisten Arminia Bielefeld (0:2) öffentlich angezählt. "Ich kann mir das langsam nicht mehr angucken. Vor lauter Wunsch nach Spielkontrolle schlafen wir ein. Das ist Schlafwagen-Fußball", polterte der 40-Jährige und kündigte unmissverständlich Konsequenzen an, sollte die Mannschaft nicht "schleunigst aufwachen", wie Mann forderte. "Weil: Das gucke ich mir nicht mehr lange an", drohte der Manager.
Klare Worte von Mann, die bei einem anderen Mann auf viel Gegenliebe stießen, der bis vor Kurzem bei den "Roten" für die Abteilung verbale Attacke verantwortlich war: Martin Kind. Via "Hannoversche Allgemeine Zeitung" lobte der Gesellschafter und frühere Profi-Boss zunächst den Sportdirektor für die geäußerte Kritik und gab dann noch seine Einschätzung zur Lage bei 96 ab: "Im Moment ist eine Entwicklung der Mannschaft ja gar nicht erkennbar."
Leitl setzt sich gegen Kritik zur Wehr
Und eben dafür zeichnet Leitl verantwortlich. Wobei die Entwicklung des Teams in dieser Spielzeit eigentlich nicht mehr oberste Priorität haben soll. Die 96-Führung verlangt vom dem Coach im dritten Jahr seiner Amtszeit den Aufstieg. Doch kann der Sprung zurück in die Bundesliga in einem solchen Spannungsfeld überhaupt gelingen? Hannovers Verantwortliche könnten sich diesbezüglich mal in Hamburg umhören. Denn das der HSV nun schon den siebten Anlauf in Richtung Beletage nimmt, gründet gewiss nicht auf fehlenden finanziellen Mitteln...
Leitl scheint es jedenfalls leid zu sein, als Sündenbock dazustehen. Die harsche Kritik von Sportdirektor Mann bezeichnete er zwar als "berechtigt". Dass sich nun aber auch noch Ex-Geschäftsführer Kind aus der Deckung wagte, wollte der 46-Jährige nicht hinnehmen.
"Wir haben ein Spiel verloren. Wir werden wahrscheinlich noch das eine oder andere Spiel verlieren. Andere Mannschaften werden auch ein Spiel verlieren. Wir müssen lernen, damit besser umzugehen", sagte Leitl am Donnerstag über die massive Kritik nach dem Pokal-Aus gegen Arminia Bielefeld. "Von allen Personen, die Energie geben können, brauchen wir Energie, Unterstützung, Vertrauen in die Mannschaft. Das ist eine gute Mannschaft, das sind gute Jungs."
HSV zwischen Seriosität in Liga und Spektakel im Pokal
Während es bei 96 trotz ordentlichen vier Zählern aus den ersten beiden Partien bereits Meinungsverschiedenheiten gibt und Coach Leitl unter Druck steht, herrscht beim punktgleichen HSV derzeit Ruhe. Die Auftritte beim 1. FC Köln (2:1) und gegen Hertha BSC (1:1) waren zwar nicht durchweg überzeugend, zeugten aber immerhin von einem Reifeprozess, in dem sich die Mannschaft befindet.
Walter-Nachfolger Steffen Baumgart ist es gelungen, dem Team das Verteidigen beizubringen. Unter dem früheren Bundesliga-Stürmer spielen die Hamburger seriöser - auch wenn der Unterhaltungsfaktor darunter zweifellos gelitten hat. Zumindest in den Zweitliga-Begegnungen, denn im Pokal-Duell mit dem Regionalligisten SV Meppen (7:1) präsentierte sich der HSV ja sehr offensivfreudig.
"Wollen den Jungs mehr Sicherheit geben"
Und Baumgart bekräftigte vor der Reise nach Hannover auch noch einmal, dass er sich nicht auf ein Spielsystem festlegen wird. "Wir sind immer noch am Anfang der Saison. Was heute als Lösung erscheint, kann morgen ad acta gelegt sein. Wir wollen den Jungs Sicherheit geben in unserem Spiel. Wir wollen in vielen Situationen die Kontrolle haben, dem Gegner wenig Tormöglichkeiten geben und uns gleichzeitig selbst Torchancen erarbeiten", erklärte der Coach. Er forderte von seinem Team, "mutiger bis zum Ende zu sein, unabhängig vom Ergebnis".
Elfadli, Jatta, Dompé und Raab fallen aus
Sowohl gegen Köln als auch gegen Hertha wurden die Hamburger im zweiten Abschnitt bei eigener Führung zunehmend passiver. Das Ziel im Duell mit 96 ist daher klar: "Wir müssen über 90 Minuten Dinge besser machen als zuvor. Es reicht, nicht nur eine Hälfte gut zu spielen. Wir müssen das über 60, 70, 80 Minuten tun", sagte Baumgart.
Der Trainer ist in Hannover zum Improvisieren gezwungen. Denn die Flügelspieler Bakery Jatta und Jean-Luc Dompé fallen ebenso verletzungsbedingt aus wie Mittelfeldakteur Daniel Elfadli. Besonders schwer hat es dabei Jatta erwischt. Er zog sich in Meppen eine Sprunggelenksblessur zu und wird wohl mindestens einen Monat nicht zur Verfügung stehen.
Baumgart will umworbenen Meffert unbedingt halten
Ohne Jatta, Dompé, Elfadli und Keeper Matheo Raab, der nach seiner Lungenentzündung noch nicht wieder im vollen Umfang mittrainieren kann, reist der HSV an die Leine. Jonas Meffert ist hingegen trotz hartnäckiger Wechselgerüchte mit an Bord. Der "Sechser" wird von seinem Ex-Coach Walter umgarnt, der inzwischen beim englischen Zweitligisten Hull City das Zepter schwingt.
Bei den "Tigers" könnte der Routinier vermutlich mehr Geld verdienen als bei den Hamburgern. "Ich habe aber nicht das Gefühl, dass Jonas weg will", erklärte Baumgart, der den 29-Jährigen auch mit allen Mitteln halten will: "Das habe ich nicht nur ihm gesagt, das habe ich auch den Verantwortlichen gesagt. Jonas ist ein Spieler, den vermissen Sie relativ schnell, wenn er nicht da ist. Wenn Sie mit ihm arbeiten, dann wissen Sie, was Sie an ihm haben. Und wenn Sie diese Worte hören, dann wissen Sie, was ich davon halte, wenn er weggeht: nämlich gar nichts."