Industriebrot: Enzyme statt Handwerkskunst
Deutsches Brot gilt als besonders hochwertig, nahrhaft und rustikal. Und Bäckereien werben gerne mit dem Anschein traditioneller Handwerkskunst. Allerdings: Für traditionell hergestelltes Brot braucht man viel Erfahrung. Und damit der Teig für Brot und Brötchen gelingt, müssen viele Faktoren beachtet werden. Denn Mehl ist ein Naturprodukt und hat nie die zuverlässig gleichen Eigenschaften. Schon die Temperatur in der Backstube beeinflusst die Entwicklung des Teiges. Und so kann ein Teig, der gestern perfekt war, mit den gleichen Zutaten heute vielleicht misslingen.
Industrieller Teig muss maschinengängig sein
Die Backindustrie setzt daher vor allem auf Teige, deren Eigenschaften sich genau steuern lassen. Und aus denen sich in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Brote backen lassen. Industriell gefertigter Teig für Brot und Brötchen muss maschinengängig sein, darf nicht zu klebrig oder zu feucht sein, sonst kann er nicht verarbeitet werden. Damit kommen bestimmte Teige oder Mehlsorten für die Industrie von vornherein gar nicht infrage. Mit verschiedenen Hilfsmitteln lässt sich Industrie-Teig so beeinflussen, dass am Ende des Tages zuverlässig eine große Menge Brote die Fabrik verlassen kann.
Enzyme verbessern Teiggängigkeit
Dabei setzen Brotfabriken unter anderem Enzyme ein. Es gibt rund 250 technische Enzyme, die dem Mehl beigemischt werden und die nicht in der Zutatenliste angegeben werden müssen. Sie verbessern die Teiggängigkeit in den Maschinen, sorgen für ein gutes Volumen, für eine schnelle Reifung des Teiges oder für eine schöne Kruste. Gewonnen werden sie etwa aus gentechnisch veränderten Pilz- oder Bakterienkulturen.
Viele Bäcker greifen auf Backmischungen zurück
Viele Bäcker wissen heute gar nicht mehr, wie man ohne industrielle Hilfe backt. Sie greifen auf Backmischungen und tiefgefrorene Teiglinge zurück. Bequem macht es ihnen die Organisation BÄKO für Bäckereien und Konditoreien. Sie liefert ihnen fertige Brotmischungen, die Zusatzstoffe, die tiefgefrorenen Croissants und Laugenecken, die nur noch schnell aufgebacken werden müssen. Das führt dazu, dass sich das Angebot vieler Bäckereien von dem der Industrie kaum mehr unterscheidet.
Handwerksbäcker leiden unter Konkurrenz
Handwerksbäcker haben es angesichts der Konkurrenz aus Supermärkten und Discountern immer schwerer, sich auf dem Markt zu behaupten. Denn die Industrie kann wegen der Masse, die sie herstellt, und dank ihrer Maschinen viel günstiger produzieren und das Brot daher zu günstigeren Preisen verkaufen. Immer mehr Bäckereien müssen Insolvenz anmelden oder ihren Betrieb schließen, wie Zahlen des Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks zeigen: So fiel die Zahl der Betriebe von knapp 15.000 im Jahr 2009 auf 10.500 im Jahr 2019.
Nur wer sich als Bäcker auf sein Handwerk besinnt, kann der Industrie heute etwas entgegensetzen. Hilfreich können Qualitätssiegel sein, die dem Verbraucher transparent machen, dass weder Backmischungen, Zusatzstoffe noch tiefgefrorene Teiglinge verwendet werden. So gibt es zum Beispiel das Siegel "Traditionsbäcker" in Schleswig-Holstein, das "SlowBaking"-Qualitätssiegel und den Handwerksbäcker-Zusammenschluss "Die Freien Bäcker - Zeit für Verantwortung".