Viel drauf, wenig drin: Wie uns manche Hersteller ködern wollen
Beim Einkaufen werfen Verbraucherinnen und Verbraucher oft nur einen kurzen Blick auf die Lebensmittel-Verpackungen. Die Zutatenliste lesen sie selten. Das nutzen einige Hersteller gezielt aus.
Verbraucher wissen in der Regel, dass sie mit ihrem Einkauf einen gewissen Einfluss auf die Herstellungsbedingungen von Lebensmitteln haben. Den meisten ist bewusst, dass Tiere meist nicht artgerecht gehalten werden, oder sie haben vom Bienensterben durch immer mehr Monokulturen in der Landwirtschaft gehört.
Gutes Gewissen als Verkaufsanreiz
Genau darauf zielen einige Hersteller auf ihren Verpackungen ab: Sie geben sich und dem Produkt einen positiven Anstrich und werben etwa mit einem Bienenprojekt, welches beim Kauf des Produkts unterstützt würde. Doch was wirklich dahintersteckt, ist für den Verbraucher im Supermarkt kaum ersichtlich.
Käse aus Milch von freilaufenden Kühen?
Oder Hersteller betonen, dass die Milch des Käses von "Freilaufkühen" stammt - ein Fantasie-Begriff, mit dem assoziiert werden soll, dass Kühe draußen auf der Weide frei herumlaufen. Nur bei genauem Studieren des Kleingedruckten erfahren Verbraucher, dass sich die Kühe im Stall frei bewegen können - was heutzutage der Standard ist bei der Milchkuh-Haltung.
Protein: Hersteller werben mit Gesundheitsversprechen
Immer mehr Menschen wollen sich so gesund wie möglich ernähren und das möglichst ohne großen Aufwand. Proteinhaltige Lebensmittel sind so ein anhaltender Trend. Besonders zucker- und fetthaltige Riegel werden deshalb gerne als gesunde Eiweiß-Quelle verkauft. Das ist zurzeit noch erlaubt, eine Änderung der Vorschrift nicht in Sicht.
Denn ab einem bestimmten Gehalt an Protein darf damit geworben werden, egal wie gesund oder ungesund die übrigen Zutaten im Produkt sind. Verbraucherschützer fordern schon lange, dass gesundheitsbezogene Angaben für einen bestimmten Inhaltsstoff nur dann gemacht werden dürfen, wenn auch die übrigen Zutaten einem gesunden Nahrungsmittel entsprechen.
Irreführende Produktnamen bei Lebensmitteln
Ein ebenfalls beliebter Trick von Herstellern: Eine exotische oder teure Zutat wird im Produktnamen besonders hervorgehoben. Häufig ist das genau die Zutat, von der am wenigsten enthalten ist - sei es ein Fruchtsaft mit Mango, ein Pesto mit Rucola oder ein Müsli mit Nüssen. In solchen Fällen fühlen sich viele Verbraucher oft getäuscht. Doch bislang gibt es keine gesetzlichen Vorgaben für die Mengen von Zutaten, die enthalten sein müssen, wenn sie im Produktnamen beworben werden.
Generell gilt laut EU-Lebensmittelverordnung der Grundsatz: Eine Verpackung oder eine andere Kennzeichnung darf nicht irreführen oder täuschen. Kommt es zu einer Klage gegen die Produktverpackung eines Herstellers, so trifft das Gericht immer eine Einzelfallentscheidung, ob es sich tatsächlich um irreführende Werbung handelt. Das bedeutet, dass nicht automatisch alle Lebensmittel, die ähnlich gekennzeichnet sind, auch eine Täuschung begehen. Unternehmen kennen die rechtlichen Rahmenbedingungen für Produktdeklarationen sehr genau: Sie nutzen die Vorgaben gezielt aus und orientieren sich an Gerichtsurteilen zu anderen Produkten.
"Weniger" und "frei von" stimmt bei Produkten nicht immer
Für viele Verbraucher ist die zucker- oder fettreduzierte Variante ein Kaufanreiz. Gerade Produkte, die damit werben, frei von Aromen, Farbstoffen, Phosphaten oder Geschmacksverstärkern zu sein, sprechen gesundheitsbewusste Käufer an. Doch wer die Inhaltsstoffe dann genauer studiert, ist meist enttäuscht. Zwar wurde der Zucker in der Marmelade reduziert, dafür aber auch der Fruchtanteil gesenkt. Zusätzlich wurde noch jede Menge Wasser untergemischt. Oder ein bekannter Schmelzkäse-Hersteller bietet eine neue Variante "ohne Zusatz von Phosphaten" an. Das klingt gut, tatsächlich sind in Form von "Milchmineralien" aber trotzdem Phosphate enthalten.
Tricksereien mit natürlichen Aromastoffen
Immer öfter lesen Supermarktkunden auf den Verpackungen "frei von künstlichen Aromen". Viele dieser Produkte enthalten aber dennoch Aromen. Solche natürlichen Aromastoffe gelten laut Gesetz zwar nicht als künstlich, werden teilweise aber auch im Labor hergestellt. Hinzu kommt: Natürliche Aromen müssen lediglich aus einem natürlichen Ausgangsstoff stammen, nicht aber zwingend aus dem Lebensmittel, nach dem sie schmecken.
Ein Beispiel ist Vanillin: Der Rohstoff aus der Vanilleschote ist in den vergangenen Jahren extrem teuer geworden. Hersteller haben daher Verfahren entwickelt, um den Aromastoff nachzubilden. Vanille-Aroma lässt sich beispielsweise aus Überresten der Reisverarbeitung, sogenannter Kleie, herstellen. Da Reis ein Naturprodukt ist, darf auch das daraus hergestellte Aroma als "natürlich" deklariert werden - obwohl das Produkt mit einer echten Vanilleschote nichts zu tun hat.
Beim Einkauf Blick auf die Zutatenliste werfen
Zwar haben Verbraucher die Möglichkeit, all diese Tricksereien zu entlarven, wenn sie sich die kleingedruckte Zutatenliste genau durchlesen, doch das kostet viel Zeit und setzt oft auch ein gewisses Fachwissen voraus.