Eklat im 96-Block überschattet 4:3-Sieg von Hannover beim HSV
Hannover 96 hat am Freitagabend in einem rassigen Nordduell in der 2. Fußball-Bundesliga 4:3 (3:1) beim HSV gewonnen. Aber das sportliche Spektakel trat angesichts von hasserfüllten Plakaten und anderer Fanproteste auf der Tribüne in den Hintergrund - und wäre beinahe abgebrochen worden.
Zunächst hatten die Anhänger des HSV im Streit mit der DFL um den Investoreneinstieg ihr Zeichen gesetzt. Mehrfach flogen nach der Pause Gegenstände in den Strafraum der Gäste. Dann befestigten auch noch Vermummte aus dem Fanblock fünf Fahrradschlösser an den Torpfosten, die mit der Flex entfernt werden mussten.
Nach einer knappen Stunde dann legten die Gäste-Fans los - und sorgten für den Eklat. Im Block wurden einige Plakate gegen den Investoren-Einstieg entrollt. Darunter waren hasserfüllte, die unter anderem den Kopf von 96-Geschäftsführer Martin Kind im Fadenkreuz zeigten.
Schiedsrichter Sören Storks unterbrach die Partie. Und weil sämtliche Bemühungen der 96-Spieler und Verantwortlichen, die alle den Weg in die Kurve machten, erfolglos blieben, schickte Storks die Mannschaften in die Kabine. Der Spielabbruch schien kurz bevorzustehen, nach rund 25 Minuten wurden die Banner doch noch eingerollt. Die Aktion wird aber sicher noch ein juristisches Nachspiel haben. Das zeigt der Fall von Dietmar Hopp, der ebenfalls von Fans im Fadenkreuz gezeigt worden war. 2020 nahm die Polizei Ermittlungen "wegen des Verdachts der Bedrohung im Zusammenhang mit einem Spruchband und einem Porträtplakat" auf.
96-Coach Leitl: "Uns Fußballern gehört der Fußball auch"
"Von dem, was heute passiert ist, distanzieren wir uns", sagte Hannovers Trainer Stefan Leitl. "Das hat im Fußballstadion nichts verloren. Heute hat der Protest eine Grenze erreicht, wo das Spiel kurz vor dem Abbruch stand, und das will natürlich keiner." Die Fans würden zu Recht sagen, ihnen gehöre der Fußball. "Aber uns Fußballern gehört der Fußball auch. Deshalb sollen sie uns auch spielen lassen", sagte der Ex-Profi, der viel lieber nur über das "unfassbar gute Spiel" seines Teams gesprochen hätte, in einem Duell, in dem sich beide Mannschaften sportlich "alles abverlangt haben".
Leitls Pendant Tim Walter sagte nach der Niederlage: "Die Enttäuschung ist sehr, sehr groß. Aber ich hoffe, dass wir diese Wut, diese Trotzreaktion in der kommenden Woche in Energie umwandeln und das nächste Spiel für uns entscheiden." Zu den Protesten wollte sich der HSV-Trainer nicht äußern: "Ich muss mich ums Sportliche kümmern. Ich schaue, dass meine Jungs fit sind, dass sie aus solchen Situation ungeschoren davonkommen." Alles andere müssten die Verantwortlichen um Vorstand Jonas Boldt klären.
Hannover mit einer starken ersten Hälfte
Allerdings war ein bis zu den Protesten rassiges Nordduell vollkommen zur Nebensache geraten. In einer wilden ersten Hälfte hatte Nicolo Tresoldi die Gäste nach einer Ecke früh in Führung geköpft (11.). Und nach einem Eigentor von Hamburgs Guilherme Ramos (21.) stand es 0:2. Matheo Raab, der überraschend für Stammkeeper Daniel Heuer Fernandes im Tor stand, hatte keine Abwehrchance.
Die Hamburger witterten nach einem schönen Treffer von Laszlo Benes kurz Morgenluft (24.), lagen aber schnell wieder mit zwei Treffern zurück: Louis Schaub sorgte für das 3:1 der Gäste (32.). So einen Auftritt hatten den Gästen nach der Sperre von Abwehrchef Marcel Halstenberg und dem Last-Minute-Wechsel von Derrick Köhn in die Türkei wohl nur ganz wenige zugetraut.
HSV kommt zurück und verliert nach zwei Platzverweisen
Viele HSV-Fans verabschiedeten ihre Mannschaft mit Pfiffen in die Pause und verzögerten dann den Wiederanpfiff mit ihren Aktionen um gut zehn Minuten. Den HSV-Spielern hatte das offensichtlich nichts ausgemacht. Keine zwei Minuten waren gespielt, da verkürzte der gerade eingewechselte Dennis Hadzikadunic zum 2:3. In welche Richtung würde das Spiel nun kippen? Zunächst kam es komplett zum Erliegen, weil die 96-Anhänger nicht (nur) wegen des Spiels in den Volkspark gekommen waren.
Danach konnte es endlich auf dem Platz weitergehen - und wie: Erst traf Robert Glatzel nach einer Ecke freistehend zum 3:3 (86.). Dann sah Hamburgs Benes nach Videobeweis die Rote Karte (88.) - laut Walter "der Gamechanger". Denn Schluss war noch lange nicht: Obwohl die Spielzeit ob der Geschehnisse im Gästeblock ebenfalls angehalten worden war, wurden satte 16 Minuten Nachspielzeit angezeigt.
Angesichts der Tabellenkonstellation spielten auch zehn Hamburger auf Sieg. Aber das nutzten die Gäste eiskalt aus. Sebastian Ernst schoss in der achten Minute der Nachspielzeit die Gäste zum Sieg. Den Schlusspunkt setzte schließlich unfreiwillig Hadzikadunic, der noch mit Gelb-Rot vom Platz musste (90.+16.).
Das Ergebnis ist für die Hamburger, die das dritte Heimspiel in Folge verloren, ein herber Rückschlag im Aufstiegsrennen. Mit dem dritten Sieg in Folge spricht 96 nun allerdings wieder ein Wörtchen um die vorderen Plätze mit. "Wir haben in der Winterpause brutal intensiv gearbeitet. Aktuell belohnen sich die Jungs", freute sich 96-Coach Leitl.